Internationale Beteiligung an nationalen Friedensprozessen gehört heute zum Standard, doch nicht immer ist sie auch wirklich erfolgreich. Die Vielfalt ihrer Rollen bewegt sich zwischen den Polen der politischen Legitimät und der Bereitstellung finanzieller Ressourcen für die Friedensbemühungen. Die Art des Konflikts spielt eine bedeutende Rolle für den möglichen Erfolg. Der kolumbianische Fall ist dabei in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Bezug: Zum einen angesichts der Komplexität der Konfliktkonstellationen, zum anderen wegen der Vielfalt bereits stattgefundener und meist gescheiterter Versuche, zu einem Verhandlungsfrieden zu gelangen. Eine unmittelbare Übertragbarkeit auf andere Realitäten ist daher nur begrenzt gegeben, zumal die eigentlich schwierige Hürde der Umsetzung nach mehr als 52 Jahren gewaltsamer Auseinandersetzungen noch bevorsteht.
Der Konflikt in Kolumbien zeichnet sich durch mehrere Charakteristika aus, die ihn von anderen innerstaatlichen militärischen Auseinandersetzungen unterscheiden: seine Langlebigkeit, die das innere Zusammenleben in Kolumbien maßgeblich geprägt hat; seine Komplexität durch die Überlagerung von verschiedenen Gewaltakteuren (Guerrillas, Paramilitärs, Polizei, Militär, Drogenkartelle, bewaffnete kriminelle Banden-BACRIM) und schließlich anhaltender Verfall und Entartung mit einer Vielfalt des menschenrechtsverachtenden Gewalteinsatzes, die von der Rekrutierung von Kindersoldaten, Entführungen und Lösegelderpressungen über politischen Mord und Unterwanderung staatlicher Instanzen bis zum internationalen Drogengeschäft und der massenhaften Vertreibung von Bürgern des Landes reichte. Eine der Schwierigkeiten für den Friedensprozess bestand daher darin, sich über die Art des Konfliktes klarzuwerden, eine Aufgabe, die die Verhandlungskommissionen der beiden Konfliktparteien nicht an den Beginn ihrer Beratungen stellten, sonst wären diese wohl kaum in Gang gekommen. Letztendlich haben die irregulären Kräfte der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) die Legitimität des kolumbianischen Staates anerkannt, eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die internationale Gemeinschaft überhaupt den Friedensverhandlungen beitreten konnte.
Eine der Schwierigkeiten für den Friedensprozess bestand darin, sich über die Art des Konfliktes klarzuwerden.
Kolumbien, das am 2. Oktober 2016 in einem Plebiszit über das Friedensabkommen zwischen der Regierung des Landes und den FARC-Rebellen entscheiden wird, hat mit der Rolle der internationalen Gemeinschaft bereits die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. In den Prozess mit der Guerrillagruppe M-19 im Jahr 1989 war die Sozialistische Internationale in einer Beobachterrolle einbezogen, in den 1990er Jahren wurde das Internationale Komitee des Roten Kreuzes mit den Problemen der Menschenrechtsverletzungen und der Befreiung politischer Gefangener betraut und in den Gesprächsannäherungen zwischen 1991 und 1993 fungierten Venezuela und Mexiko als externe Beobachter. Auch das Format der „Freundesgruppe“ fand schon Anwendung in den Gesprächen mit der ELN (Ejército de Liberación Nacional), der zweiten Guerrilla-Gruppe des Landes, bei dem Spanien, Frankreich, die Schweiz, Norwegen und Kuba aktiv waren. Auch in Deutschland wurde im Juni 1998 im bayerischen Kloster Himmelspforten ein Gesprächsversuch unternommen, der jedoch erfolglos verlief.
Als zentral für den Erfolg des gegenwärtigen Friedensprozess erwies sich seine Internationalisierung, eine Position, die in Kolumbien selbst durchaus umstritten ist (insbesondere in der Regierungszeit von Präsident Álvaro Uribe 2002-2010). Dies war nicht zuletzt die Folge der negativen Erfahrungen mit vorausgegangenen gescheiterten oder nur teilweise erfolgreichen Anläufen zu einer Friedensregelung. Am bekanntesten ist nach wie vor der „Prozess von Caguán“ und seine Friedensdiplomatie in den Jahren 1998-2002, für den der damalige Präsident Andrés Pastrana und die FARC-Rebellen eine Begleitungskommission aus 26 Ländern sowie weiteren Delegierten der UN und der EU berufen hatten, mit der Folge einer Konkurrenz innerhalb der Gruppe externer Akteure und nur sehr beschränkter „ownership“ des Prozesses bei der internationalen Gemeinschaft. Die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos hat daraus seit dem Amtsantritt im Jahr 2010 klare Konsequenzen für das konkrete Format der Internationalisierung gezogen: An den Friedensverhandlungen selbst sollte nur eine kleine Gruppe externer Staaten beteiligt werden, in der Post-Konfliktphase hingegen mit ihrer breiten Palette von Prozessen der Beobachtung und Überwachung von Demobilisierung, nationaler Versöhnung sowie der Umsetzung und Nachhaltigkeit der Friedensbeschlüsse ist eine Vielzahl von Akteuren der internationalen Gemeinschaft einbezogen. Aber auch hier setzt der Präsident auf eine starke Führungsrolle seiner Regierung mittels eines zentralen Friedensfonds, um das Auseinanderlaufen verschiedenster Projektideen zu verhindern und eine Synergie für den beginnenden Frieden zu gewährleisten.
