Die Schreckensmeldungen aus der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) reißen nicht ab und aus dem gar nicht heiteren Himmel kommt nun die Mutmaßung, dass deutsche Soldaten - erst im Rahmen der deutsch-französischen Brigade in Mali, aber möglicherweise auch darüber hinaus - an weiteren Brennpunkten in Afrika zum Einsatz kommen könnten. Jedenfalls wird bereits ein Paket an umfangreichen logistischen Unterstützungsmaßnahmen durch die Luftwaffe geschnürt, um Frankreich in Zentralafrika beizustehen. Berlin folgt einer sehr eindringlichen Bitte - allerdings immer noch halbherzig.

Die bekannten Reflexe...

Die bekannten ablehnenden Reflexe haben sofort funktioniert. Sie gründen auf folgenden Zweifeln: Hat Deutschland nicht eine andere, nichtmilitärische Außenpolitik? Reichen die schmerzhaften Erfahrungen in Afghanistan nicht aus, um ein neues Abenteuer gar nicht erst zu beginnen? Müssten Bundeswehrsoldaten dann nicht auf Kindersoldaten schießen und was bedeutet das dann gesellschaftlich für uns? Haben wir Vertrauen in einen französischen Partner, der in Afrika eine so ganz andere Politik beitreibt als Berlin? Diese Fragen sind berechtigt, aber sie suggerieren eine Entscheidungssituation, die sich wenigstens nicht in dieser Weise stellt.

Die Afghanistanmission war der bislang gefährlichste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Das hat auch mit radikalen, gut organisierten Gegnern vor Ort zu tun. Niemand würde behaupten, ein Einsatz in der ZAR sei gefahrenlos. Aber es existieren keine mit den Taliban vergleichbare Gruppen und keine nennenswerte Opposition gegen einen Auslandseinsatz, der das interreligiöse Abschlachten beenden und humanitäre Hilfe ermöglichen würde. Ein solcher Einsatz ist daher deutlich weniger gefährlich als der in Afghanistan.

Afrika zumindest ist kein #Neuland

Dabei sind deutsche Soldaten und Polizisten längst in Afrika im Einsatz: Für eine EU-Trainingsmission stehen über 100 Soldaten in Mali, für die UN-Mission in Mali und Senegal 75, für die UN-Mission in Darfur 10 Soldaten. 16 sind in der UN-Mission im Südsudan im Einsatz, derzeit wahrlich auch keine einfache Aufgabe. Und über die Jahre ist noch manch anderes zusammengekommen. „Boots on the ground“ in Afrika sind also grundsätzlich nicht neu, wenn deutsche Kräfte auch nicht im direkten Kampfeinsatz stehen. Die jeweiligen Mandate spielen eine Rolle. Dennoch: Man darf davon ausgehen, dass auch diese „kleineren“ Einsätze nicht immer ungefährlich sind – schließlich wären Soldaten ansonsten überflüssig. Dabei wäre ein Einsatz in der ZAR auch qualitativ nicht vollständig neu. Denn die einstige EU-Mission mit deutscher Beteiligung im Kongo war durchaus vergleichbar.

Die jetzt zu führende gesellschaftliche Debatte geht daher grundsätzlicher um den Preis, den Deutschland für Frieden weltweit zu zahlen bereit ist und darum, welche Unterstützung es für Soldaten in und nach schwierigen Einsätzen geben muss. Das hat dabei gar nichts mit einzelnen Schauplätzen zu tun.

Tatsächlich kann der militärische Einsatz kein Selbstzweck sein, sondern muss in eine breitere Strategie eingebettet sein. Was für Mali geplant ist und wofür auch Bundeswehrsoldaten entsandt werden – nach der Ausbildung von Sicherheitskräften kommen nun Sicherungsaufgaben in relativ friedlichen Gebieten hinzu – kann und sollte sich als Teil einer umfassenderen Strategie verstehen, die zivile Krisenprävention deutlich stärker betont als ihre militärische Komponente.

Afrika kann keine „no-go zone“ für deutsche Soldaten sein. Dies nicht zuletzt, weil die meisten Friedensmissionen der Vereinten Nationen hier stattfinden.

Prinzipiell kann der Einsatz auch militärischer Mittel zur Wahrung des Friedens nach den Erfahrungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht ausgeschlossen werden. Afrika kann keine „no-go zone“ für deutsche Soldaten sein. Dies nicht zuletzt, weil die meisten Friedensmissionen der Vereinten Nationen hier stattfinden. Es passt daher zum neuen Selbstverständnis der Bundeswehr als „Armee im Einsatz“ auch mit Personal vor Ort - in Mali, in der ZAR – Frieden zu sichern.

Dabei gilt nach wie vor: Der Einsatz militärischer Mittel sollte nicht erste Wahl, sondern „ultima ratio“ deutscher Außenpolitik bleiben. Aber diese letzte Karte ist genau die, die jetzt – eigentlich ja schon vor geraumer Zeit - in der ZAR gezogen werden muss.

Frankreich fragt an, die neue Übergangspräsidentin fleht um Unterstützung. Estland, Polen und Belgien sagen „ja“, Deutschland „jein“. Es mag sein, dass in der ZAR allenfalls mittelbar deutsche Interessen auf dem Spiel stehen, aber angesichts der geopolitischen Lage ist die Ausbreitung des Vakuums in der nördlichen Mitte Afrikas – von Mali über ZAR bis Südsudan – und deren Auswirkungen auf alle angrenzenden Staaten so vorangeschritten, dass von einem peripheren Problem keine Rede mehr sein kann.

Das Engagement könnte die Eintrittskarte dafür sein, bilateral und auf europäischer Ebene den richtigen Kurs mitzuverankern.

Einer engeren afrikapolitischen Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland wurde in der Vergangenheit immer mal wieder das Wort geredet. Gründe gab es immer. Aber deutsche Entscheidungsträger haben oft schlechte Erfahrungen gemacht: Paris erwartete finanzielle Lastenteilung aber war nicht bereit, inhaltliche Mitsprache zuzugestehen. Nun geht es auch um militärisches Engagement. Ein solches könnte die Eintrittskarte dafür sein, bilateral und auf europäischer Ebene den richtigen Kurs verankern zu können: Ein deutlich präventives Engagement, um Gesellschaften und staatliche Institutionen fit für den Frieden zu machen. Auch das ist nicht einfach, aber es ist das, was Berlin betreiben will und soll.