Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger fordert, der Westen müsse nun auch mit dem „Islamischen Staat“ verhandeln. Ist das eine realistische Forderung?
Dies scheint mir eine durchaus realistische Forderung, die in verschiedenen Expertenkreisen bereits seit einiger Zeit gestellt wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der „Islamische Staat“ kein monolithisches Gebilde, sondern ein – teils fragiler – Zusammenschluss verschiedener Gruppen und Einzelpersonen mit äußerst unterschiedlichen Hintergründen und Interessen ist. Das heißt erstens, dass das gemeinsame Interesse der Einzelteile dieser sozio-politischen Bewegung, nämlich die Veränderung des politischen Status quo in Syrien und im Irak mit dem Ziel der Ablösung der herrschenden Regierungen, in solchen Verhandlungen aufgegriffen werden könnte. Daraus folgt zum Zweiten, dass bestimmte Gruppen in solche Verhandlungen sinnvoll eingebunden werden können und sollten. Dazu zählen die ehemaligen Angehörigen der Baath-Partei und des irakischen Militärs sowie verschiedener sunnitischer Stämme in beiden Ländern, die von strategischer Wichtigkeit für den „Islamischen Staat“ als Pariastaat und seine Autorität sind und wahrscheinlich wenig Interesse an der Errichtung eines religiösen Regimes haben.
Verhandlungen beruhen ja stets auf ein Geben und Nehmen. An welchem Punkt könnte man dem IS entgegenkommen?
Insofern sich die Verhandlungen lediglich auf einen bestimmten Teil der Bewegung konzentrieren, wäre die Akzeptanz valider politischer, sozialer und ökonomischer Interessen der Verhandlungspartner sowie eine Perspektive für deren tragfähige (Re-)Integration in den politischen Partizipationsprozess ein guter Anfang. Insbesondere Letzteres steht in engem Zusammenhang mit Bemühungen um eine Wiederversöhnung aller Bevölkerungsteile in zwei Ländern, die schwer unter konfessionalisierter Politik und entsprechenden Konflikten zu leiden haben. Es erfordert außerdem besondere Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft, die politischen Akteure zu Kompromissen anzuregen, die auf ein friedvolles Miteinander und pluralistische Gesellschaften ausgerichtet sind.
Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich wohl alle regionalen Akteure einigen können, ist die Beendigung der bewaffneten Konflikte im Irak und in Syrien.
Inwiefern könnte auf Seiten des IS ein verlässlicher Verhandlungspartner identifiziert werden?
Auf irakischer Seite wären die ehemaligen Angehörigen der Baath-Partei und des Militärs sowie in Syrien und im Irak Teile der sunnitischen Stammesverbände angemessene Verhandlungspartner. In Bezug auf die Verlässlichkeit sind selbstverständlich beide Seiten gefragt. Hierzu ließe sich auf die Offensive des US-Militärs gegen die irakische al-Qaida 2005/2006 verweisen, die mit dem Versprechen an die oben genannten Bezugsgruppen verbunden war, in den irakischen Staatsapparat integriert zu werden. Diese Versprechen wurden zu großen Teilen nicht eingelöst, nachdem al-Qaida erfolgreich zurückgedrängt wurde, was zu einem Wechsel ganzer Gruppen auf die Seite al-Qaidas führte. Die internationale Staatengemeinschaft ist also dringend gehalten, Vertrauen herzustellen und sich darüber klar zu werden, ob sie tatsächlich in der Lage ist, Zusagen zu halten.
Könnte ein solcher Schritt in der Region auf Unterstützung stoßen?
Die komplexen Interessen der verschiedenen Staaten in der Region – insbesondere der Nachbarstaaten Iraks und Syriens – stünden Verhandlungen, die auf eine Neuordnung der politischen Landschaft in beiden Staaten abzielen, zum Teil diametral entgegen. Insofern lässt sich diese Frage kaum pauschal beantworten. Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich wohl alle regionalen Akteure einigen können, ist die Beendigung der bewaffneten Konflikte im Irak und in Syrien. Die Notwendigkeit, dazu mit allen Beteiligten in (direkte und indirekte) Verhandlungen einzutreten, scheint erkannt zu sein. Die Frage bleibt jedoch, in welchen Punkten Kompromisse gemacht werden können, die eine langfristig tragfähige Lösung herbeiführen.
