Die Verhandlungen um Irans Nuklearprogramm werden um sieben Monate verlängert. Darauf einigten sich in Wien Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, China und die USA – die sogenannten E3/EU+3. Die ursprünglich auf den 24. November terminierte Frist für eine umfassende Einigung wird jetzt auf den 1. Juli 2015 verschoben. Ein dafür notwendiges politisches Abkommen soll bis zum 1. März 2015 erzielt werden.   

Iran wird bis zum Ende der neuen Frist, im Sinne des vor einem Jahr in Genf beschlossenen Interimsabkommens, keine Ausweitung der Kapazität seines Nuklearprogramms vornehmen. Im Gegenzug erhält er monatlich 700 Millionen US-Dollar seines im Ausland eingefrorenen Vermögens. Das umfassende internationale Sanktionsregime bleibt bestehen.

So ernüchternd das Ergebnis dieser letzten Verhandlungsrunde auch scheint, tatsächlich stellt es angesichts der Annäherung in den jeweiligen Verhandlungspositionen einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur umfassenden Einigung dar. Eine Fortsetzung der Gespräche ist daher mehr als nur eine Verlegenheitslösung.

 

Ein Gesprächsformat mit Selbstwert

Die Gesprächsrunden der E3/EU+3 mit Iran haben mittlerweile einen Selbstwert erlangt. Aus ihnen hat sich ein funktionaler Kanal für einen kontinuierlichen Dialog zwischen Iran und dem Westen entwickelt. Ein Dialog, der in seiner Frequenz vor allem zwischen Teheran und Washington beispiellos ist. Bilaterale Gespräche zwischen den Außenministern beider Länder, noch vor zwei Jahren undenkbar, sind inzwischen Routine.

Diese Gespräche helfen, das nach 35 Jahren diplomatischer Eiszeit fest verankerte gegenseitige Misstrauen vorsichtig abzubauen. Hierbei geht es nicht nur um die Verhandlungsführer beider Seiten, sondern um das gesamte politische Establishment in den USA und im Iran. Beide Regierungen stehen innenpolitisch unter Druck. Und auch die Öffentlichkeit beider Staaten muss auf dem Weg dieser Annäherung wohl überlegt einbezogen werden.

Betrachtet man die schwerwiegenden Krisen im Nahen und Mittleren Osten, wirkt der Nuklearstreit in seiner Essenz überpolitisiert und harmlos. Die Fortsetzung der Gespräche, könnte man schlussfolgern, stehen der Beschäftigung mit dringenderen Problemen im Wege. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Nukleardossier könnte dazu dienen, Auswege aus politischen Krisen gemeinsam zu konzipieren. Denn die Beteiligung Russlands und Chinas sowie der wichtigsten EU-Staaten gewährleistet, dass tatsächlich umfassende Strategien entwickelt werden.

Doch das macht einen abschließenden Erfolg der Nuklearverhandlungen umso notwendiger. Der iranische Außenminister Javad Zarif hat betont, dass der volle Zeitraum der neuen Frist nicht unbedingt benötigt werde. Bereits Mitte Dezember stehen Treffen auf Experten- und Vizeaußenministerebene in Muskat an.

 

Der Gegenwind wird zunehmen

An der Entschlossenheit der Verhandlungsführer, ein allseits zufrieden stellendes Ergebnis zu erreichen, gibt es kaum Zweifel. Jedoch stehen besonders die Regierungen Washingtons und Teherans unter massivem innenpolitischen Druck.

Die Gegner eines Deals in den USA streben eine Fortsetzung der Isolation Irans an. Sie verlangen einen generellen Stopp des iranischen Nuklearprogramms und arbeiten bereits an weiterführenden Sanktionen. Diese Widersacher der Regierung Obama setzen sich aus neokonservativen Mitgliedern der Demokraten und Republikaner, vorgeblich pro-israelischen Lobbygruppen sowie Interessensverbänden der Staaten des Persischen Golfs – vornehmlich Saudi-Arabiens – zusammen.

Im Iran äußert sich die tief sitzende Skepsis gegenüber den USA vor allem in ultrakonservativen Kreisen in Parlament, Klerus, Militärapparat und politischer Elite. Für sie ist bereits der Versuch ein Nuklearabkommen zu erreichen ein Verrat der Systeminteressen.

