Am 25. Januar wird in Griechenland gewählt. SYRIZA geht mit Forderungen nach einem Ende des Sparkurses, einem Schuldenschnitt und einem umfassenden Sozialprogramm als Favorit in die Wahl. Welche Bedeutung hätte ein Sieg der SYRIZA?

Für Griechenland hätte das historische Bedeutung, weil erstmals eine Partei der kommunistischen Linken an der Macht wäre. Zudem würde erstmals seit der Diktatur eine andere Partei an die Macht kommen, als die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische PASOK. Das wäre für einen Bruch mit vielen klientelistischen Praktiken sicherlich hilfreich. Was die Forderungen der Partei betrifft, so muss man jedoch ein wenig Wasser in den Wein gießen. Denn SYRIZA fordert zwar einen Schuldenschnitt, das hat die aktuelle Regierung bis vor kurzem aber auch getan.

Griechenland unter einer SYRIZA-Regierung könnte daher zu einer demokratischen Gretchenfrage für die EU werden.

Die Partei ist sicherlich nicht monolithisch, aber erst am Wochenende betonte der Parteichef, dass jegliche Diskussion der Schulden innerhalb des europäischen Rahmens stattfinden muss. Das ist schon deutlich weniger radikal, als das, was überall publiziert wird. Und das „Ende des Sparkurses“ ist ebenfalls eine dehnbare Formulierung. SYRIZA wendet sich vor allem gegen die Austeritätspolitik, betont jedoch gleichzeitig, dass ein ausgeglichener Haushalt das Ziel bleibt.

Und doch spekuliert das politische Berlin in diesem Zusammenhang mehr oder weniger offen über den „Grexit“. Wie wirkt das auf die Wählerinnen und Wähler?

Die Äußerungen aus Berlin und Brüssel und nicht zuletzt aus München werden in Athen sehr wohl wahrgenommen. Sie sind Wasser auf die Mühlen der Regierung. Denn die Wahlkampagne der Konservativen fußt darauf, Angst und Schrecken vor einer Regierung von SYRIZA zu verbreiten. Und wir sehen momentan, dass dies wirkt. Denn der Vorsprung von SYRIZA schmilzt und liegt aktuell bei etwa 3 Prozent. Vor vier Wochen lag er noch bei sieben Prozent. Ich glaube aber nicht, dass das so wirkt wie im Jahr 2012, als wir eine „Wahl der Furcht“ in Griechenland erlebten.

Die Wählerinnen und Wähler sind der Schreckensszenarien müde und von der Regierung frustriert. Nach drei Jahren Sparpolitik, massiver Schrumpfung der Wirtschaft und einer Arbeitslosigkeit von 26 Prozent ist die Bereitschaft hoch, es mal mit einer Variante zu versuchen, die zwar riskanter wirkt, dafür jedoch Hoffnung verspricht. Und Hoffnung war in den letzten Jahren in Griechenland ein rares Gut.

Die Griechen haben genug von marktkonformer Demokratie?

Diese Wahrnehmung taucht zunehmend in der Debatte auf. Denn wenn ich an der Wahlurne nur darüber entscheiden darf, wer die aktuelle Wirtschaftspolitik durchführt, meine Wahl aber keine Auswirkungen darauf hat, wie diese gestaltet wird, dann verliert meine Stimme sehr viel von ihrer Bedeutung. Griechenland unter einer SYRIZA-Regierung könnte daher zu einer demokratischen Gretchenfrage für die EU werden: Denn wenn sich abzeichnet, dass Europa und der IWF den gestalterischen Korridor für eine europafreundliche, aber austeritätskritische Regierung so eng gestalten, dass sie faktisch scheitern muss, dann wird dies den Antieuropäern in der EU Auftrieb geben. Es ist sicherlich kein Zufall, dass eine der ersten Stimmen aus dem Ausland, die die Wahlen in Griechenland begrüßte, Marine le Pen war.

Die Abspaltung ist so neu, dass wir nicht einmal wissen, ob wir sie Kidiso oder Kinima nennen sollen.

Mein Plädoyer wäre daher, dass Europa sich auf das Ziel des Rettungsprogramms konzentrieren muss. Es sollte Griechenland in die Lage versetzen, die Schulden abzutragen und dazu die griechische Wirtschaft ankurbeln. Wenn der bisherige Kurs dies nicht vermag, und daran bestehen legitime Zweifel, dann muss umgesteuert werden. Dazu gehört dann auch die ehrliche Frage, ob ein Schuldenschnitt nicht im beiderseitigen Interesse ist. Also keine Geschenke, aber auch nicht in alttestamentarischer Manier darauf bestehen, dass jetzt erst einmal sieben magere Jahre folgen müssen.

Die sozialistische PASOK hat 2012 nur etwas mehr als zwölf Prozent der Stimmen erhalten. Nun hat Giorgos Papandreou die neue Bewegung Kidiso gegründet. Was bedeutet diese neue Spaltung?

Die Spaltung bedeutet den Tiefpunkt der PASOK. Die Partei hat 2009 die Wahlen mit überwältigenden 44 Prozent gewonnen und ist seither in sich zusammengebrochen. Sie wird – sicherlich unverhältnismäßig stark – für die Krise verantwortlich gemacht und hat dies bitter bezahlt. Momentan sieht es so aus, als könnte die Partei die Drei-Prozenthürde gerade noch so überspringen. Denn viele der Wähler von 2012 – und hier muss man wirklich die männliche Form verwenden – sind ältere Herren, die PASOK und Papandreou gleichermaßen nostalgisch verbunden sind.

Die Abspaltung ist so neu, dass wir nicht einmal wissen, ob wir sie Kidiso oder Kinima nennen sollen. Und sie teilt die knappe verbliebene Wählerschaft der PASOK noch einmal. Das ist umso tragischer, weil wir aus vergangenen Wahlen wissen, dass das Potential für eine Mitte-Links-Partei in Griechenland bei sicherlich 15 bis 20 Prozent liegt. Dazu bedarf es aber einer Einheit der Akteure und einer gemeinsamen Plattform. Davon sind wir aktuell noch weit weg.