Die Fragen stellte Michael Bröning.
16 Leserbriefe
Ich habe die Befürchtung, dass den wenigsten bewußt ist, dass wir uns in einem Glaubenskrieg befinden. Die Randerscheinung von Wirtschaftsflüchtlingen verwässet das Bild. Und es macht es den Mitgliedstaaten der EU so schwierig zu unterscheiden und führt dadurch zur Abschottung, was der einfachste Weg zur vermeidung von Problemen ist.
Worüber soll verhandelt werden? Bitte konkreter Fragen
Uns sollte stets in Erinnerung sein, gegen welch großen Widerständen Brandt und Bahr die Ostpolitik durchsetzen mussten. Es sind mit Sicherheit die ewig Vorgestrigen, die Menschen an Verhandlungen ausschließen wollen, um deren Zukunft es dabei aber geht.
Sehe ich vielleicht eine kleine Parallele darin, dass die Unionsparteien seit Jahren gegen ein Einwanderungsgesetz zetern, das wir gerade jetzt so dringend brauchen könnten?
So gesehen sind Verhandlungen – die meiner Meinung nach immer zu präferieren sind – also gar nicht schlimm: Verhandelt wird ja nur mit einem »Staat«, der international anerkannt Saudi-Arabien hieße.
[…]
Die Lektüre der Analyse " Der islamische Faschismus " von Hamed Abdel-Samad , erschienen im Droemer Verlag 2014 ist zur Vertiefung dieser Problematik für meine Begriffe unerlässlich .
1. USA+Rußland+EU einigen sich mit Saudi-Arabien + Iran+Türkei darauf,
mit den gewählten Machthabern in Bagdad und Damaskus gemeinsam Verhandlungen mit dem IS - zwecks eines allgemeinen Waffenstillstandes aufzunehmen!
2. Gemeinsam (s. o.) einen allgemeinen - in allen Bereichen - stabilen Waffenstillstand - auch ohne bzw. gegen Rebellengruppen - vereinbaren!
3. Unter UN-Kontrolle in den früheren Staats-Gebieten (Syrien + Irak) demokratische Wahlen, unter Zulassung aller Parteien, abzuhalten!
Dieser Spruch ist Jahrtausende alt und ist immer ein Beweis das oft moderne Wege falsch sind und alte Methoden bis heute sehr gut funktionieren.
Ganz ehrlich, eine Verhandlung ist bei uns bisher in den G-Gipfel immer gescheitert und warum soll das auf einmal mit der IS funktionieren. Wenn eine Verhandlung stattfindet gibt es auf jeden Fall weniger Tote und welcher Staat ist heute nicht korrupt und tötet Menschen.
Sieht euch Russland an die machen was Sie wollen und die Türkei, USA ebenfalls.
Dann Frage ich mich wer eigentlich der schlimmere von alle ist.
Der ein Köpft die Menschen, der andere wirft Bomben und tötet Menschen.
Wo ist bitte der Unterschied.
Hyänen werden solange Lämmer und unschuldige Pflanzenfresser fressen, bis der Messias Frieden gebieten wird. Bis dahin ist Prüfzeit....
Es gibt keinen Frieden ohne Krieg!
Pazifisten sagen Krieg ist immer Sünde
Das Böse ungehindert weitermachen zu lassen ist die größere Sünde. IS, Hamas und Gleichgesinnte säen Hass und das Böse bereits im Kindergarten! Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor..... altes lateinisches Sprichwort. Wer Haß und Gewalt sät.... der muss zur Rechenschaft gezogen werden! Es gibt keine Frieden ohne Krieg!