Mit dem Auftakt zu den Friedensdialogen in Oslo im Oktober 2012, die anschließend in Havanna/Kuba fortgeführt wurden, setzte sich ein diplomatisches Kleinformat für den Friedensprozess durch, bei dem Kuba und Norwegen als Garanten, Venezuela und Chile als Begleiter der Gespräche (ohne Rederecht am Verhandlungstisch) fungierten. Entscheidend war insoweit das Rollenverständnis Kubas und Norwegens, die sich auf die Vertrauensbildung zwischen den Konfliktparteien konzentrierten. Damit waren sie auch in der Lage, zur Lösung von Krisen im Verhandlungsprozess beizutragen, als sich etwa im Jahr 2003 die FARC vom Verhandlungstisch zurückzogen oder sich militärische Operationen sowie die Entführung eines Generals belastend auf den Fortgang der Gespräche auswirkten. Beide Länder suchten keine Sichtbarkeit nach außen und konnten so ihr Handeln jenseits einer „Mission guter Dienste“ ausweiten, indem sie von den Konfliktparteien auch die Einhaltung von Absprachen einforderten und ihrer Vermittlung Nachdruck verleihen konnten. Entsprechend der Übereinkunft der Konfliktparteien vom Februar 2012 wurde jedoch die Tür für weitere Regierungen offen gehalten, die „je nach den Bedürfnissen des Prozesses“ hinzugeladen werden konnten. Die Parteien entschieden sich für Geheimverhandlungen, die nur durch gemeinsame Kommuniqués der Verhandlungsparteien über den Zwischenstand von Vereinbarungen und deren zeitliche Agenda sowie Gespräche mit Delegationen der Opferverbände der Öffentlichkeit zugänglich waren. Damit wurde – entsprechend einer Lehre aus den gescheiterten Vorläuferversuchen – vermieden, einer medialen Inszenierung Platz zu geben und einer Überlastung des eigentlichen Verhandlungsprozesses durch innenpolitische Auseinandersetzungen Vorschub zu leisten. Die Verhandlungen in Havanna erhielten damit einen „Enklavencharakter“, der eine fortwährende Bewegung der Verhandlungskommissionen und ihrer Mitglieder bedeutete, aber zugleich eine Kontinuität von Gesprächen ermöglichte, die nur wenige Male von Unterbrechungen gekennzeichnet war. Hier spielte dann das zurückhaltende und ohne falschen Protagonismus auskommende Handeln der Garantie- und Begleitungsnationen eine wichtige Rolle, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu schaffen. Die kolumbianische Regierung verfolgte insoweit eine erfolgreiche Strategie der Minimierung der Zahl von konfliktexternen Teilnehmern aus der internationalen Gemeinschaft, um deren innere Auseinandersetzungen und Konkurrenzverhältnisse einzuschränken. Insofern war auch die Benennung von Bernard Aronson als Sondergesandtem von US-Präsident Barack Obama für die Friedensgespräche im Februar 2015 ein deutliches Signal der Verhandlungsparteien, den Kreis der vertretenen Staaten auf der Zielgeraden zur Einigung zu erweitern, ohne dass Aronson jedoch direkt einen Platz am Verhandlungstisch erhalten hätte. Die im Oktober 2015 erfolgte Nominierung eines Sonderbeauftragten der EU für den Frieden in Kolumbien wurde von der Regierung in Bogotá deutlich reservierter aufgenommen und seine Tätigkeit als essentiell für die Post-Konfliktphase erklärt.
Die kolumbianische Regierung verfolgte eine erfolgreiche Strategie der Minimierung der Zahl von konfliktexternen Teilnehmern aus der internationalen Gemeinschaft, um deren innere Auseinandersetzungen und Konkurrenzverhältnisse einzuschränken.
Der Friedensprozess in Havanna hat die Rolle der externen Akteure in drei zentralen Funktionen für die verschiedenen Phasen des Friedensprozesses bestimmt:
1. Sie übernahmen die Rolle als Moderator und Vermittler während der Friedensgespräche,
2. dabei begleiteten und legitimierten sie den Friedensprozess insgesamt und
3. übernehmen nun die Aufgabe der Überwachung oder gemeinsamen Umsetzung in der Implementierung des Schlussabkommens.
Die entscheidende Nagelprobe für die internationale Gemeinschaft wird dabei die Beteiligung an der Entwaffnung und Reintegration der Kämpfer der FARC sein, ein Prozess der tief in die weiterhin skeptische kolumbianische Gesellschaft hineinreichen wird und die zentrale Frage der justiziellen Aufarbeitung begangener Verbrechen durch die Kämpfer der FARC aber auch die Sicherheitskräfte des Landes beinhaltet. Hier steht erneut die Akzeptanz des Friedensprozesses auf der Tagesordnung, wobei der von den UN beschlossenen politischen Mission eine zentrale Koordinationsrolle im Benehmen mit den kolumbianischen Regierungsinstanzen zukommen wird. Schließlich bemühen sich Brasilien und Ecuador auch weiterhin um den Dialog mit der kleineren Guerilla-Gruppe ELN, der bislang noch nicht in eine öffentliche Phase getreten ist. Auch hier wird erneut die Besonderheit des kolumbianischen Friedensprozesses erkennbar, der an ein sequenzielles Vorgehen gebunden ist, da die verschiedenen Gewaltakteure sich nicht in einer großen nationalen Friedenskonferenz zusammenführen lassen. Die Friedensdiplomatie bleibt damit an das Muster von Teilfrieden auf dem Weg zum „vollständigen Frieden“ gebunden, was besondere Ansprüche an die Rolle der internationalen Akteure und die Bereitschaft der kolumbianischen Gesellschaft zu gemeinschaftlichem Handeln stellt.