Seit dem Scheitern des amerikanischen Versuchs, die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern zu erneuern, bekämpfen sich Israelis und Palästinenser auf der internationalen Bühne. Dabei geht es insbesondere um die Frage der Anerkennung eines palästinensischen Staates. Großbritannien, Schweden, Spanien und das Europäische Parlament haben sich bereits für eine Anerkennung Palästinas ausgesprochen – trotz diplomatischer Anstrengungen Israels, genau das zu verhindern.

Die israelische Regierung fordert von der Staatengemeinschaft, auf die Ergebnisse des Verhandlungsprozesses zu warten. Zunächst kann man kann die Ablehnung der israelischen Seite verstehen. Oftmals ist das fast schon ein Reflex. Doch in der Realität ist es gerade die israelische Ablehnung eines palästinensischen Staates, die im anti-israelischen Lager Verbündete finden könnte.

Das Vorgehen von Mahmoud Abbas bedroht in den Augen der israelischen Regierung den Staat Israel und seinen internationalen Status. Doch tatsächlich wäre die internationale Anerkennung eines palästinensischen Staates auf der Grundlage der Grenzen von 1967 auch die Anerkennung des Staates Israel. Laut der politischen Rechten in Israel würde das vielleicht den Verzicht auf die Heimatgebiete in Judäa und Samaria bedeuten. Doch was den Staat Israel insgesamt betrifft, wäre das eine klare Bekundung des Rechtes Israels, an der Seite eines palästinensischen Staates zu existieren.

 

Zweistaatenlösung als Anerkennung Israels

Dieser Wille der Palästinenser ist faktisch das Einverständnis und die Anerkennung der Tatsache, dass der Zionismus kein vorübergehendes Phänomen ist und dass Israel eine Realität an der Seite des palästinensischen Staates sein wird. Nicht von ungefähr lehnen die Extremisten in der arabischen Welt Mahmoud Abbas und dessen Politik ab. In ihren Augen setzt er lediglich den Irrtum von Yasser Arafat fort, der die Oslo-Verträge unterzeichnet und damit den Staat Israel auf Kosten eines „Großpalästinas“ anerkannt hat.

Der Tag, an dem die Siedler siegen und die Palästinenser auf einen eigenen Staat verzichten, ist auch der Tag der Niederlage Israels und des Zionismus.

Heute mobilisiert die israelische Regierung alle verfügbaren Kräfte gegen diese Anerkennung Palästinas. Doch in einigen Jahren werden sich die Beamten des Außenministeriums nach den Tagen sehnen, in denen sie gegen die Zweistaatenlösung gekämpft haben.

Denn die Alternative zur Zweistaatenlösung ist klar: Ein binationaler Staat, in dem zwei Nationalbewegungen mit entgegengesetzten Interessen und Bestrebungen aufeinanderprallen. Es wäre ein Staat im Gegensatz zur zionistischen Idee, die sich die Errichtung eines jüdischen und demokratischen Staates mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit und gleichen Rechten für alle auf die Fahne geschrieben hat.

Es ist genau diese Ein-Staaten-Lösung, die der schärfste Gegner Israels befürwortet: Iran. Wiederholt hat das Regime in Teheran seine Vorstellung über Palästina formuliert. Teheran fordert ein unter allen Bewohnern Israels und Palästinas abzuhaltendes Referendum. Das soll über Regierung, Namen und Charakter des Staates befinden.

Dieser Vorschlag ist die neue Waffe der Gegner des Zionismus und der anti-israelischen Bewegungen: Militärische Auseinandersetzungen, Vertreibungen der Juden und Terrorakte sind nicht notwendig. Auch in der öffentlichen Darstellung ist eine Ein-Staaten-Lösung einfacher zu vertreten als die Forderung, die Existenz Israels zu beseitigen. Die Forderung nach einem einzigen Staat ist deshalb die Vorzugsoption der antiisraelischen Strömungen, um die zionistische Vision zu beenden.

Zur Verwirklichung dieser Vision muss von den Israelis lediglich gefordert werden, allen Bewohnern Israels und der besetzten Gebiete das Wahlrecht zu erteilen und eine demokratische Wahl auf der Grundlage „eine Person – eine Stimme“ durchzuführen. Man kann sich die internationalen Reaktionen angesichts von Massenaufmärschen junger Palästinenser vorstellen, die Identitätsausweise und ihr Wahlrecht fordern. Was wird Israel sagen, wenn die Forderung nach zwei Staaten von der Forderung nach dem Wahlrecht abgelöst wird? Wie kann Israel weiterhin ein demokratischer Staat sein, wenn dreieinhalb Millionen Palästinensern das Wahlrecht versagt wird?

