Die Fragen stellte Alexander Isele.

US-Präsident Joe Biden hat mit den Worten „den Job zu Ende bringen“ zu wollen seine erneute Kandidatur angekündigt. Was ist es, das Biden noch als unfertig erachtet, dass er als 80-Jähriger und schon jetzt ältester Präsident der Geschichte der USA erneut seinen Hut in den Ring wirft?

Am 25. April erklärte Präsident Joe Biden seine erneute Kandidatur mit einem Video. In diesem erklärt er, warum er noch einmal antreten wird. Er beschreibt den Wahlkampf, wie schon 2020, als einen „Kampf um die Seele der Nation“. Was für ein Land wollen die USA in Zukunft sein? Er appelliert direkt und auch symbolisch an den Patriotismus der Amerikaner, so wie es auch die erfolgreichen Gouverneure Josh Shapiro und Wes Moore bei ihren Wahlkämpfen in Pennsylvania und Maryland im vergangenen Herbst getan haben. Biden spricht das Freiheitsempfinden der Mehrheit an. Den Extremismus der Republikaner, genauer gesagt der „Make America Great Again“-Republikaner, greift Joe Biden hingegen scharf an. Damit richtet er sich nicht nur gegen Donald Trump, sondern auch gegen andere mögliche Kandidaten und Kandidatinnen wie Ron DeSantis und Nikki Haley. Joe Biden erinnert an den gewaltsamen Umsturzversuch von Trump und seinen Parteigängern am 6. Januar 2021, der den meisten Amerikanern noch als Schock in den Knochen sitzt. Zudem warnt er davor, dass die Republikaner den Bürgerinnen und Bürgern der USA die Freiheit und die Chancen nehmen werden, sollten sie wieder das Ruder übernehmen.

In Umfragen sind zwar neun von zehn Demokraten mit der Arbeit von Biden zufrieden, aber bei den unter 30-Jährigen sowie bei der wahlentscheidenden Gruppe von Unentschlossenen sind es nur circa 35 Prozent. Trotzdem wird Biden aus der Partei nicht herausgefordert. Warum?

Die Amtsinhaber werden traditionell von ihrer Partei unterstützt. In den Fällen, wo das nicht geschehen ist, hatte es negative Folgen für die Kandidaten. Als Jimmy Carter im Wahlkampf von Ted Kennedy herausgefordert wurde, verlor er die Präsidentschaft gegen Ronald Reagan. Diese Erfahrung haben die Demokraten nicht vergessen. Die Führung der demokratischen Partei steht geschlossen hinter Präsident Joe Biden, da sie glaubt, mit ihm die größten Chancen zu haben, die Präsidentschaft 2024 wiederzugewinnen. Die Demokraten wollen die Ungewissheit einer offenen Auseinandersetzung in den Vorwahlen vermeiden. Sie fürchten in den Vorwahlen zu weit nach links gerückt zu werden. Die Demokraten wissen, dass sie die Mitte der Gesellschaft gewinnen müssen, wenn sie politisch erfolgreich sein wollen. Joe Biden ist kein Kandidat, der begeistert, aber Freund und Feind kennen ihn. Er ist authentisch, und es ist schwer, ihn anders darzustellen, als er wirklich ist. Er bringt ein wohltuendes Gefühl von Sicherheit, Erfahrung und Augenmaß in die Politik. Seine große Schwachstelle ist sein fortgeschrittenes Alter. Offensichtlich machen sich die Demokraten Sorgen um die Gesundheit ihres ersten Mannes. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist diese stabil.

Joe Biden sieht sich selbst als den einzigen Kandidaten, der Donald Trump schlagen kann.

Joe Biden selbst sieht sich durch den Zuspruch seiner Partei, die Erfolge seiner Präsidentschaft und den relativen Erfolg bei den Zwischenwahlen im Herbst des vergangenen Jahres gestärkt. Er sieht sich selbst als den einzigen Kandidaten, der Donald Trump schlagen kann.

Was ist aber, wenn Ron DeSantis, der deutlich jüngere und agilere Gouverneur aus Florida, doch noch an Trump vorbeizieht und Kandidat der Republikaner wird? Wären die Demokraten darauf vorbereitet?

Die Demokraten sind sehr gut auf den Wahlkampf 2024 vorbereitet. Die Präsidentschaft entscheidet sich in sechs Bundesstaaten: Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, North Carolina, Arizona und Georgia. Wenn man sich die Wahlergebnisse von 2020 und 2022 in diesen Staaten anschaut, dann sind die Demokraten sehr gut aufgestellt. Sie stellen dort etwa die Gouverneure oder Senatoren und verfügen zum Teil auch über Mehrheiten in den Landesparlamenten – in manchen Staaten sogar in allen drei Institutionen. Den Republikanern wird es sehr schwerfallen, in diesen Staaten erfolgreich zu sein, und sie müssten tatsächlich in allen sechs politische Erfolge erzielen, um die Präsidentschaft zu gewinnen.

