Kann man nicht meckern. Es ist kein Wunder, dass dieser Spruch als das wohl größte Kompliment der Deutschen gilt. Denn hierzulande kann man schnell glauben, dass es immer etwas gibt, worüber sich beschwert werden muss. Vielleicht ist es das Wetter, vielleicht der Fußball, und vielleicht ist es – wie so häufig – die Regierung, die doch alles falsch macht. Dass diese Meinung über die Bundesregierung jedoch in anderen Ländern weitaus weniger populär ist, als im eigenen, mag für viele eine echte Überraschung sein.
Doch genau das hat nun eine neue Analyse zu globalen Führungsqualitäten gezeigt. Unter den vier analysierten Weltmächten – Deutschland, USA, China und Russland – bleibt Deutschland 2022 zum sechsten Mal in Folge an der Spitze der Rangliste. Deutschland ist also das Land, welchem die meisten Führungsqualitäten zugeschrieben werden. Und das nicht nur in Europa. Weltweit führt Deutschland mit einer Zustimmungsquote von 46 Prozent das Ranking an. Während in Amerika zwar die USA das Ranking anführen, kann Deutschland in anderen Regionen besonders gut punkten. So ist Deutschland laut der Umfrage in Asien das einzige Land, dessen Führungsqualitäten auf mehr Zustimmung als Ablehnung trifft. Und diese Studie ist kein Einzelfall. Auch im Nation Brands Index, einer Studie, die das internationale Ansehen von 60 Ländern untersucht, führt Deutschland die Rangliste an. Und das nun schon seit sechs Jahren.
Das passt jedoch nicht wirklich mit dem Selbstverständnis der Deutschen zusammen. Schaut man nur einmal auf den Deutschlandtrend der vergangenen Woche, findet sich ein Bild starker Unzufriedenheit. So ist die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Bundesregierung auf ein Allzeittief gefallen. Lediglich 20 Prozent der Befragten waren zufrieden oder sehr zufrieden mit der Regierung. Im Europäischen Vergleich der Führungsqualitäten-Studie waren hingegen durchschnittlich 56 Prozent der europäischen Bürgerinnen und Bürger zufrieden mit der deutschen Führungsqualität. Ein massiver Unterschied.
Doch woher kommt diese Diskrepanz? Eine Erklärung ist der Fokus auf Innenpolitik versus Außenpolitik. So bezieht sich die aktuelle Kritik der Deutschen an ihrer Regierung primär auf innenpolitische Themen. Besonders der Streit über das neue Heizungsgesetz und die Klimapolitik der Regierung erhitzen die Gemüter. In anderen Ländern liegt der Fokus der Bürgerinnen und Bürger hingegen auf der deutschen Außenpolitik und im Jahr 2022 besonders auf der Ukrainepolitik der Regierung.
Die deutsche Regierung konnte besonders in Europa hohe Zustimmungsraten erreichen.
Unter dem Stichwort „Zeitenwende“ gab Olaf Scholz im vergangenen Jahr eine Kehrtwende der deutschen Außenpolitik bekannt, die global viel Zustimmung erlangte. Weiterhin bekräftigte der Bundeskanzler sein Engagement für die NATO, den europäischen Multilateralismus und die internationale Ordnung, was der deutschen Regierung besonders in Europa hohe Zustimmungsraten einbrachte, von denen die Regierung im eigenen Land nur träumen kann.
Eine andere Erklärung ist die Tendenz der Bürgerinnen und Bürger, das eigene Land immer in einem negativeren Licht zu sehen, als andere Länder gesehen werden. Dies bekräftigte eine Studie des Deutschen Wirtschaftsinstituts bereits 2005, die konstatierte, dass es nicht zwingend gewährleistet sei, dass Befragte ihr eigenes Land objektiv einschätzen können. Dies liegt besonders am verbreiteten ökonomischen Pessimismus und an der Politikverdrossenheit. Beide lassen die Politik des eigenen Staates verzerrt wirken. Vielleicht liegt die Diskrepanz auch an ständigen Vergleichen des eigenen Landes mit anderen Staaten. Bekannterweise ist das Gras auf der anderen Seite ja stets grüner.
Eine abschließende Sicherheit, was nun der ausschlaggebendste Punkt ist, kann es nicht geben. Doch viel wichtiger ist vielleicht auch, sich stattdessen zu fragen, was man aus den Ergebnissen dieser Studien lernen kann. Kritik an der Regierung ist natürlich legitim, doch einem ewigen Pessimismus nachzujagen, führt zu genau so wenig, wie alles in den Himmel zu loben. Vielleicht ist es für die Deutschen an der Zeit, den Fokus auf das Positive zu verschieben. Auch wenn eigentlich lieber gemeckert wird.