Die Brexit-Verhandlungen gehen in die entscheidenden Stunden, Tage oder Wochen. Niemand kann ausschließen, dass noch ein allerletztes Verhandeln im kommenden Jahr nötig wird, um dafür zu sorgen, dass ein Scheidungsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zustande kommt. Der so genannte „No-Deal-Brexit“ wurde bereits in den dunkelsten Farben dargestellt: Engpässe bei der Lieferung von Medikamenten und Lebensmitteln auf der Insel, ein zumindest temporäres Aussetzen des Flugverkehrs, in Nordirland würde einfach das Licht ausgehen, weil es seinen Strom aus der Republik Irland bezieht. Selbst die Samenbanken auf der Insel hätten Probleme mit dem Nachschub, so die besorgten Berichte.
Das britische Parlament ist zutiefst zerstritten darüber, wie man schlussendlich voneinander scheidet. Weder können die Erzbrexiteers ihre Hardcore-Version des Austritts durchsetzen, noch die Europhilen ihre softe Variante. Die oppositionelle Labour-Partei würde gerne ein Modell des „Nur dabei, statt mittendrin“ wählen, was im Endeffekt auf die weichste Variante des Brexit hinauslaufen würde. Auch dafür gibt es aber keine Mehrheit, weil viele fürchten, damit Jeremy Corbyn und seinen sozialistischen Genossen den Steigbügel zur Macht zu reichen.
In Anbetracht dieser Lage neigt der kontinentaleuropäische Beobachter zu Resignation oder wahlweise Zynismus. Es scheint, als sei das Vereinigte Königreich auf einem Verstümmelungstrip und dabei auch noch frohen Mutes. Das sollte nicht verwundern. Schließlich sind die Briten bekannt für ihren Humor mit einer großen Portion Selbstironie und einem Hang zum Absurden. Beispiele? Die folgenden könnten sogar helfen, das sich entfaltende Drama um den Brexit besser zu verstehen.
Der dem Vorbild Blair‘scher Berater nachempfundene Spindoktor beeindruckt durch sein illustres, metaphernreiches und umfangreiches Fluchvokabular. Die Serie ist damit auch für das Erlernen praktischer Phrasen im Englischen sehr hilfreich.
Fangen wir an mit der Frage, warum London überhaupt in die EU eingetreten ist. Die vielleicht beste Erklärung dafür liefert die Serie „Yes, Minister“, die in den achtziger Jahren das politische System aufs Korn nahm. Weil die Begründung für den Premierminister so präzise und treffend ist, sei sie hier im Wortlaut wiedergegeben:
„Schauen Sie, das britische Außenministerium verfolgt seit mindestens 500 Jahren das gleiche Ziel, die Vereinigung Europas nicht zuzulassen. Dafür haben wir mit den Deutschen gegen die Franzosen und die Spanier gekämpft, mit den Türken und Franzosen gegen die Russen und den Franzosen und den Russen gegen die Deutschen und Italiener. Es ist das alte Teile und Herrsche, sehen Sie, und daher wollten wir auch die EU zerbrechen. Wir haben es von außen versucht, aber es funktionierte nicht. Jetzt, wo wir drin sind, können wir daraus einen kompletten Sauhaufen machen. Wir können die Spanier gegen die Deutschen aufwiegeln, die Deutschen gegen die Franzosen und die Franzosen gegen die Italiener. Das Außenministerium ist überglücklich, alles ist wie früher.”
Nun hat man sich offenbar entschlossen wieder zu den alten Taktiken zurückzukehren und Europa von außen zu verhindern. Die strategische Unterfütterung dieses Vorhabens erläutert am besten Baldrick, der treue Gehilfe von Blackadder aus der gleichnamigen Serie, ebenfalls aus den Achtzigern. Sein steter Hinweis „I have a cunning plan“, gefolgt vom größtmöglichen Unsinn und nahezu todsicheren Scheitern waren der rote Faden durch die historische Serie, mit der Rowan Atkinson berühmt wurde.
Ähnlich erfolgreiche Taktiererei kann man 20 Jahre später bei Malcolm Tucker, der Hauptfigur aus „The Thick of It“, lernen. Der dem Vorbild Blair‘scher Berater nachempfundene Spindoktor beeindruckt durch sein illustres, metaphernreiches und umfangreiches Fluchvokabular. Die Serie ist damit auch für das Erlernen praktischer Phrasen im Englischen sehr hilfreich. Seine Strategien greifen trotz großflächigsten Einsatzes dieses Vokabulars kaum oder fallen gleich negativ auf ihn zurück. Seine britische Regierung gibt in der höchst amüsanten Serie das Bild eines ewigen Intrigantenstadls ab, bei dem 99 Prozent der Energie auf interne Hackordnungskämpfe verwendet wird. Ein Schelm, wer angesichts der Zwistigkeiten bei den Tories daran denkt.
Als ewiges Zeugnis des britischen Humors gilt Monty Python und auch wenn man dafür in die Siebziger zurückgehen muss, gibt es doch noch Werke, die einem in Brexit-Zeiten Trost spenden. Der Versuch eines Kunden, einen toten Papagei zu reklamieren, den er erst eine halbe Stunde vorher erworben hatte, kann man sich wunderbar als Dialog eines enttäuschten Brexitwählers mit einem Brexiteer vorstellen. Kein Argument, dass es sich beim Papagei um ein totes Tier handelt, wird akzeptiert. Da werden Punkte wie Schockstarre, Winterschlaf und Erschöpfung ins Feld geführt. Auch artenspezifische Eigenheiten werden herangezogen, um zu erklären, warum der Papagei auf der Stange festgenagelt werden musste. Und der Versuch, die Obrigkeit einzuschalten scheitert ebenso kläglich wie das Bemühen um Umtausch des Vogels.
Gerade Monty Python mit ihrem Hang zum Absurden eignen sich wohl am ehesten dazu, der aktuellen Situation noch etwas Positives abzugewinnen. Diese Erkenntnis der Absurdität führt bei vielen Briten aktuell zum Umdenken: Am vergangenen Wochenende demonstrierten über 600 000 Menschen in London für eine weitere Abstimmung. Schließlich will niemand im April 2019 mit einem toten Papagei in der Hand dastehen, für den dann keiner zuständig ist.