Gestern fanden in Mazedonien vorgezogene Parlamentswahlen sowie die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Ergebnis ist umstritten. Ist ein deratiger Erdrutschsieg der Regierungskoalition zu erwarten gewesen?
Der Sieg der national-konservativen VMRO DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit) und der größten ethnisch-albanischen Partei DUI (Demokratische Union für Integration) war keine Überraschung. Der Abstand jedoch, mit dem VMRO DPMNE gegenüber der SDSM (Sozialdemokratische Liga Mazedoniens) gewonnen hat, ist erstaunlich. Die National-Konservativen werden voraussichtlich eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen. Dennoch ist zu erwarten, dass sie weiterhin mit der DUI eine Koalition bilden werden.
Noch ist offen, welche Konsequenzen die Ablehnung des Wahlergebnisses durch die Opposition haben wird.
Am Wahltag hat es einige Unregelmäßigkeiten gegeben, die sich sicherlich auch in dem deutlichen Wahlergebnis widerspiegeln. SDSM erkennt den Wahlvorgang nicht an und wirft VMRO DPMNE Bestechung, Stimmenkauf, Einschüchterung sowie den Missbrauch von Staatsressourcen und der Medien vor. Noch ist offen, welche Konsequenzen die Ablehnung des Wahlergebnisses haben wird. Die Sozialdemokraten fordern eine Übergangsregierung für die Organisation von Neuwahlen.
Mazedonien steckt in der Krise. Das Wirtschaftswachstum ist gering, die Arbeitslosigkeit liegt bei circa 30 Prozent. Womit hatten die oppositionellen Sozialdemokraten zu kämpfen?
Die Gründe für die deutliche Niederlage der SDSM sind zahlreich. Zunächst fanden die Wahlen nicht unter fairen Rahmenbedingungen statt. Dabei fallen die Unregelmäßigkeiten am Wahltag zwar durchaus ins Gewicht. Entscheidender aber ist etwas anders: Es ist der Regierung gelungen, ein System zu etablieren, das auf umfassender Meinungslenkung, populistischer Versorgung und der Schaffung einer rückwärtsgewandten nationalen Identität beruht. Die enge Verschränkung von Regierungsparteien und Staatsapparat führt dazu, dass Parteienpräferenzen über die individuelle Existenzgrundlage vieler Menschen entscheidet. In den Medien wird der Opposition kaum Raum gelassen, sich einer Debatte zu stellen. Faire Startbedingungen für den politischen Wettbewerb sind dies nicht.
Es ist der Regierung gelungen, ein System zu etablieren, das auf umfassender Meinungslenkung, populistischer Versorgung und der Schaffung einer rückwärtsgewandten nationalen Identität beruht.
Doch neben diesen Rahmenbedingungen leidet die SDSM auch unter hausgemachten Problemen. Sie hat es nicht vermocht, sozialdemokratische Antworten auf die Herausforderungen des Landes zu präsentieren. Dies ist zwar zu einem großen Teil auf die Einschränkungen durch die Regierung zurückzuführen. SDSM ließ sich jedoch auch auf die scharfe Wahlkampfrhetorik und damit auf das Spiel der Kontrahenten ein. Klar, es ist wichtig, als Opposition in einer Kontrollfunktion Missstände wie Korruptionsfälle der Regierung aufzudecken. Negativ-Kampagnen reichen jedoch nicht aus, um eine glaubhafte Alternative anzubieten. Dies ist sicherlich auch ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung.
Die albanische Demokratische Union für Integration (DUI) regierte zuletzt zusammen mit der VMRO-DPMNE. Trotzdem rief die Partei zum Boykott der Präsidentschaftswahlen auf. Was steckte dahinter?
Hinter dem Boykott der DUI ist ein taktisches Manöver zu vermuten. Der Boykott wurde damit begründet, dass durch die Direktwahl des Präsidenten ausschließlich Vertreter der größeren und zwar der ethnisch-mazedonischen Bevölkerungsgruppe eine Chance haben, in das Amt gewählt zu werden. An diese Argumentation schließt sich allerdings ein ethnisch-orientierter Wahlkampf an, den die bisherigen Koalitionäre VMRO DPMNE und DUI gegeneinander führten. Dabei ist die feindliche Rhetorik nicht auf einen tatsächlichen Interessenkonflikt zurückzuführen. Vielmehr warben beide Parteien in der eigenen Klientel mit dem Hinweis, nur mit einer ausreichend großen Parlamentsgruppe die Interessen des jeweiligen ethnischen Blocks hinreichend vertreten zu können. Da sie sich dabei an unterschiedliche Gruppen richteten, standen sie in keiner direkten Konkurrenz.
In einem Land, in dem staatliche Ressourcen oft über Klientelnetze verteilt werden, kann das Bekenntnis zu einer Oppositionspartei folgenreich für das eigene wirtschaftliche Bestehen sein.
