Der Erzfeind des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir, sein ehemaliger Vizepräsident Riek Machar, soll nach Juba zurückkehren, um erneut eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ist das der lang ersehnte Anfang vom Frieden im Südsudan?

Das würde zunächst einmal die überfällige Umsetzung des Friedensabkommens bedeuten, das im August 2015 von Kiir und Machar unterschrieben wurde, aber von beiden Seiten bisher immer wieder verletzt und verzögert wurde. Die Rückkehr zur Konstellation des Jahres 2013 demonstriert die Vergeblichkeit der Gewalt im Südsudan. Sollte die Einheitsregierung ihre Arbeit nun endlich aufnehmen können, ist diese in den nächsten 30 Monaten laut Friedensabkommen verpflichtet, einen Übergangsprozess einzuleiten, dessen Abschluss die ersten nationalen Wahlen 2018 bilden sollen. Zum Übergangsprozess gehört auch die Verabschiedung einer Verfassung und die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Die mindestens sieben vorherigen Friedensabkommen seit Ausbruch der Gewalt 2013 waren immer wieder gescheitert. Zudem gibt es politische Hardliner in beiden Fraktionen der Regierungspartei, die Interesse an einem Scheitern des Abkommens haben könnten. Darum ist es auch zu früh für großen Optimismus, auch wenn die Ankunft von Machar in Juba ein vielversprechender Schritt wäre. 

Die Bildung der Einheitsregierung heißt kein sofortiges Ende von gewaltsamen Konflikten im Südsudan. In vielen Teilen des Landes kämpfen weitgehend unabhängige Milizen für ihre meist lokalen Interessen wie den für Zugang zu Land und Vieh, für politische Beteiligung und gegen die Vernachlässigung der Zentralregierung.

Riek Machars Bedingung für die Rückkehr war, dass über 1300 seiner Rebellen in Juba Stellung beziehen dürfen, um ihn zu schützen. Und seine Ankunft verzögert er gerade immer wieder. Vertrauen sieht anders aus.

Dies ist die Umsetzung einer Absprache im Rahmen des Friedensabkommens, die die Umsiedlung von Machars Truppen nach Juba und eine anschließende Integration in die staatlichen Sicherheitskräfte vorsieht. Viele Bewohner der Hauptstadt sind besorgt, ob die verfeindeten Einheiten diesen Prozess der militärischen Integration wirklich friedlich hinbekommen. Auch bestehen Sorgen, dass es innerhalb des Militärs, das zu Teilen aus ehemaligen Rebellenkommandeuren und deren loyalen Truppen besteht, zu unterschiedlichen Reaktionen entlang einer unklaren Befehlskette kommt. Dieses Mal ist der Druck zur Umsetzung des Abkommens auf den Präsidenten und den alten und neuen Vizepräsidenten größer als in der Vergangenheit: Die Wirtschaft ist aufgrund des Konflikts, des gefallenen Ölpreises und der verbreiteten Korruption kollabiert und das Land ist dringend auf die Unterstützung der internationalen Geber angewiesen.

Die dringendste Aufgabe ist, den Staatsbankrott und eine drohende Hungersnot abzuwenden.

Was sind die vorrangigen Aufgaben, die die neue Regierung zu bewältigen hätte? Wie kann der Frieden halten und Vertrauen aufgebaut werden?

Zunächst wäre es ein Erfolg, wenn die Einheitsregierung nicht schon nach kurzer Zeit wieder auseinanderbricht. Zunächst sollten die zwischen beiden Seiten im Friedensabkommen neu verteilten Ministerien, Parlamentarier und Gouverneure so schnell wie möglich ihre Arbeit aufnehmen. Der Streit um den Zugang zu Ämtern und staatlichen Ressourcen innerhalb der Regierungspartei war ein Auslöser des Konflikts. Dabei gibt es Risiken: Die kurz vor der geplanten Bildung der Einheitsregierung noch einseitig beschlossene Ausweitung der ursprünglich zehn auf 28 Bundesstaaten des Landes wurde von Machar heftig kritisiert und könnte die Zusammenarbeit gefährden, sollte kein Kompromiss gefunden werden. Die Erreichung aller im Friedensabkommen verabredeten Ziele bis 2018 ist angesichts der Polarisierung eine fast schon nicht mehr realistische Leistung.  Aber auch eine teilweise Umsetzung müsste wohl als Erfolg gewertet werden, vor allem die dringend notwendige Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung mit ausreichenden Kontrollmöglichkeiten zugunsten von Parlament und Gerichten und fairen Beteiligungsmöglichkeiten auf verschiedenen Staatsebenen. Die kurzfristig dringendste Aufgabe ist jedoch, den Staatsbankrott und eine drohende Hungersnot abzuwenden. Von Letzerer sind laut UN-Angaben mehr als die Hälfte der Menschen in Südsudan betroffen. Zudem muss eine Lösung für die sichere Rückkehr der 2,3 Millionen vom Konflikt betroffenen Flüchtlinge gefunden werden.

