Erklärtes Ziel der aktuellen arabischen Intervention im Jemen ist es, dem Vormarsch der Huthi-Rebellen Einhalt zu gebieten. Um was geht es den Huthis?

Der Vormarsch der Huthi-Rebellen fand in der nordwestlichen und zu Saudi-Arabien angrenzenden Provinz Saadah, der Heimatregion der Huthis, seinen Anfang. Ursprünglich ging es um eine lokal begrenzte Protestbewegung. Das hauptsächliche Anliegen der Huthis bestand darin, die sozioökonomische Marginalisierung ihrer Heimatprovinz zu beenden und ihre religiös geprägte Identität zu bewahren. Die Huthis zählen zu den Zaiditen. Dies ist eine Strömung innerhalb des schiitischen Islam, die in ihrer Religionspraxis jedoch der sunnitischen Konfession näher steht. Von 2004 bis 2010 bekämpfte der damalige Präsident Ali Abdallah Saleh die Huthis in sechs aufeinanderfolgenden Kriegen. Saleh ist selber Zaidit, sah aber in ihrem charismatischen Anführer Hussein Badr ad-Din al-Huthi einen potentiellen Konkurrenten. Trotz großer Verluste gingen die Huthis aus diesen Kriegen als äußerst kampferprobte Miliz hervor. Insbesondere seit 2013 trieben sie die territoriale Expansion über die Grenzen Saadahs hinaus voran. Im Herbst 2014 schließlich nahmen sie die Hauptstadt Sana’a ein.

Mittlerweile ist das Land gespalten. De facto gibt es sogar zwei Regierungen…

Richtig. Der jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi sowie die seit Herbst 2014 eingesetzte Regierung sind im Januar eigentlich zurückgetreten.Damit protestierten sie gegen die Einnahme der Hauptstadt Sana’a durch die Huthis im Herbst letzten Jahres und gegen die zunehmende Druckausübung seitens der Huthis auf die Regierung. Daraufhin stellten die Huthi-Rebellen Hadi sowie verschiedene Regierungsmitglieder unter Hausarrest. Mitte Februar floh dann Präsident Hadi nach Aden, in die ehemalige Hauptstadt des Südjemen. Dort hat er seinen Rücktritt revidiert und Aden zur vorübergehenden Hauptstadt des Jemen erklärt. Gleichzeitig errichteten die Huthis in Sana’a alternative Regierungsstrukturen, mit dem Ergebnis, dass der Jemen plötzlich zwei Hauptstädte mit getrennt voneinander agierenden Institutionen hatte. Beide rivalisieren um Legitimität.

Zur selben Zeit trieb der militärische Flügel der Huthi-Rebellen die territoriale Expansion in Richtung Süden und in Richtung Aden voran. Präsident Hadi sah sich zunehmend in die Enge getrieben und forderte schließlich Unterstützung der Mitglieder des Golfkooperationsrats ein. Inzwischen dauern die Luftschläge mehr als  eine Woche an und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die arabische Intervention wird mit der Einmischung des Iran in die inneren Angelegenheiten des Jemen begründet. Inwiefern ist der Vorwurf berechtigt?

Die These eines Stellvertreterkrieges zwischen Saudi-Arabien und dem Iran greift zu kurz. Angesichts des Atomdeals zwischen dem Iran und dem Westen erscheint die militärische Intervention unter Führung Saudi-Arabiens als nervöse Reaktion eines regionalen Akteurs, der um sein Gewicht in der Region fürchtet. Dieser Erklärungsansatz wird jedoch der komplexen Situation im Jemen nicht gerecht.

Es wäre stark vereinfacht, den Konflikt als Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu deklarieren. Weder streben die Huthis die Errichtung eines Gottesstaates an, noch thematisieren sie theologische Streitfragen.

