Die aktuellen gewaltsamen Zusammenstöße der Opposition mit Regierungs- und Sicherheitskräften in der Demokratischen Republik Kongo sind keine plötzliche Eskalation, sondern das Resultat einer lange gärenden Entwicklung.

Bereits bei den letzten Präsidentschaftswahlen vor fünf Jahren hatte sich die Opposition (allen voran die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische UDPS) über massiven Betrug und Verfälschungen des Wahlergebnisses beschwert. Ihren Erkenntnissen nach hätte ihr Kandidat Etienne Tshisekedi und nicht Präsident Joseph Kabila die Wahlen gewonnen. Das offizielle Ergebnis lautete jedoch 48,95 Prozent für Kabila und nur 32,33 Prozent für Tshisekedi.

Hinzu kommen nun seit 2014 deutliche Anzeichen dafür, dass Kabila das demokratische und verfassungsgemäße Ende seiner Amtszeit als Präsident nicht akzeptieren könnte. So hat Kabila den Prozess in Richtung Wahlen immer wieder blockiert.Und das, obwohl die internationale  Staatengemeinschaft und insbesondere Deutschland gerade im Kongo so viel in Wahlen investiert hat.

Zunächst ließ er sich unendlich lange Zeit, überhaupt einen Wahlkalender zu veröffentlichen. Schließlich führte er Ende 2015 eine Verwaltungsreform durch, die die Anzahl der Provinzen in der Demokratischen Republik Kongo von 11 auf 26 erhöhte. Dabei wurde unter anderem der beliebte Gouverneur und aussichtsreiche Oppositionspolitiker Moise Katumbi seines Amtes enthoben. Katumbi hält sich derzeit außer Landes auf, um unter anderem einer Strafverfolgung zu entgehen.

Problematisch ist dabei nicht zuletzt, dass die neu geschaffenen Provinzen nicht über die Infrastruktur verfügen, um Wahlen auf Provinz- und lokaler Ebene zu organisieren. Diese müssen aber – so die Regierung – zwingend vor den Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Schließlich hat die Regierung Kabila das Budget zur Finanzierung der Wahlen und zur Wählerregistrierung lediglich mit sechs Monaten Vorlauf beschlossen – und das obwohl die staatliche Wahlbehörde CENI lange im voraus angekündigt hatte, dass sie für die logistischen und administrativen Vorbereitungen mindestens ein Jahr Vorlauf benötigt.

All das sind Anzeichen dafür, dass der Präsident kaum dazu neigt, tatsächlich im Herbst 2016 Wahlen organisieren und abhalten zu lassen. Denn: Am 11. Mai 2016 bestätigte nicht zuletzt das Verfassungsgericht, dass Präsident Kabila übergangsweise auch nach dem Ende seiner Amtszeit, bis zur Feststellung eines neuen Wahlergebnisses und somit eines neuen Amtsinhabers im Amt bleiben könne.

All dies wird von der Opposition seit Langem in der Öffentlichkeit diskutiert. Auch die internationale Gemeinschaft war über die Vorgänge informiert und hat wiederholt Warnungen an Präsident Kabila ausgesprochen, die demokratische und verfassungsmäßige Ordnung seines Landes nicht zu gefährden. Davon hat sich Kabila unbeeindruckt gezeigt.

So bot der Präsident der Opposition – augenscheinlich auf internationalen Druck – einen nationalen Dialog an. Dies allerdings zu Konditionen, die für die Opposition inakzeptabel waren. So wurde dem von der AU bestellten Organisator des Dialogs, Edem Kodjo, von der Opposition eine gewisse Nähe zur Regierung sowie Parteilichkeit vorgeworfen.

Gemeinsam mit der Demontage des aussichtsreichen Oppositionskandidaten Katumbi hat das zu einer massiven Frustration der Opposition beigetragen. Derzeit ist die Opposition erstaunlich geeint. Als Bewegung „Rassemblement“ unter dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Tshisekedi haben sich sowohl die traditionelle Opposition, als auch Mitglieder der Zivilgesellschaft und der ehemaligen Regierungspartei zusammengeschlossen.

Am Montag ist die Situation nun eskaliert. Die Vereinigung „Rassemblement“ hatte zu einer Demonstration gegen die Regierung aufgerufen, um deutlich zu machen, dass die Amtszeit des Präsidenten am 19. Dezember 2016 ausläuft. In der Hauptstadt Kinshasa sollte ein Sternmarsch organisiert werden. Auf die große Zahl von Menschen in den Straßen – überwiegend männliche junge Oppositionsanhänger – haben das Militär und die Polizei das Feuer eröffnet und scharf geschossen. Laut kongolesischem Innenministerium gab es 17 Tote, die Opposition spricht von über 50 Toten. Zudem wurden in der Nacht von Montag auf Dienstag mehrere Einrichtungen der Oppositionsparteien in Brand gesetzt, so auch die Parteizentrale der sozialdemokratischen UDPS. Dort soll es Verletzte und sogar fünf Tote gegeben haben. Über 200 Menschen wurden verhaftet. Derzeit ist die Lage in der DRK unübersichtlich. Die Internetleitung ist gekappt, die Telefonleitung gestört.

François Hollande und die ehemalige belgische Kolonialmacht haben sich bestürzt über die Ereignisse gezeigt, so auch die Amerikaner und der Bundesaußenminister. Auf internationaler Ebene werden nun Sanktionen gegen die DRK diskutiert. Sanktionen sind aber wenig hilfreich. Tatsächlich würden sie nur das Leiden der Bevölkerung vergrößern. Auch das gutgemeinte Angebot, glaubhafte Wahlen durch Finanzierungsangebote aus dem Westen zu fördern, ist letztlich wenig erfolgversprechend. Denn genau dieses Rezept wurde bereits erprobt - erfolglos.

Die Stimmung könnte sich zum Positiven ändern, wenn Präsident Kabila seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur verkünden würde und die Verfassung respektieren sowie schnell Wahlen nach einem straffen Zeitplan abhalten würde. Internationaler Druck in diese Richtung ist von der Afrikanischen Union (AU) derzeit kaum zu erwarten. Sie spielt aufgrund der personellen Konstellationen dort kaum eine Rolle. Schließlich ist ihr Vorsitzender Ibris Deby selbst seit Jahrzehnten per Wahlfälschung als Präsident im Tschad an der Macht. Druck sollte vor diesem Hintergrund eher aus der Region und seitens der Regionalorganisation SADC kommen – sowie von der Regionalmacht Südafrika.