Die Fragen stellte Constantin Grund.

Die Russische Föderation verstärkt durch eine neue Marinebasis ihre Militärpräsenz am Roten Meer. Wie laut schallt die russische Nationalhymne künftig über dem Roten Meer?

Das müssen wir noch sehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Einrichtung einer russischen Marinebasis am Roten Meer schon seit mehreren Jahren im Grundsatz vereinbart war, allerdings wurde diese Vereinbarung bisher nicht umgesetzt. Kürzlich bestätigte der russische Vize-Außenminister laufende Gespräche, ließ aber durchblicken, dass das Abkommen noch nicht final sei. Neben Sudan verhandelt Russland auch mit Eritrea über eine Präsenz am Roten Meer. Dort scheinen die Gespräche schon sehr viel weiter fortgeschritten als mit Sudan.

Was beinhaltet das Abkommen konkret, und was steht möglicherweise auch nur zwischen den Zeilen?

Diskutiert wurde zunächst nur eine kleinere Basis für logistische Zwecke, die perspektivisch aber auch von der russischen Marine genutzt werden kann. Konkret sollen an dieser Basis bis zu 300 Soldaten stationiert werden und bis zu vier russische Militärschiffe andocken können. Dies war bereits seit längerem bekannt. Jetzt hat die sudanesische Seite als Gegenleistung für diese Basis neue Waffenlieferungen aus Russland ins Spiel gebracht, wenngleich dafür eine Bestätigung aus Moskau noch aussteht.

Die Ursprünge dieses Abkommens gehen ins Jahr 2017 zurück. Das Russland nahestehende sogenannte Afrikakorps hatte im Verlauf der aktuellen Auseinandersetzungen die Rapid Support Forces (RSF) unterstützt. Vollzieht Russland mit der neuen Kooperation jetzt einen Strategiewechsel im Sudan?

Auch vorher war schon deutlich geworden, dass Russland im Sudan ein doppeltes Spiel betreibt. Bereits vor rund einem Jahr waren führende Vertreter der sudanesischen De-facto-Regierung in Moskau und haben das Gespräch mit der russischen Führung gesucht. Der stellvertretende russische Außenminister war kürzlich in Port Sudan und hat sich dort sehr eindeutig auf die Seite der SAF, also der Armee, gestellt und mitgeteilt, dass Russland die aktuelle Regierung als die einzig legitime Regierung des Sudan anerkenne. Gegenstand der Gespräche war auch die Forderung der SAF nach einem Ende der Unterstützung des Afrikakorps für die RSF. Die russischen Vertreter haben dann die Existenz der ukrainischen Soldaten auf Seiten der SAF thematisiert. Bislang ist noch nicht klar, ob es tatsächlich zu einem Ende des Engagements des Afrikakorps im Sudan kommt.

Wenn es zu einer russischen Marinebasis käme, wäre dies dann ein Gamechanger für den innersudanesischen Konflikt? Kann man damit rechnen, dass die SAF mittelfristig die Oberhand gewinnt?

Damit würde ich nicht rechnen. Es wäre sicherlich ein Gamechanger, wenn das russische Militär selbst in den Konflikt eingreifen würde, so wie es das in Syrien seit dem Jahr 2015 getan hat. Danach sieht es momentan im Sudan nicht aus. Hier geht es vorrangig nur um die Lieferung von Waffen, von denen die Streitkräfte natürlich profitieren würden, aber am Ende braucht es nicht einfach nur bestimmte Waffentypen, sondern auch qualifiziertes Personal und taktische Fertigkeiten. An beidem mangelt es den Streitkräften bisher, um gegenüber den RSF wirklich Erfolge erzielen zu können. Von einem Gamechanger kann man daher bisher nicht sprechen.

Früher hieß es, Zentralasien sei das neue Great Game der internationalen Politik. Jetzt kann man den Eindruck gewinnen, am Roten Meer kulminierten die Interessen von sehr viel mehr Akteuren auf sehr engem Raum. Wie gefährlich wird das in Zukunft?

Ja, in der Tat. Auch über Sudan hinaus gibt es sehr viele Akteure, die sich gerade am Roten Meer konzentrieren. Die Angriffe der Houthis auf Handelsschiffe hatten Folgen, auch in militärischer Hinsicht, und führten zu einem stärkeren Engagement der US-Amerikaner und der Europäer. Es könnte noch weitere, anders gelagerte Auseinandersetzungen in der Region geben aufgrund der Bedeutung dieser geografischen Achse für den Handel zwischen Europa und Asien. Die direkten Anrainerstaaten wie Saudi-Arabien und Ägypten haben enorme Interessen, auf die andere Staaten wiederum reagieren müssen.

Sind deutsche außen- und sicherheitspolitische Interessen für die Region ausreichend definiert?

Deutschland hat am Roten Meer definierte Interessen. Dies zeigte sich deutlich an der zeitnahen Entsendung der Fregatte Hessen zum Schutz der maritimen Handelswege, die für Deutschland wichtig sind. Immerhin verfügt die Bundesmarine nur über drei solcher Schiffe. Eines davon für eine solche Mission abzustellen, und sei es nur zeitweise, ist definitiv ein commitment. Die Ergebnisse einer solchen Mission stehen immer auf einem anderen Blatt. Insgesamt bräuchte es sicherlich ein vertiefteres politisches Engagement in der Region mit einer stärkeren Schärfung unseres eigenen Interessenprofils.

Deutschland ist gerade stark mit Innenpolitik beschäftigt. Welche Bedeutung hat das für die Formulierung deutscher außen- und sicherheitspolitischer Interessen im Sudan und am Roten Meer?

Ich würde davon abraten, sich zu stark auf ein mögliches Abkommen für die Marinebasis zwischen Sudan und Russland zu konzentrieren. Der Krieg im Sudan ist an sich schon eine Bedrohung der internationalen Sicherheit und gleichermaßen eine humanitäre Katastrophe, die jeden Tag schlimmer wird. Dies ist die größte Vertreibungskrise der Welt und ich glaube, auch dort sind deutsche Interessen direkt betroffen. Deutschland hat ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer regelbasierten Weltordnung. Zu diesen Regeln gehört auch das humanitäre Völkerrecht, gehören grundlegende Menschenrechte sowie der Zugang zu humanitärer Hilfe für Bedürftige. All dies wird im Sudan derzeit mit Füßen getreten.