Es ist richtig, dass der Iran die Huthis bislang unterstützt hat. Form und Umfang sind jedoch nicht klar nachweisbar. Die Unterstützung wird sich jedoch in überschaubarem Maße gehalten haben, da die Huthis für den Iran außenpolitisch bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürften. Ali Reza Zakani, Abgeordneter im iranischen Parlament und enger Berater des politischen und geistlichen Führers Ali Khamenei, ließ als Reaktion auf die Einnahme der Hauptstadt im Herbst durch die Huthis verlauten, dass sich mit Sana’a nun die vierte arabische Hauptstadt auf den Pfad der iranischen Revolution eingegliedert hätte. Dennoch hat diese bis dato beispiellose Machtdemonstration der Huthis wenig mit großangelegter iranischer Unterstützung zu tun. Es geht vielmehr um lokale jemenitische Machtpolitik.

Ist der Konflikt aber im Kern nicht doch ein Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten?

Es wäre stark vereinfacht, den Konflikt im Jemen als einen Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu deklarieren. Weder streben die Huthis die Errichtung eines Gottesstaates an, noch thematisieren sie theologische Streitfragen. Die Bewegung der Huthis gründet sich auf dem Ziel, ihre schiitisch-zaiditische Identität zu bewahren, sodass der Konflikt durchaus eine konfessionelle Facette hat. Bislang ist sie jedoch nicht konfliktbestimmend. Die derzeitige Gemengelage hat jedoch das Potenzial, sich zu einem Konfessionskrieg mit regionalen Sponsoren auszuweiten: Der Jemen ist Heimat eines besonders radikalen Ablegers von al-Qaida, der die Huthis als Häretiker betrachtet. Die Militäroffensive hat diese konfessionelle Dimension bereits verstärkt und birgt die akute Gefahr, dass sich das Einordnen des jemenitischen Konflikts in konfessionelle Parameter früher oder später in eine selbsterfüllende Prophezeiung wandelt.

Im Kern geht es um eine lokale Auseinandersetzung um Macht und den Zugang zu Ressourcen. Der rapide Zerfall staatlicher Durchsetzungsfähigkeit, gepaart mit derUnfähigkeit Präsident Hadis, seit 2012 seine Macht und Legitimität zu konsolidieren, boten den Huthis ideale Angriffspunkte, um mit ihren Forderungen nach Korruptionsbekämpfung und mehr Transparenz ihre Anhängerschaft auch über ihre Kernklientel hinaus auszuweiten.

Das Potenzial der Huthis, Präsident Hadi und seiner Regierung etwas entgegenzusetzen, erkannte schließlich auch Ali Abdallah Saleh, der ehemalige Präsident Jemens. Er hatte im November 2011 die Macht an seinen bisherigen Vizepräsidenten Abed Rabbo Mansour Hadi abgeben müssen. Seitdem sinnt er auf Rache. So waren es Saleh-loyale tribale und militärische Einheiten, die den Huthis auf ihrem Weg nach Sana’a und darüber hinaus entsprechende Unterstützung zukommen ließen.

Können die Luftschläge den Konflikt lösen?

Ähnlich wie in Syrien bahnt sich im Jemen ein konfessionell aufgeladener Konflikt an, der monate-, vielleicht sogar jahrelang andauern könnte. Will man dies verhindern, muss das militärische Vorgehen so schnell wie möglich beendet werden. Die Huthis werden ihre Machtposition nicht durch die Luftschläge aufgeben. Die arabische Koalition zerstört im Rahmen ihrer Luftangriffe vor allem auch Infrastruktur des jemenitischen Militärs, das somit bis auf absehbare Zeit nicht mehr in der Lage sein wird, al-Qaida zu bekämpfen. Statt zur Stabilität des Jemen beizutragen, befördern die Luftschläge daher eher die Ausbreitung und Erstarkung al-Qaidas und weitere Instabilität im Land und in der Region. Es gibt keine Alternative zu einer politischen Lösung auf dem Verhandlungswege. Oman, das als einziges Mitglied des Golfkooperationsrats nicht an den Militärschlägen teilnimmt und zu allen Konfliktparteien gute Beziehungen unterhält, würde sich als Vermittler anbieten. Darüber hinaus wird Deutschland im Jemen als zuverlässiger Partner geschätzt und unterhält gute Beziehungen zu den Huthis. Diese sollten genutzt werden, um die Huthis in Richtung Verhandlungstisch zu bewegen.