Wie kann Israel weiterhin ein demokratischer Staat sein, wenn dreieinhalb Millionen Palästinensern das Wahlrecht versagt wird?

Doch klar ist auch: Sollte Israel den Palästinensern das volle Wahlrecht gewähren, würde der „Staat Israel“ schnell in den „Staat Palästina“ verwandelt werden. Es käme zu einer Änderung der Einwanderungsgesetze weg von einer freien Einwanderung von Juden hin zu einem Zustrom palästinensischer Flüchtlinge. Darüber hinaus würden Fahne, Hymne und der jüdische Charakter des Staates beendet. Das wäre der Todesstoß für die zionistische Bewegung.

In absurder Weise wären gerade die israelischen Siedler die engsten Verbündeten dieses Vorgehens. Sie rufen die Israelis tagtäglich dazu auf, die sogenannte grüne Linie von 1967 zu überqueren und in den besetzten Gebieten zu leben. Sie fordern von der Regierung, die Bautätigkeit dort auszuweiten und dort mehr Geld zu investieren. Sie versuchen auf jedem Weg, sich jedes Hügels zu bemächtigen und sie sind es, die mit ihren Handlungen die postzionistischen Bewegungen in ihrem Kampf gegen Israel unterstützen.

Die Siedler haben eine klare Ideologie: Je größer ihre Zahl in den besetzten Gebieten, desto geringer die politische Möglichkeit, sie von dort zu entfernen. So wird aus einer Zweistaatenlösung nur noch Theorie. Es geht darum, Tatsachen zu schaffen und die israelische Präsenz in den besetzten Gebieten zu zementieren. Dabei wird diese Strategie der Siedler von ihnen nicht verhehlt. Im Gegenteil: Sie betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie es sind, die vor Ort einen Staat aufbauen, den man nicht teilen kann, während die Politiker über zwei Staaten verhandeln.

Heute leben alleine in der West Bank 341.000 Siedler. Das sind weniger als fünf Prozent der israelischen Bevölkerung. Die meisten Siedler leben in Siedlungsblöcken, die im Rahmen einer zukünftigen Regelung nicht geräumt werden sollen. Die Zahl der Siedler, die im Zuge eines Abkommens die besetzten Gebiete verlassen müssten, würde ─ je nach Bedingungen ─ ungefähr 150.000 betragen. Doch die Siedlerbevölkerung wächst. Alleine im Jahr 2014 wurden um die 3 100 neue Wohneinheiten gebaut. Im Vergleich zu 2013 ist das eine Zunahme von etwa 40 Prozent. Auch in Ostjerusalem versuchen die Siedler, Tatsachen zu schaffen, um einen Kompromiss zu verhindern. Wenn in der Gesamtsicht die Siedlungen errichtet werden, um eine Teilung des Landes zu verhindern, so haben wir es in Jerusalem mit einer noch pointierteren Strategie zu tun. Sie stützt sich auf die Prämisse, dass die Zweistaatenlösung ohne einen Kompromiss in Jerusalem nicht verwirklicht werden kann.

 

Israel vs. Siedler

Der Kampf der Siedler steht dem Interesse Israels entgegen. Der Tag, an dem sie siegen und es ihnen gelingt, die Palästinenser zur Verzweiflung und zum Verzicht auf einen eigenen Staat zu treiben, ist auch der Tag der Niederlage Israels und des Zionismus.

Dazu gehört auch das Aneignen der Position der israelischen Rechten, dass es für eine Teilung des Landes schon zu spät sei. Auch der Tag, an dem die Welt der Vision von zwei Staaten den Rücken kehrt und eine Ein-Staaten-Lösung unterstützt, wird der Tag der Niederlage Israels sein.

Denn die Ein-Staaten-Lösung ist nicht durchführbar. Die Vision von einem Verzicht des palästinensischen und des jüdischen Volkes auf ihre entgegengesetzten nationalen Bestrebungen zugunsten eines gemeinsamen Staates kann nicht verwirklicht werden. Das Wesen des Zionismus, die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk, kann sich nicht in einem Staat verwirklichen, in dem 50 Prozent der Bürger keine Juden sind. Das gleiche gilt für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in einen Staat, in dem 50 Prozent der Bürger Zionisten sind. Der Kampf um die Identität des Staates würde nicht aufhören. Die Idee eines einzigen Staates würde nicht verwirklicht werden. Eine Forderung der Palästinenser, statt auf nationale Bestrebungen auf volle politische Gleichberechtigung in einem Staat zu setzen, wäre die größte Bedrohung für die Zukunft des Staates Israel. Diese Bedrohung ist das zentrale Instrument, mit dem die Palästinenser die öffentliche Meinung in Israel ändern können, damit diese versteht, dass keine Alternative zu zwei Staaten existiert.