Sie haben jüngst eine Studie zur Wirkung von Terrorismus veröffentlicht und kommen zu dem Schluss, dass Terror im Großen und Ganzen nicht zum Erfolg führt. Wie sind Sie zu diesem Ergebnis gelangt?

Ich habe terroristische Rebellengruppen mit ansonsten ähnlichen Gruppen verglichen, die auf terroristische Aktionen verzichten. Die meisten Terrorismusstudien untersuchen ausschließlich terroristische Organisationen, nicht aber andere Gruppen, die auf den Einsatz terroristischer Mittel verzichtet haben. Sie können daher nur schwer feststellen, ob Terror wirkt. In meiner Studie verwende ich Informationen zu allen Rebellengruppen, die zwischen 1989 und 2004 an ausgemachten Bürgerkriegen beteiligt waren. Das waren insgesamt 104 Gruppen. Um ihren Erfolg zu messen, untersuche ich den Ausgang des Krieges, und zwar nicht die taktischen oder kurzfristigen Erfolge, sondern die Frage, ob die Gruppe ihre Ziele teilweise oder vollständig erreicht hat.

Das jeweilige Ergebnis betrachte ich auf einer Skala: Das für die Rebellen beste Ergebnis ist ein klarer Sieg, das zweitbeste eine Verhandlungslösung, die ihnen Zugeständnisse bringt. Das schlechteste Ergebnis aus ihrer Perspektive ist die Niederlage – also der Sieg der Regierung. Das zweitschlechteste ein Krieg, der im Sande verläuft, in dem sie zwar nicht vernichtend geschlagen werden, aber auch nicht sonderlich aktiv sind. In der Mitte dieser Skala befinden sich fortdauernde Kriege, in denen die Rebellenorganisation überlebt, aber keins der politischen Ziele, für die sie in den Kampf gezogen ist, erreicht hat. Mithilfe statistischer Instrumente habe ich eruiert, ob terroristische Rebellengruppen auf dieser Skala besser abschneiden als nichtterroristische Gruppen. Dabei habe ich eine Reihe weiterer Faktoren bereinigt, die Einfluss darauf haben könnten, ob eine Gruppe terroristische Mittel einsetzt und wie der Krieg ausgeht. Zum Beispiel, wie stark die Rebellenmiliz im Verhältnis ist, wie extrem ihre Ziele sind und so weiter.

Dabei habe ich festgestellt, dass terroristische Aktionen die Wahrscheinlichkeit eines klaren Rebellensieges erheblich senken. In keinem einzigen der untersuchten Fälle haben die terroristischen Rebellen gesiegt. Dasselbe gilt für eine Verhandlungslösung. Terroristische Rebellen haben also eine geringere Wahrscheinlichkeit, ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen.

Warum bedienen sich Terroristen dann dennoch dieser Taktik?

Gute Frage. Ironisch könnte ich antworten, dass sie meine Studie noch nicht gelesen haben. Da in der Literatur zum Terrorismus die Ansicht überwiegt, dass Terror wirkt, halten ihn Rebellen möglicherweise für effektiver als er ist. Eine ernsthafte Antwort wäre der Hinweis auf ein anderes Ergebnis meiner Studie: Bürgerkriege, in denen terroristische Mittel zum Einsatz kommen, dauern viel länger als andere. Terror sichert Rebellenorganisationen offenbar das Überleben.

Die Rebellengruppen stecken somit in der Zwickmühle, dass die terroristischen Aktionen, die sie am Leben halten, auf Kosten ihrer politischen Ziele gehen. Mitten in einem Krieg können organisatorische Zwänge schwerer wiegen als die ursprünglichen politischen Ziele der Gruppe.

In keinem einzigen der untersuchten Fälle haben die terroristischen Rebellen gesiegt.

Trotzdem ist es mir angesichts dieser Ineffektivität ein Rätsel, warum Rebellen Terror einsetzen. Derzeit erforsche ich, warum sich die einen Rebellengruppen terroristischer Mittel bedienen und andere nicht.

Welche Schlüsse würden Sie aus Ihrer Studie für den aktuellen Kampf gegen Boko Haram, den IS und andere ziehen?

Die wichtigste Lektion lautet, dass wir die Macht und die Siegchancen terroristischer Gruppen wie IS und Boko Haram nicht überschätzen sollten. Gruppen wie diese erzielen mit ihren terroristischen Anschlägen viel Aufmerksamkeit und verbreiten natürlich Angst und Schrecken, aber ihre Erfolge leiten sich nicht aus dem Terror ab. Die jüngsten militärischen Erfolge feierte der IS trotz, nicht wegen seinen terroristischen Aktivitäten. Die Erfolge der letzten Zeit hatten sie, weil sie nicht etwa Zivilisten, sondern ihre Gegner, also die Streitkräfte der Regierung und andere Milizen, mit konventionellen Mitteln angriffen. Politische Erfolge, die sich im Rückhalt in der Bevölkerung ausdrücken, hängen damit zusammen, dass die Menschen sie als Vertreter sunnitischer Interessen wahrnehmen. Doch auch diese Erfolge haben sie nicht wegen, sondern trotz wahlloser Angriffe auf Zivilisten erzielt.

Eine Gruppe sunnitischer Aufständischer, die auf terroristische Mittel verzichtet, würde, wie meine Studie zeigt, mit größerer Wahrscheinlichkeit den Sieg oder Verhandlungserfolge erzielen als eine terroristisch agierende Gruppe wie der IS. Ähnlich kann man im Fall Boko Haram argumentieren: Seine willkürlichen Angriffe sind beängstigend, aber nicht effektiv. Eine weitere Erkenntnis aus meiner Studie lautet jedoch, dass sich solche Kriege sehr wahrscheinlich lange hinziehen. Wir werden also diese Gruppen wohl lange nicht loswerden, sollten jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre wichtigsten politischen Ziele erreichen, nicht zu hoch ansetzen. Das heißt, wir sollten uns durch das Feindbild Terrorismus nicht dazu verleiten lassen, ihr militärisches Leistungsvermögen zu überschätzen.

Welche Reaktionen haben Sie bislang auf die zentralen Ergebnisse Ihrer Studie erhalten?

Ehe die Studie in der Zeitschrift International Organizationerschien, kam Feedback vor allem von anderen Forschern auf Konferenzen und Gastlesungen an Universitäten. Das waren zum einen Fragen dazu, warum Rebellengruppen Terror einsetzen, wenn er nicht wirksam ist, und zum anderen Vorschläge für eine Erweiterung der Studie. Nun, da der Aufsatz erschienen ist, wird er erfreulicherweise auch von Mainstream-Medien aufgegriffen.

Ich glaube, für viele sind die Ergebnisse nachvollziehbar, denn in einem Bürgerkrieg wird ja zum großen Teil darum „gekämpft“, Legitimität zu erlangen oder, wie man so schön sagt, »Herz und Verstand der Bevölkerung zu gewinnen«. Und dafür ist Terrorismus schlecht geeignet. Andere sind von den zentralen Ergebnissen meiner Studie überrascht, denn uns wird ja gebetsmühlenartig die Gefährlichkeit des Terrorismus vor Augen geführt, und daraus könnte man leicht schließen, dass er effektiv wäre. Doch wenn man terroristische Gruppen mit ähnlichen Gruppen vergleicht, die keine terroristischen Mittel einsetzen, wird deutlich, wie wirkungslos er in Wahrheit ist.