Welche Schritte bräuchte es für eine längerfristige Stabilisierung des Landes?

Dafür wäre eine Weiterführung des unterbrochenen Staatsaufbaus, eine friedensorientierte Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und ein Versöhnungsprozess wichtig. Zum Staatsaufbau gehört die Einrichtung von Sozialleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, die bisher keinerlei Zugang zu staatlichen Leistungen haben und der Aufbau von neuen Wirtschaftsstrukturen. Die Regierung hatte es bereits vor dem Ausbruch des aktuellen Konflikts verpasst, wirtschaftliche Alternativen für die ihnen unterstehenden Bewaffneten zu entwickeln und damit den neuen Staat von einer militärischen Vergangenheit im Kampf gegen den Sudan in eine zivile Unabhängigkeit zu führen. Entscheidend hierfür wäre eine größere Rechenschaftspflicht der Regierung für die Verwendung öffentlicher Gelder, die bisher vor allem aus dem Ölexport stammen und zumeist in den Sicherheitsapparat fließen. Große Teile dieser Gelder sind aus dem Staatshaushalt verschwunden, um Patronagenetzwerke zu unterhalten und die Loyalität bewaffneter Milizen einzukaufen. Dass diese Loyalität bei vielen Gruppen abgenommen hat, die inzwischen wieder zu Waffen greifen, liegt wohl auch am Verfall des Ölpreises. Es ist kein Zufall, dass die Intensivierung des aktuellen Konflikts und der Verfall des Ölpreises zeitgleich verliefen. Das Geld war offenbar knapp, um alle gewaltbereiten Akteure für die Niederlegung der Waffen zu entlohnen.

Zu einer Stabilisierung gehört aber noch mehr. Vor allem die organisierte Zivilgesellschaft, junge Leute, die Medien und andere friedliebende Akteure wie der zivile Privatsektor außerhalb der Ölförderung schaffen es bisher kaum mit ihren Vorstellungen für einen friedlichen Südsudan Gehör zu finden. Politische Veränderung kann zukünftig jedoch nur dann erreicht werden, wenn sich verschiedene zivil orientierte Gruppen mit friedensorientierten Kräften innerhalb und außerhalb der Regierungspartei zusammentun, um politischen Druck für eine friedliche Transformation des Südsudans aufzubauen. Das ist noch ein langer Weg.

Welche Rolle spielen die regionalen Akteure Uganda, Sudan und Äthiopien?

Grundsätzlich eint die Nachbarländer ein Interesse am Ende der derzeit großen Instabilität im Südsudan. Erst am Wochenende kam es zu Kampfhandlungen von lokalen Milizen aus dem Südsudan im Grenzgebiet zu Äthiopien, bei denen über 200 Menschen starben. Dies verdeutlicht das Risiko für die Region, das von der derzeitigen Situation im Südsudan ausgeht. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Interessen der Nachbarländer. Während Kenia und Uganda vor allem kommerzielle Interessen im Südsudan haben – viele Kenianer und Ugander haben dort investiert – , stehen für den Sudan sicherheitspolitische Faktoren mit Blick auf den Konflikt in den südlichen Provinzen des Sudans und die Zukunft der noch umstrittenen Povinz Abyei im Vordergrund. Addis Abeba war Ort der Friedensgespräche zwischen Kiir und Machar, was auf den Einfluss der äthiopischen Regierung verweist. Der aktuelle Friedensvertrag wurde im Rahmen der Regionalorganisation IGAD verhandelt, was das Potenzial regionaler Bemühungen unterstreicht. Angesichts der vielen Anläufe und der regelmäßigen Verzögerungen wurden aber auch die Herausforderung innerhalb dieses regionalen Prozesses deutlich. Wichtig wäre nun, diese Bemühungen mit vertrauensbildenden Dialogen unterhalb der Regierungsebene in der Region zu unterstützen. Nur durch einen breiteren Dialogprozess kann sich ein krisenpräventives regionales Konzept gemeinsamer Sicherheit entwickeln, das für die Beendigung von Konflikten wie derzeit im Südsudan wichtig ist.

Die Fragen stellte Hannes Alpen.