„Beeilt euch zu handeln, ehe es zu spät ist zu bereuen“. Diese Mahnung des norwegischen Friedensnobelpreisträgers Fridtjof Nansen kurz nach dem Ersten Weltkrieg würde auch als Appell an die Klimakonferenz von Paris passen. Zu lange hat sich die internationale Klimadiplomatie im Schneckentempo bewegt. Zu lange war die Staatengemeinschaft nicht in der Lage, die unstreitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Klimaforscher in ein bindendes Abkommen zu überführen. Ich habe die große Hoffnung, dass sich dies mit der Klimakonferenz von Paris ändert. Die Zeit drängt. Die Forschung sagt uns: Wenn wir die Erderwärmung auf maximal 2 Grad begrenzen wollen, hat die Atmosphäre ein CO2-Budget von 2.900 Gigatonnen. Zwei Drittel dieses Budgets haben wir bereits verbraucht. Wenn wir von dem aktuellen CO2-Ausstoß ausgehen, dann ist das Limit in 30 Jahren erreicht. Alles, was danach dazukommt, sorgt dafür, dass das Klima sich mit einer Dynamik verändert, die wir nicht mehr beherrschen können. Schon heute spüren wir überall auf der Welt die Folgen des Klimawandels. Die Extremwetterereignisse nehmen zu. Das Jahr 2014 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Vierzehn der 15 wärmsten Jahre liegen in unserem noch jungen 21. Jahrhundert. Wir sind ohne Frage die erste Generation, die Zeugin des Klimawandels ist. Und wir sind zugleich die letzte, die ihn auf ein beherrschbares Maß begrenzen kann.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist von existenzieller Bedeutung. Wir haben die Pflicht, unseren Nachkommen eine Erde zu hinterlassen, auf der ein gutes Leben möglich ist. Der Klimawandel ist aber auch ein großes globales Gerechtigkeitsproblem. Papst Franziskus hat darauf in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ eindrucksvoll hingewiesen.

Papst Franziskus schreibt: „Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige […] sozio-ökologische Krise.“

Für viele Menschen, vor allem in Sub-Sahara Afrika und in Südasien ist der Klimawandel bereits heute eine unmittelbare Bedrohung. Trinkwasser wird knapp, Böden vertrocknen und Wüsten breiten sich aus. Menschen werden ihre Heimat verlieren. Forscher schätzen, dass bei einem Temperaturanstieg von 4 Grad in vielen Teilen der Erde die Nahrungsmittelproduktion deutlich zurückgeht – während die Bevölkerung weiter zunimmt. Ein ungebremster Klimawandel wird existierende Verteilungskonflikte verschärfen und neue hervorrufen: Konflikte um Land, Wasser, um die Bewältigung von Flüchtlingsbewegungen und die Verteilung der Kosten von Naturkatastrophen. Die Weltbank schätzt in einem aktuellen Bericht, dass die Folgen des Klimawandels bereits in den kommenden 15 Jahren 100 Millionen Menschen zusätzlich in Armut stürzen.

Dass Menschen verarmen, weil vor allem die wohlhabenden Länder keine Rücksicht auf die ökologischen Grenzen der Erde nehmen, ist zu allererst ein ethisches Problem. Die Ungleichheit, die der Klimawandel auf der Welt erzeugt, wird uns aber auch direkt betreffen. Die aktuelle Flüchtlingsbewegung, die unser Land erreicht, zeigt uns gerade, wie klein die Welt geworden ist. Wir leben in einem Zeitalter weltweiter Mobilität, in der kein Grenzzaun und kein Meer die Menschen davon abhalten kann, nach einem besseren Leben zu suchen. Wenn wir Fluchtursachen wirksam bekämpfen wollen, dann müssen wir dem Klimawandel endlich entschlossen entgegentreten.

