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Interview von Daniel Kopp

Am Wochenende haben sich Militärführung und Opposition im Sudan auf eine Verfassung für die Übergangszeit geeinigt, die auch die Machtverteilung regeln soll. Wie sieht die Übereinkunft aus?

Es gibt drei zentrale Ergebnisse: Erstens, der Wechsel vom präsidentiellen zum parlamentarischen Regierungssystem, wobei in der Übergangszeit 67 Prozent der Sitze im Parlament durch die zivilgesellschaftliche Opposition besetzt werden. Damit rücken die Interessen der Bürgerinnen und Bürger des Sudans in den Mittelpunkt des politischen Handelns. Das ist wichtig, da die sudanesische Revolution immer auch ein Aufstand für mehr soziale Gerechtigkeit war. Zweitens, die Bindung der staatlichen Gewalt an das Recht. Eine unabhängige Justiz soll zukünftig das staatliche Handeln überwachen und die weitverbreitete Korruption bekämpfen. Damit wird ein wichtiger Grundstein für das dringend nötige Wirtschaftswachstum gelegt. Drittens, durch die Einbindung der bewaffneten Opposition in die Übergangszeit besteht die Chance, jahrzehntelange Konflikte zu beenden. Das ist wichtig, damit alle Teile des Landes – auch Darfur - die Chance haben, sich wirtschaftlich und sozial zu entwickeln.

Ist damit ein friedlicher Übergang zu einem demokratischen Sudan eingeleitet?

Ein friedlicher Übergang ist damit eingeleitet. Entscheidend für den Erfolg wird aber sein, dass sich das Leben der sudanesischen Bevölkerung verbessert. Derzeit sind im Sudan über sieben Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Selbst in Khartum können immer weniger Menschen von ihrer Arbeit leben. Die Kaufkraft der staatlichen Angestellten ist um zwei Drittel seit letztem Jahr gesunken. Verbessern sich die Lebensumstände nicht, dann wird es auch keinen friedlichen Übergang geben. Der Sudan wird dann extrem fragil bleiben. Die internationale Gemeinschaft ist nun gefragt, durch finanzielle und technische Zusammenarbeit den Aufbau des Sudans zu unterstützen.

Laut Abkommen wird die Übergangsregierung nach 3 Jahren und 3 Monaten Wahlen im Sudan organisieren. Warum nimmt man sich dafür so viel Zeit?

3 Jahre und 3 Monate sind ein Kompromiss. Die Opposition wollte eine Übergangszeit von 4 Jahren, die Militärführung eine Übergangszeit von 2 Jahren. Wann Wahlen stattfinden sollen, ist immer das Ergebnis einer Abwägung von Legitimität und Stabilität. Wie lange wird eine Regierung aus Technokraten, ernannt am Verhandlungstisch, von der Bevölkerung als legitim angesehen? Wie lange braucht eine solche Regierung für die Durchführung grundliegender Reformen? Wann verbessern diese Reformen das Leben der Menschen? Ich denke, hier wurde sorgfältig abgewogen. 3 Jahre und 3 Monate sind nicht zu kurz. 

Laut Berichten gab es erbitterte Diskussionen über die Rolle der Miliz Rapid Support Force (RSF), die von der Opposition für das Massaker am 3. Juni verantwortlich gemacht wird. Welche Lösung hat man hier gefunden?

Die RSF werden in das Militär integriert. Ein unabhängiges Komitee soll das Massaker vom 3. Juni untersuchen. Der Anführer der RSF, General Mohammed Hamdan Daglu, kurz Hemedti genannt, bleibt aber der neue starke Mann im Sudan. Er hat die Verfassung der Übergangszeit im Namen der Militärführung unterschrieben. Er kontrolliert die wichtigsten Goldminen im Sudan. Seine RSF kämpfen im Jemen und Libyen, was ihn zu einem regionalen Akteur macht. Die Emirate und Saudi Arabien gelten als seine Unterstützer. Welche Rolle Hemedti zukünftig spielen wird, das ist völlig offen. Er wird aber eine wichtige Rolle spielen.  

Die Afrikanische Union (AU) und Äthiopien vermittelten zwischen Militär und Opposition. Ist das ein Zukunftsmodell zur innerafrikanischen Konfliktlösung?

Die Afrikanische Union hat sicherlich mit diesem Ergebnis an Reputation gewonnen. Die Entscheidung, die Mitgliedschaft des Sudans nach dem Massaker am 3. Juni zu suspendieren, war mutig und nicht einfach für die AU. Der Druck einzelner Mitgliedstaaten, den Sudan nicht zu suspendieren, war groß. Im Ergebnis wird man der AU deshalb zukünftig stärker vertrauen bei der Lösung innerafrikanischer Konflikte. Sudan ist aber auch Teil der Roten-Meer-Region. Akteure wie Saudi Arabien und die Emirate spielen in dieser Region eine wichtige Rolle. Die Internationale Gemeinschaft muss daher die Bemühungen der AU zum Sudan weiterhin unterstützen und auch eigene politische Interessen definieren.