Die Fragen stellte Catalina Niño.
In diesen Tagen findet in Wien die Konferenz der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) statt. Zum ersten Mal nimmt der Hohe Kommissar für Menschenrechte, dessen Büro sich in Genf bei den Vereinten Nationen befindet, daran teil. Normalerweise agieren Genf und Wien getrennt voneinander und haben wenig Kontakt. Die Teilnahme von Volker Türk ist daher etwas Außergewöhnliches. Welche Auswirkungen hat seine Anwesenheit und sein Beitrag auf die diesjährige 67. Tagung der Commission on Narcotic Drugs (CDN67)?
Volker Türks Teilnahme ist das Ergebnis langwieriger Bemühungen und eines schwierigen Prozesses einiger Länder sowie der Zivilgesellschaft, den Menschenrechtsansatz explizit in das internationale Drogenkontrollsystem einzubeziehen. Seine Teilnahme hat auch eine symbolische Bedeutung. Als legitime Stimme der Vereinten Nationen hat er in diesem Gremium endlich die negativen Auswirkungen der aktuellen Drogenpolitik auf die Menschenrechte aufgezeigt.
Ist dies ein Wendepunkt im internationalen Drogenkontrollsystem?
Die Unterstützung des Hohen Kommissars, seine Warnung, dass die aktuelle weltweite Drogenpolitik den Schutz der Menschenrechte nicht gewährleistet, stellt sicherlich einen bedeutsamen Meilenstein im System dar. Leider ist dies noch kein vollständiger Wendepunkt. Hier in Wien ist offensichtlich, dass die Spannungen und Unterschiede innerhalb der Staatengemeinschaft enorm sind. Ich sehe noch keine Anzeichen dafür, dass sie sich bemüht – oder gar dass die Vereinten Nationen effektive Maßnahmen ergreifen würden –, damit die notwendigen Reformen angegangen werden könnten: hin zu mehr öffentlicher Gesundheitsfürsorge und weg von der Repression. Diese Forderungen kommen nicht nur vom Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte, sondern auch von Agenturen des UN-Systems wie UN Women oder UNDP, ebenso von zivilgesellschaftlichen Gruppen und nun auch von immer mehr Ländern.
Welche Auswirkungen wird die diesjährige CND auf die Zukunft haben? Wird es Änderungen im System geben oder werden die einzelnen Länder weiterhin die Abkommen einfach nach ihren nationalen Bedürfnissen und Interessen interpretieren?
Ich sehe vorerst keine Veränderungen im System. Die aktuellen Regeln sind verkrustet und die CND verfügt leider über keine Mechanismen, die Reformen oder Maßnahmen ermöglichen, die den spezifischen Bedürfnissen der Länder angepasst sind. Die Entscheidungsprozesse sind langwierig und erfordern immer einen Konsens – was ebenfalls einen restriktiven Ansatz darstellt. Das Einzige, was Länder tun können, die mit den Beschlüssen nicht einverstanden sind, ist, sich für das Stillschweigen zu entscheiden und irgendwie mit dem Status quo voranzukommen.
Es wird weiterhin sehr schwer sein, die Länder aus alten Denkmustern herauszuholen.
Es wird weiterhin sehr schwer sein, die Länder aus alten Denkmustern herauszuholen. Viele Regierungen und Länder erkennen zwar, dass die aktuelle Drogenpolitik nicht funktioniert, scheuen jedoch die politischen Risiken, die mit möglichen Veränderungen verbunden wären. Durch diese Stillhaltetaktik verhindern sie die Entwicklung einer neuen, starken Bewegung innerhalb der CND. Aktuell versucht jedes Land, die Abkommen an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, jedoch ist der Spielraum dafür begrenzt. Es bestehen weiterhin starke Beschränkungen, die es erschweren, nationale Drogenpolitiken aus anderen Blickwinkeln anzugehen. Leider haben einzelne Länder nicht viele Möglichkeiten, Innovationen im Bereich der Drogenpolitik auf nationaler Ebene zu testen.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser war in den letzten Wochen in Lateinamerika, um die Zusammenarbeit beim Kampf gegen Drogen und organisiertes Verbrechen zu fördern. Gibt es eine Verbindung zwischen dieser deutschen Haltung – der Forderung nach Aufrüstung der Häfen – und den aktuellen Diskussionen im System der Vereinten Nationen über Drogen?
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland wie andere europäische Länder mit den Auswirkungen des zunehmenden Kokainhandels zu kämpfen hat, verstehe ich, dass hier Maßnahmen ergriffen werden sollen. Ich erkenne auch an, dass es notwendig ist, Maßnahmen zur Unterbindung des illegalen Drogenhandels zu ergreifen, insbesondere die Unterbrechung oder Verhinderung von Drogentransporten, um den Handel und seine Folgen zu reduzieren. Dies scheint der einzige Weg zu sein, um den Handel und seine Auswirkungen einzudämmen.
Es ist jedoch beunruhigend zu sehen, dass die Entscheidungsträger bisher nicht erkannt haben, dass sie seit über 50 Jahren dasselbe tun – und dies erfolglos! Die meisten Politikerinnen und Politiker scheinen weiterhin darauf zu bestehen, diesen Ansatz zu verfolgen, obwohl er keine Lösung bietet. Auch auf der Commission on Narcotic Drugs wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass eine verstärkte Bekämpfung des Drogenhandels zu seiner Reduzierung oder sogar Eliminierung führen wird. Dies ist aber nicht so, im Gegenteil. Und dennoch entscheiden sich die Realpolitiker dafür, die vermeintlich abschreckenden Maßnahmen weiter und weiter zu verstärken, denn alles andere steht ja gar nicht in ihrer Macht. Es ist dennoch schwer zu verstehen, warum die politischen Entscheidungsträger nicht bereit sind, wenigstens eine Diskussion darüber zu führen, wie man dem Drogenhandel nachhaltig die Macht entziehen könnte. Dafür gibt es bereits Ideen und Modelle zur Regulierung von Drogen.
Die Wiener Abkommen halten jedoch am Status quo fest.
Die Wiener Abkommen halten jedoch am Status quo fest und entmutigen Länder und alle anderen regionalen Zusammenschlüsse, sich darauf nicht einzulassen oder auch nur anders zu denken. Ohne eine starke und kollektive politische Führung – auch wenn es erst einmal nur eine kleine Gruppe von Ländern wäre – wird das aktuelle Drogenkontrollsystem daher keine Veränderungen erfahren.
Wer könnte diese Ländergruppe denn anführen?
Derzeit scheint Kolumbien genau in diese Richtung voranzugehen: Als größter Kokainexporteur ist es gelungen, mehr als 60 Länder dazu zu bringen, einer Erklärung zuzustimmen, die die großen Einschränkungen der aktuellen Politiken anerkennt und die Notwendigkeit aufzeigt, die Würde und die Rechte der Menschen in den Mittelpunkt der Drogenpolitik zu stellen. Noch ist es jedoch schwer abzusehen, wie sich die Situation entwickeln wird. Es müssen dabei auch die verschiedenen geopolitischen Faktoren berücksichtigt werden, ebenso wie die enormen Kosten, die mit der Förderung dieser Änderungen im internationalen Drogenkontrollsystem für Länder und Regierungen verbunden wären, sowohl auf multilateraler als auch auf nationaler Ebene. Es bleibt daher spannend, wie sich das alles noch entwickeln wird.