Problematisch war der Boykott der DUI vor allem, da er zumindest in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen eine Einschränkung des Wahlgeheimnisses darstellte. Durch den Wahlgang offenbarten ethnische Albaner entweder ihre Präferenz für die größte Konkurrenz der DUI, die Albanische Demokratische Partei (DPA) oder sogar für den Kandidaten der SDSM Stevo Pendarovski. In einem Land, in dem staatliche Ressourcen oft über Klientelnetze verteilt werden, kann das Bekenntnis zu einer Oppositionspartei folgenreich für das eigene wirtschaftliche Bestehen sein.
Beobachter sehen Mazedonien auf dem Weg in den Autoritarismus. Ist die Kritik gerechtfertigt?
Begriffe wie Autoritarismus und auch Diktatur werden bereits in der internationalen Berichterstattung verwendet. Das sind sicher recht drastische Begriffe. Und doch lässt sich nicht bestreiten, dass der Pluralismus in Mazedonien eingeschränkt ist. Die Gewaltenteilung ist nicht ausreichend, die politische Konkurrenz wird behindert, die Kommunikation kontrolliert und die Macht zentralisiert. Dies lässt sich nicht mit den europäischen Werten vereinbaren. Zwar muss man in diesem Zusammenhang bedenken, dass es sich bei Mazedonien immer noch um ein Transformationsland handelt. Problematisch ist jedoch, dass es sich momentan nicht in die Richtung einer konsolidierten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit transformiert, sondern Rückschritte macht.
Griechenland blockiert seit Jahren die Aufnahme Mazedoniens in EU und NATO. Wie wird das Verhältnis zwischen Skopje und Brüssel in Zukunft aussehen?
Seit 2006 ist Mazedonien Beitrittskandidat, kann jedoch aufgrund des griechischen Einspruchs keine Verhandlungen eröffnen. Diese Blockade hat zu der Situation beigetragen, in der sich das Land momentan befindet. Bei einer entgleitenden Beitrittsperspektive fehlt der Anreiz, der in anderen Ländern auch schwierige Reformen möglich gemacht hat. So kann die Regierung die eigene Macht weiter zentralisieren und gleichzeitig die Blockade Griechenlands für den ausbleibenden Fortschritt in Sachen euro-atlantischer Integration verantwortlich machen. Inzwischen sprechen jedoch wesentlich schwerwiegendere Gründe wie die eingeschränkten Freiheitsrechte und die fehlenden Rechtsstaatlichkeit gegen die „EU-Reife“ des Landes als der sogenannte Namenskonflikt. Doch die EU trägt eine Mitschuld an der verfahrenen Situation.
Es ist unklar, wie sich das Verhältnis zwischen Skopje und Brüssel entwickeln wird. Durch die Wiederwahl der bisherigen Regierung wird sich das Land international eher weiter ins Abseits bewegen. Hinzu kommen die Erweiterungsmüdigkeit der EU und ein möglicherweise euroskeptischeres Europäisches Parlament nach den Wahlen. Die Situation des ewigen Kandidaten ohne Gesprächsrecht lässt sich jedoch nicht auf Dauer aufrechterhalten. Falsch wäre es, das Land aufzugeben. Die EU muss die eigene Verantwortung erkennen und das Land im Interesse der mazedonischen Bevölkerung kritisch begleiten, nicht aufgrund einer geostrategischen oder wirtschaftlichen Bedeutung des kleinen Zwei-Millionen-Lands, sondern aus Solidarität.
12 Leserbriefe
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/meldung-im-detail/artikel/pressegespraech-vor-der-parlamentswahl-eu-beitritt-auch-ohne-pressefreiheit/
(World Bank Report 2011: 447.138 left Macedonia)
http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCUQFjAA&url=http%3A%2F%2Fec.europa.eu%2Fsocial%2FBlobServlet%3FdocId%3D8845%26langId%3Den&ei=beNfU_LpD8zQsgaO24CABA&usg=AFQjCNFG3MT10-pG5VKgtx9uFY-wduvWdA&bvm=bv.65636070,d.Yms
Mazedonien mit $10.800 GDP/Kopf, zusammen mit Bosnien und Herzegowina, Albanien, Kosovo sind die ärmsten Länder Europas:
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2004rank.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/sinti-und-roma-aus-serbien-und-mazedonien-sie-versuchen-hier-zu-ueberleben-1.1506150
http://www.spiegel.de/politik/ausland/architektur-in-mazedonien-historischer-kitsch-in-skopje-a-928255.html
Hier wird sich was zusammengereimt wie zu Grimm's Zeiten, nein man hätte Arbeitslose nicht abgebaut obwohl die Tendenz deutlich runter geht und jetzt unter dem Niveau ist die uns die SDS seiner Zeit hinterlassen hat, Staatsschulden seien höher - sind aber trotzdem noch einer der wenigsten verschuldeten Länder. Pressefreiheit angeblich unterdrückt, aber keiner erinnert sich an die Zeit wo die SDS zu ihrer Amtsperiode als erste Partei anfing Medien massiv zu unterdrücken. Mein Fazit ist deutlich, von zwei große Übel haben wir Mazedoner uns deutlich für das kleiner Übel entschieden da eine politische Alternative noch lange nicht in Sicht ist.