Mit großem Pomp ist Mitte August in Kochi Indiens erster Flugzeugträger aus heimischer Produktion vom Stapel gelaufen. Indiens Militärs sind stolz, dabei dem großen Konkurrenten China endlich einmal einen Schritt voraus zu sein. Denn anders als der erste Flugzeugträger der Volksrepublik, der im September 2012 in Dienst gestellt wurde und noch aus sowjetischer Produktion stammt, basiert Indiens „INS Vikrant“ auf heimischen Fähigkeiten. Noch kann das sonst in seiner Rüstung fortgeschrittenere China keinen selbstproduzierten Träger vom Stapel lassen. Wenige Tage vor der „INS Vikrant“ hatte Indien zudem sein erstes Atom-U-Boot zu Wasser gelassen.

Fast zeitgleich weihte auch Japan sein größtes Kriegsschiff seit dem Zweiten Weltkrieg ein: einen Hubschrauberträger. Experten gehen davon aus, dass mit wenigen Umbauten darauf auch Kampfjets starten und landen können. Einher gehen solche Befürchtungen mit dem Verweis auf das Bestreben japanischer Konservativer, das rüstungs- und militärpolitische Selbstbeschränkungsgebot der japanischen Nachkriegsverfassung zu kippen. Dann dürfte Japan mehr als bisher ein Prozent seines Bruttosozialprodukts in Rüstung stecken und sein Militär auch jenseits der Landesgrenzen einsetzen. Nordkoreas Raketen- und Atomrüstung sowie Chinas wachsende Macht und Aggressivität in Territorialkonflikten werden als Begründung herangezogen.

Die sündhaft teuren Schiffe sind vor allem Symbole der Aufrüstung. Sie dienen der regionalen Machtprojektion und illustrieren den Wandel der jeweiligen Militärstrategien.

Es wird noch bis zu fünf Jahre dauern, bis die Träger Indiens, Chinas und Japans wirklich einsetzbar sind. Auch ist fraglich, ob die prestigeträchtigen Schiffe wirksam vor Angriffen mit Raketen und U-Booten geschützt werden können. Denn dazu bedürfte es integrierter Operationen komplexer Flottenverbände. Bis es soweit ist, sind die sündhaft teuren Schiffe vor allem Symbole der Aufrüstung zur See. Sie dienen der regionalen Machtprojektion und illustrieren den Wandel der jeweiligen Militärstrategien.

Vor allem mit Chinas wirtschaftlichem und politischem Aufstieg geht schon seit Jahren eine strategische Umorientierung des Militärs einher. Früher waren die Landstreitkräfte das zentrale Element, die Szenarien sahen Kämpfe auf eigenem Territorium vor. Inzwischen wurde dies von einer Art Vorneverteidigung durch Raketen, U-Boote und Schiffe entlang von Inselketten fernab der eigenen Küste ersetzt. Das wohlhabendere China kann sich heute nicht nur teurere Rüstung leisten, sondern muss sich auch zunehmend Gedanken über die Sicherung seiner Rohstoffversorgung und Handelswege machen – etwa in der Straße von Malakka.

US-Präsident Barack Obama hat eine stärkere Zuwendung Washingtons nach Asien versprochen und einen weiteren US-Flugzeugträgerverband in der Region angekündigt.

Diesen an sich legitimen Zielen stehen der ungelöste Taiwankonflikt und zahlreiche Territorialstreitigkeiten gegenüber, die China mit vielen Nachbarstaaten hat und inzwischen als seine „Kerninteressen“ definiert. Dabei ist Peking in keinem der Konflikte mit seinen Kontrahenten einer Lösung näher gekommen. Im Gegenteil: Pekings als zunehmend aggressiv empfundenes Verhalten gegenüber schwächeren Nachbarn wie den Philippinen oder Vietnam lässt diese nach der bisherigen Hegemonialmacht USA als machtpolitisches Gegengewicht rufen.

US-Präsident Barack Obama hat eine stärkere Zuwendung Washingtons nach Asien versprochen und einen weiteren US-Flugzeugträgerverband in der Region angekündigt. 1996 hatte Washington mit der Entsendung eines Trägers in die Taiwan-Straße Peking noch von einer Eskalation im Taiwan-Konflikt abhalten können. Dies dürfte heute nicht mehr so einfach sein. Zwar wird China den USA noch lange militärisch unterlegen sein. Doch sind Chinas Fähigkeiten zu einer Abhaltestrategie, dem sogenannten „anti access/area denial“ (A2/AD) gewachsen. Die USA müssten also bei einem Konflikt mit China in dessen „Hinterhof“ künftig mit größeren Risiken und eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten rechnen.