Und dennoch steht das iranische Verhandlungsteam, angeführt von Außenminister Zarif, innenpolitisch auf wesentlich soliderem Boden als das amerikanische Pendant. Bei aller sich in Iran medial und im Parlament äußernden Kritik an Zarif ist ihnen die Rückendeckung des Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei gewiss. Ahmad Jannati, Vorsitzender des mächtigen Wächterrats, beteuerte in seiner Freitagspredigt vergangenen Freitag, dass sowohl das iranische Volk als auch der Revolutionsführer hinter dem Verhandlungsteam stünden. Daher bräuchten sie die Amerikaner nicht zu fürchten.

Mit anderen Worten: So sehr die Gegner eines Abkommens auch Skepsis und Misstrauen schüren, Zarifs Verhandlungsteam wird gemeinsam mit der Regierung Hassan Rouhani in der Lage sein, das Abkommen intern durchzubringen.  

Anders sieht es in Washington aus. Dort musste Präsident Obama eine herbe Niederlage im Repräsentantenhaus hinnehmen. Nur mit viel Mühe wird er in den kommenden Monaten neue Sanktionen gegen Iran verhindern können. Mit einem präsidentiellen Erlass kann er bestehende Sanktionen suspendieren und neue aufhalten.

Die entscheidende Frage wird jedoch sein, ob er jemals in der Lage sein wird, die unliateralen Sanktionen aufzuheben. Denn das ist die Kernforderung Irans für Zugeständnisse im Nuklearprogramm.

Das erklärt die Skepsis der iranischen Kritiker am Nukleardeal: Wird Obama im Falle eines Abkommens tatsächlich liefern können?

 

Die fehlende Reziprozität der Atomverhandlungen

Ein kritisches Manko der Verhandlungen liegt darin, dass es keine ausreichende Reziprozität bei der Durchführung irreversibler Maßnahmen gibt.

So hat sich Iran bereit erklärt, angereichertes, gasförmiges Uran in nukleare Brennstäbe zu konvertieren. Ein Mal erfolgt, ist die weitere Anreicherung des Urans technisch nicht mehr möglich. Sollte sich Iran zudem bereit erklären, seinen Schwerwasserreaktor in Arak in einen Leichtwasserreaktor umzuwandeln, oder die Anlage in Fordo lediglich für Research & Development zu nutzen und nicht mehr als Militäranlage zu deklarieren, ergreift es weitere unwiderrufliche Maßnahmen.

Wenn man die Signale aus Teheran vorsichtig deutet, scheint Iran bereit zu sein, solche Schritte zu ergreifen. Doch hierfür bedarf es nicht nur der absoluten Zusicherung, dass die Sanktionen aufgehoben werden. Teheran verlangt zudem einen (eher kurz als lang angelegten) Zeitplan, in dem die Sanktionen aufgehoben werden. Dies ist für die Obama-Regierung derzeit kaum möglich.

 

Diplomatie mit Teheran stärken

Einerseits macht die Verlängerung der Frist einen Verhandlungserfolg schwieriger. Die Kritiker und Gegner in Teheran und Washington verspüren Rückenwind und werden die Zeit nutzen, weiter gegen ein Abkommen zu agitieren.

Andererseits jedoch besteht die Chance einer Verlängerung darin, dass die jeweilige Position der anderen Seite besser nachvollzogen wird. Nur so kann es den Akteuren überhaupt gelingen, weiter aufeinander zuzugehen.

Ein Schlüssel zum Verhandlungsdurchbruch besteht in einer Stärkung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO). Sie kann feststellen, ob der Iran – wie bisher geschehen – im Sinne des Interimsabkommens handelt oder nicht. Die hierzu veröffentlichten Berichte und Gutachten der Behörde sollten zur einzig relevanten Grundlage für die Fortsetzung der Gespräche werden. Denn sie behandeln diesen höchst politisierten Themenkomplex rein technisch. Und unter technischen Gesichtspunkten, ist die Lösung des Konflikts zum Greifen nah.

Neben der IAEO bescheinigt dies auch die Arms Control Association. Die Nicht-Proliferationsexpertin Kelsey Davenport betonte zuletzt, dass sich die Parteien in eine Problematik manövriert hätten, die auf Grundlage von Fragen der Proliferation unbedenklich sei. Es bleibt zu hoffen, dass die Fortsetzung der Diplomatie diesen Sachverhalt auch in politische Unbedenklichkeit übersetzt.