 

Die Strategie der Bundesregierung fußt auf drei Säulen:

Erstens setzen wir uns mit aller Kraft für ein erfolgreiches Klimaschutzabkommen auf der Konferenz in Paris ein. Unser Ziel ist ein Abkommen mit robusten Regeln, die Transparenz sicherstellen. Denn der Vertrag  wird sich nur bewähren können, wenn klar ist, dass sich alle an die vereinbarten Ziele halten. Wir wissen, dass die vorgesehenen Minderungsbeiträge der Länder bislang nicht ausreichen. Deshalb brauchen wir im Abkommen einen Mechanismus, der die Gesamtambition nach oben schrauben kann. Dafür ist es entscheidend, dass nach Paris der Gesamteffekt der nationalen Beiträge regelmäßig und in einem transparenten Verfahren überprüft wird und die Länder sich daraufhin erneut Ziele setzen. Denn eines muss in jedem Fall klar sein: Das Abkommen muss glaubwürdig sicherstellen, dass 2 Grad das absolute Maximum sind, das wir zulassen.

Darüber hinaus brauchen wir ein weltweites Langfristziel, das in Richtung Wirtschaft und Gesellschaft ein klares Signal sendet: Das Zeitalter der fossilen Energieträger geht dem Ende entgegen. Wir brauchen eine „grüne Null“, also Null CO2 aus fossilen Energieträgern im Laufe dieses Jahrhunderts.

Entscheidend wird sein, dass wir die starre Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auf Grundlage von längst überholten Kriterien überwinden. Gerade die großen Schwellenländern China und Brasilien haben in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass auch sie für einen ambitionierten Klimaschutz eintreten. Jedes Land muss bereit sein, seinen Beitrag zu leisten. Das bedeutet auf der anderen Seite auch, dass wir die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kapazitäten der Länder berücksichtigen und dort unterstützen, wo die Mittel begrenzter sind.

Deshalb ist die zweite Säule der Ausbau des deutschen Engagements bei der Klimafinanzierung. Die Bundesregierung wird deshalb die Haushaltsmittel für die internationale Klimafinanzierung bis 2020 auf 4 Milliarden Euro verdoppeln.  Hinzu kommen noch Kredite der KfW-Bank in erheblichem Umfang. Wir bekennen uns zum Ziel des Kopenhagener Gipfels aus 2009, gemeinsam mit den anderen Industrieländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Mitteln für den Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern zu mobilisieren. 2014 standen wir bereits bei 62 Milliarden US-Dollar. Dies zeigt, die Industrieländer haben große Fortschritte gemacht und sind auf gutem Wege, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.

Die dritte Säule ist unsere nationale Klimaschutzpolitik. Wir können international den Klimaschutz nur vorantreiben, wenn wir zuhause als eines der wohlhabendsten und wirtschaftsstärksten Industrieländer unsere Hausaufgaben machen. Dabei haben wir schon große Erfolge erzielt. Die Tatsache etwa, dass Strom aus Erneuerbaren Energien immer marktfähiger wird, ist ganz wesentlich der deutschen Förderung zu verdanken. Schon heute decken wir fast 30 Prozent unseres Stromverbrauches aus Erneuerbaren Energien.

Dennoch brauchen wir auch in Deutschland zusätzliche Anstrengungen. Damit wir unser Ziel für 2020 erreichen, mindestens 40 Prozent weniger CO2 als 1990 zu emittieren, müssen wir einen Gang zulegen. Die Bundesregierung hat mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz deshalb rund  100 Maßnahmen beschlossen, die sicherstellen, dass wir unser Zwischenziel erreichen. Bis 2050 wollen wir 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen. Das bedeutet, dass wir unsere Art zu Leben und zu Wirtschaften grundlegend verändern müssen. Die Braunkohle als Energieträger wird langfristig keine Zukunft haben. Wir brauchen Autos, die durch Erneuerbare Energien angetrieben werden und Wohnungen, die ohne eine Gas- oder Ölheizung auskommen. Mir ist dabei wichtig, dass wir den Wandel sozialverträglich organisieren, Strukturen verändern, aber Strukturbrüche vermeiden. Und dass wir die Bürgerinnen und Bürger motivieren, sich selbst in die Pflicht zu nehmen. Ich werde deshalb im kommenden Jahr  den Klimaschutzplan 2050 vorstellen, in dem die Zwischenziele und Strategien formuliert werden.

Der Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die ökologischen Grenzen unseres Planeten respektiert, ist eine der großen Menschheitsaufgaben dieses Jahrhunderts. Packen wir sie an.