In Reaktion auf die Krise in der Ukraine bereitet die Europäische Union nun weitere Sanktionen gegen die russische Führung vor. Werden diese den gewünschten Effekt erzielen?

Was aktuell beraten wird, sind nicht umfassende Sanktionen sondern eher begrenzte politische Sanktionen, die sich gegen Individuen und Firmen mit engen Beziehungen zur russischen Führung beschränken. Sie umfassen in erster Linie Reisebeschränkungen, Visa-Begrenzungen und die Sperrung von Konten. Solche Arten von Sanktionen haben ernsthafte Auswirkungen für die betroffenen Personen, aber sie können auch einen erheblichen Einfluss auf das Vertrauen von möglichen Investoren haben. Das Ziel dieser Sanktionen ist nicht eine Schwächung der russischen Wirtschaft. Vielmehr geht es aktuell um das politische Umfeld von Präsident Putin. Und darum, dass dieses Umfeld Druck auf ihn ausübt, in Bezug auf die Ukraine einen Schritt zurück zu gehen.

Die Wissenschaft führt eine intensive akademische Debatte über die Frage, ob Sanktionen überhaupt jemals funktionieren.

Umfassendere Sanktionen, die tatsächlich die russische Wirtschaft stark belasten würden, stehen zumindest bislang nicht zur Debatte. Die Entwicklung solcher umfassender Wirtschaftssanktionen bräuchte eine sehr viel längere Vorbereitung. Aber selbst bei solchen Sanktionen gibt es keine Garantie dafür, dass sie tatsächlich funktionieren. Das gilt insbesondere, wenn sie nur von einigen Ländern getragen werden. Man darf nicht vergessen: die US-Sanktionen gegen Kuba bestehen schon seit 50 Jahren und die Castro-Brüder stehen immer noch an der Spitze des Landes.

Unter welchen Voraussetzungen können Sanktionen überhaupt funktionieren? Was ist das überzeugendste historische Beispiel für einen Erfolg von Sanktionen?

Die Wissenschaft führt eine intensive akademische Debatte über die Frage, ob Sanktionen überhaupt jemals funktionieren. Zugleich jedoch war etwa Nelson Mandela davon überzeugt, dass internationale Sanktionen eine wichtige Rolle im Zusammenbruch des Apartheid-Regimes in Südafrika gespielt haben. Andere haben hingegen argumentiert, dass das Ende des Kalten Krieges eine sehr viel wichtigere Rolle darin spielte, dass die weißen Südafrikaner letztendlich das Unausweichliche akzeptierten. Doch letztlich kann diese Frage akademisch nicht gelöst werden. Allerdings scheint klar, dass Sanktionen am besten funktionieren, wenn sie tatsächlich global angelegt und umfassend sind.

Was für Sanktionen haben in der Vergangenheit am besten funktioniert und unter welchen Bedingungen?

Grundsätzlich können Sanktionen auf zwei Arten angelegt sein: Man kann versuchen, durch Sanktionen die Überzeugung von individuellen Führern und ihrem Umfeld zu verändern, oder man kann versuchen, der Bevölkerung eines Landes so viel Schmerz zuzufügen und letztlich so viel Leid auszulösen, dass die Führung eines Landes eine öffentliche Revolte zu befürchten hat. Ich bin kein Freund von Kollektivstrafen. Denn das Problem ist auch, dass die repressivsten politischen Führer sich meist kaum um das Leid ihrer eigenen Bevölkerung kümmern – zumindest nicht, bis sie den Eindruck haben, dass ihr eigenes politisches Überleben in Frage gestellt wird.

Hier ist das Beispiel Iran aufschlussreich. Die Obama-Administration hat sich für bemerkenswert harte Sanktionen gegen das iranische Regime eingesetzt und die iranische Wirtschaft ist davon stark getroffen worden. Schauen Sie sich nur einmal die Inflationsrate im Iran an.

Sanktionen sollten nie eine Strafe als Selbstzweck sein.

Der neue Präsident Rouhani wurde vor dem Hintergrund seines Versprechens gewählt, die Isolation des Landes zu überwinden. Und aktuell erscheint er ernsthaft darum bemüht, ein Abkommen auszuhandeln, das Irans Nuklearambitionen einschränkt. Zugleich ist klar, dass Präsident Rouhani nicht der letztendlich ausschlaggebende Entscheidungsträger ist. Deshalb bin ich nicht sicher, ob es tatsächlich zu einem dauerhaften Abkommen mit dem Iran kommen wird. Aber ich bin der Auffassung, dass die Sanktionen und der ökonomische Druck, den sie ausgelöst haben, Iran an den Verhandlungstisch gebracht haben. Und zwar mit der augenscheinlichen Bereitschaft der iranischen Führung, ernsthaft zu verhandeln.

Die Wahlkampagne von Rouhani ist ein klarer Beleg für diesen Effekt. Schließlich zeigte sein Wahlkampf, dass über die Frage, ob ökonomischer Druck existiert, keine Zweideutigkeit existiert. Rouhani führte seine Kampagne nicht mit dem Slogan für mehr Frauenrechte, sondern mit dem Versprechen, die Wirtschaftslage des Landes zu verbessern.

Welche Empfehlungen haben Sie aktuell für die Entscheidungsfindung der Europäischen Union in Bezug auf Sanktionen gegen Russland?

Sanktionen sollten nie eine Strafe als Selbstzweck sein. Das Verhalten Russlands auf der Krim ist  nicht hinnehmbar. Die internationale Gemeinschaft muss klarmachen, dass das unakzeptabel ist. Begrenzte Sanktionen und die Drohung mit einer immer größeren Isolation des Landes sind deswegen ein Anfang. Allerdings muss dieser Ansatz mit einer diplomatischen Strategie kombiniert werden, die es Putin erlaubt, aus dem Konflikt mit zumindest einer gewissen Gesichtswahrung herauszukommen. Letztendlich geht es darum, das Verhalten eines einzigen Mannes zu korrigieren. Derzeit wissen wir schlichtweg nicht, was es braucht, um das tatsächlich zu erreichen.