Hinter Chinas strategischem Ringen mit den USA steht die unbeantwortete Frage, wie die mächtiger werdende Volksrepublik sicherheitspolitisch in eine regionale Sicherheitsarchitektur integriert werden kann. Denn Asien bleibt ein Flickenteppich ungelöster Gebietskonflikte, kennt dabei aber keine tragfähigen Sicherheitsstrukturen. Mit Chinas Wachstum stellt sich nicht nur die Hegemoniefrage, sondern auch die nach den ultimativen Absichten der USA und Chinas in der Region. Während in Peking davon ausgegangen wird, dass die USA nicht freiwillig auf Hegemonie verzichten und weiter auf eine unterstellte Eindämmungsstrategie gegenüber China setzen, bleiben Pekings Ziele so unklar wie eine mögliche Bereitschaft, sich sicherheitspolitisch überhaupt einbinden zu lassen.

Hinter Chinas strategischem Ringen mit den USA steht die unbeantwortete Frage, wie die mächtiger werdende Volksrepublik sicherheitspolitisch in eine regionale Sicherheitsarchitektur integriert werden kann.

Chinas strategische Rivalität mit den USA wird ergänzt um die ebenso ungeklärte Konkurrenz Chinas mit Japan, die von der nicht aufgearbeiteten japanischen Kriegsvergangenheit belastet wird. Hinzu kommt Chinas Rivalität mit Indien. Der chinesische Reformarchitekt Deng Xiaoping hatte stets gemahnt, die Volksrepublik solle sich nicht in militärischen Konflikten verzetteln, sondern sich auf ihren wirtschaftlichen Aufstieg konzentrieren.

Dies scheint noch heute Konsens in Peking zu sein. Bisher verhinderte vor allem wirtschaftliche Vernunft in Form gewachsener gegenseitiger Abhängigkeiten und eines profitablen Handels militärische Abenteuer auf allen Seiten. China profitiert stark von seiner Integration in die Weltwirtschaft und ist vom weiteren Funktionieren der bestehenden globalen Ordnung abhängig. China ist heute größter Gläubiger seines größten Handelspartners USA und hat daher eigentlich kein Interesse an Spannungen mit Washington.

Auch Japans Wirtschaftsbosse, die vom starken China-Handel profitieren, mahnen ihre konservative Regierung, Konfrontationen mit Peking zu vermeiden. Solange es an tragfähigen Sicherheitsstrukturen mangelt und die politischen Führer von Japan und China Chancen zum Gespräch wie beim G-20-Gipfel in Sankt Petersburg nicht ausreichend nutzen, bleiben daher wirtschaftliche Interessen die stärksten Friedenskräfte der Region. Doch dies muss nicht zwangsläufig langfristig tragfähig bleiben.

Besorgniserregend ist die Vorstellung an eine Kombination aus außer Kontrolle geratenen Provokationen, integrierten Offensivwaffen und einer schweren Wirtschaftskrise oder einem Interessenskonflikt. 

Zwischenfälle verweisen alarmierend auf das Eskalationspotenzial. So erfasste im Januar 2013 eine chinesische Fregatte mit ihrem Zielradar erstmals einen japanischen Zerstörer, wie die Regierung in Tokio behauptet. Ob das die Provokation eines hitzköpfigen Kommandanten oder eine kalkulierte Provokation zentraler Stellen war, blieb unklar. Doch kann dies zu einer Kettenreaktion führen und unversöhnliche Nationalismen entfachen. Noch sind solche Zwischenfälle gefährlicher als die bisher kaum sinnvoll einsetzbaren milliardenschweren Flugzeugträger.

Besorgniserregend ist jedoch die Vorstellung an eine künftige Kombination aus außer Kontrolle geratenen Provokationen, dann integrierten Offensivwaffen wie Flugzeugträgerverbänden und einer schweren Wirtschaftskrise oder einem wirtschaftlichen Interessenskonflikt. Dies erst recht, wenn kollektive Sicherheitsstrukturen und Rüstungskontrollbegrenzungen weiterhin fehlen.