Die republikanische Partei wird von der sozialkonservativen und rechtspopulistischen Basis getrieben.

Die republikanische Partei wird von der sozialkonservativen und rechtspopulistischen Basis getrieben. Sie wird zurzeit nicht politisch geführt, sondern verhält sich opportunistisch zu den Stimmungen am rechten Rand der Gesellschaft. Das hat zum einen große Auswirkung auf die Kandidatenauswahl, aber auch auf die Fähigkeit der Republikaner, unabhängige Wähler und Wählerinnen für sich zu gewinnen.

Ron DeSantis unterscheidet politisch wenig von Donald Trump. Gerade hat er im Bundesstaat Florida, in dem er derzeit als Gouverneur regiert, ein sehr restriktives Abtreibungsverbot eingeführt. An Schulen führt er eine Art Kulturkampf, mit großen Unternehmen wie Disney liegt er im Rechtsstreit. All das macht ihn für gemäßigte Wählerinnen und Wähler sehr unattraktiv. Generell schadet den Republikanern vor allem ihre restriktive Haltung beim Thema Abtreibung. Die Mehrheit wünscht einen pragmatischen und menschlichen Umgang mit den damit verbundenen Fragen.

Noch im Wahlkampf 2020 hatte Biden gesagt, er sehe sich als Brücke und so einen Rückzug nach einer Wahlperiode angedeutet. Die Erneuerung verschleppt er nun aber. Wie will er die Jugend, die Schwarzen und Latinos erreichen, deren Leben sich unter ihm zwar nicht verschlechtert, aber auch nicht wirklich verbessert haben?

Das letzte Amtsjahr von Donald Trump war ein gesellschaftspolitischer Alptraum. Im Jahr 2020 erlebten die USA mehrere Krisen gleichzeitig und der Präsident schien diese nicht ernst zu nehmen. Gerade der afroamerikanische Teil der US-Gesellschaft war stark betroffen. Sollte Donald Trump auf dem Wahlzettel stehen, wird dies extrem mobilisierend für die Demokraten sein. Insgesamt war die Biden-Präsidentschaft von progressiver Politik mit Augenmaß geprägt.

Joe Biden hat nie ernsthaft vorgehabt, die Präsidentschaft aufzugeben. Er will das Land modernisieren und zukunftsfähig machen. Sein Umfeld hat versucht, seine Politik als eine Art New Deal darzustellen. Das ist sie sicher nicht, aber die Biden-Administration hat sich als krisenfest bewiesen. Sie hat das Land aus der COVID-19 Krise herausgeführt, eine internationale Koalition gegen Putins Angriffskrieg in der Ukraine zusammengeführt und diese bis heute erfolgreich geführt und so den Zusammenbruch der Ukraine verhindert. Die Biden-Administration konnte zwar die Inflation nicht aufhalten, aber es ist ihr bisher gelungen, die US-Wirtschaft zu stabilisieren. Sie schaffte viele neue und gute Arbeitsplätze, brachte lang verschleppte Investitionsprogramme auf den Weg und ist endlich auch den Kampf gegen den Klimawandel angegangen. In der COVID-Krise gab es, zum Beispiel, Hilfe für viele, um zumindest wieder auf die Beine zu kommen und nicht unterzugehen.

Viele von Bidens progressiven Versprechen sind noch nicht erfüllt worden.

Die Politik der Biden-Administration richtet sich ganz gezielt auf die Regionen, die wichtig sein werden, um die Präsidentschaft 2024 zu gewinnen und sie versucht dort, mit Investitionen eine erfolgreiche Transformation der Strukturen mit guten Jobs voranzubringen. Mit dem teilweisen Erlass von Studienschulden wollte sie gezielt jüngere Wähler und Wählerinnen ansprechen. Biden brachte sehr viele afroamerikanische Frauen in wichtige und hohe Ämter – auch das sind wichtige gesellschaftspolitische Veränderungen.

Aber es ist auch richtig, dass viele seiner progressiven Versprechen noch nicht erfüllt worden sind, wie das Verbot von Schnellfeuergewehren, niedrigere Kosten für Medikamente und das Recht auf Abtreibung zu kodifizieren. Auch dafür tritt Joe Biden wieder an. Insgesamt geht es ihm darum, den Fliehkräften in der Gesellschaft habhaft zu werden und die breite Koalition, die seine Präsidentschaft trägt, zusammenzuhalten.