Seit Sonntag haben progressive Amerikaner vermeintlich einen neuen Star: Oprah Winfrey. Seit ihrer leidenschaftlichen Rede bei den Golden Globes gilt die ehemalige Talkshowmasterin als mögliche Kandidatin der Demokraten für die Präsidentschaftswahlen 2020. „Oprah for President?“, fragt der Spiegel und die Welt schwärmt von der „hinreißenden Idee von einer Präsidentin Winfrey“. Andere sind da schon weiter: Für die FAZ ist die entscheidende Frage nur noch, ob sie die Kandidatur wirklich will.

Zugegeben, bei der Aussicht auf eine Kandidatin, die sprachgewandt ist, sich sozial engagiert und die tief gespaltene amerikanische Gesellschaft einen will, spricht Einiges für Winfrey. Unbestritten ist auch, dass die erfolgreiche Medienunternehmerin in den USA über enorme Popularität verfügt und auch das nötige Kleingeld für eine erfolgreiche Kampagne mitbrächte. Laut dem US-Magazin Forbes beläuft sich ihr Vermögen auf stattliche 2,8 Milliarden Dollar, das sie  im Gegensatz zum derzeitigen Amtsinhaber im Weißen Haus ohne krumme Touren selbst verdient hat.

Doch wie überzeugend wäre eine Kandidatur Oprahs? Reichen die Credentials der TV-Persönlichkeit tatsächlich aus, um nicht nur eine gute Kandidatin, sondern auch eine gute US-Präsidentin zu sein? Zumindest das progressive US-Magazin Slate ist hier skeptisch. Unter der Überschrift „The case against Oprah“ führt Osita Nwanevu die Gegenargumente aus und gießt dabei tüchtig Wasser in den Oprah-Wein.

Die Argumentation geht so: Die Herausforderungen für den nächsten US-Präsidenten (oder Präsidentin) werden nicht kleiner. Bedingt durch den Klimawandel werden extreme Wetterphänomene zunehmen. Angesichts zeitgleich knapper werdender Ressourcen gehen Forscher bis zum Jahr 2060 von ca. 1,6 Milliarden Klimaflüchtlingen aus. Und für den Zeitraum bis dahin  glauben wohl nur die größten Optimisten an eine Lösung des Nahost-Konfliktes oder der Nordkorea-Krise. Gerade hierfür aber wird keine TV-, sondern konkret politische Erfahrung benötigt – auch wenn dies in Zeiten in denen polit-Quereinsteiger wie Popstars gefeiert werden, immer mehr aus dem Blick zu geraten scheint. So betrachtet erscheint eine Kandidatur Winfreys eben gerade nicht als Aufbruch sondern als Fortsetzung des Trump-Wahnsinns mit anderen Mitteln:  „Die selbe politische Malaise, die Trump produzierte“, schreibt Nwanevu, „könnte uns nun Oprah Winfrey” bescheren. Dabei verweist die Autorin nicht zuletzt auf den zweifelhaften Umstand, dass eben die Demokraten, die das zurückliegende Jahr hauptsächlich damit zubrachten über den Entertainer im Weißen Haus zu lästern, nun auf die glorreiche Idee verfallen, „ihren eigenen TV-Star ins Rennen zu schicken“.

Zu fragen sei aber doch vielmehr ob es ist nicht gerade politische Erfahrung ist, die ein so ambitioniertes wie realistisches Reformprogramm ermöglicht sowie das Geschick, ein solches im polarisierten US-Kongress auch durchzusetzen. Und reicht persönliche Sympathie tatsächlich aus, um sich im Dschungel der internationalen Diplomatie zurechtzufinden und die Vereinigten Staaten voranzubringen?

Nicht zuletzt das jüngste Beispiel lehrt uns, dass eine Wahlkampagne zu gewinnen und ein guter Präsident zu sein, zwei Paar Schuhe sind. Vorsichtigere Töne schlägt deshalb nicht zuletzt die Washington Post an. Sie schlägt vor, Winfrey solle zunächst als Senatorin kandidieren und dabei lernen was Politik konkret bedeutet. Der Subtext: Ein Reality-Star im Weißen Haus ist genug. Eine Kandidatur Oprahs zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft einzufordern sei deshalb nicht Beleg eines demokratischen Aufbruchs, sondern „Beweis des Zerfalls unserer Demokratie“.