Nordkorea macht seit Anfang des Jahres wieder Schlagzeilen: vom Atomtest Anfang Januar, über den <link kurzinterview artikel nordkorea-ernst-nehmen-1264>Raketentest Anfang Februar bis zur Androhung eines präemptiven Nuklearschlags gegen die USA und Südkorea. Letzteres ist eine Reaktion auf massive Truppenmanöver der beiden Staaten und auf neue, schärfere Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat am 2. März 2016 verabschiedet hat. Was ist so bedrohlich an den neuen Sanktionen, dass sie derartige Reaktionen Pjöngjangs hervorrufen?
Mit den Sanktionen verfolgt der UN-Sicherheitsrat mindestens zwei Ziele: Das Hauptziel ist, das Nuklearwaffenprogramm Nordkoreas aufzuhalten. Das gilt sowohl für die Entwicklung der Atomsprengköpfe als auch der Trägersysteme, vor allem ballistischer Raketen mit großer Reichweite. Vom Atomwaffenprogramm wird sich die Regierung Nordkoreas vermutlich auch nicht durch die neuerlichen verschärften Sanktionen abhalten lassen. Im Gegenteil: In der Vergangenheit führten die Sanktionen zu Trotzreaktionen in Pjöngjang und verstärkten eher die Bemühungen zum Ausbau des Atomprogramms. Zweitens bezweckt der Sicherheitsrat, den Druck auf die nordkoreanische Regierung zu erhöhen, um sie an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Bei diesen Verhandlungen hat sich Nordkorea in der Vergangenheit als sehr wankelmütig gezeigt: mal Bereitschaft zu Gesprächen, öfter aber schroffe Ablehnung.
Ein drittes, in der Resolution nicht explizit erwähntes Ziel, ist eine diplomatische Bestrafung der nordkoreanischen Regierung. Diese klare und eindeutige internationale Reaktion, Nordkorea wegen seines ständigen und wiederholten Verstoßes gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu verurteilen, ist mit der neuen Resolution 2270 vom 2. März erreicht worden. Bemerkenswert ist, dass diese Resolution nicht nur einstimmig verabschiedet wurde, sondern dass die USA und China sie gemeinsam eingebracht haben. Denn China hat in der Vergangenheit oft schärfere Sanktionen verhindert und seine schützende Hand über das Regime in Pjöngjang gehalten.
Welcher Art sind die neuen Sanktionen?
Alle Länder sind verpflichtet, auf ihrem Territorium Ein- und Ausfuhren Nordkoreas zu kontrollieren. Dies war bisher nur der Fall, wenn der Verdacht auf relevante Lieferungen für das Waffenprogramm bestand. Nordkorea wird abgeschnitten vom Import von Flug- und Raketentreibstoff; sämtlicher Waffenhandel ist verboten, ebenso Rohstoffgeschäfte gegen Devisen, außer für humanitäre Zwecke. Nordkoreanische Diplomaten werden ausgewiesen, wenn sie Sanktionen verletzen.
Der Sicherheitsrat greift hier auf sein Sanktions-Instrumentarium zurück, das bereits in vielen anderen Fällen (wie Irak, Iran, Libyen) angewendet wurde, verschärft es aber deutlich. Der Rat nimmt mehrfach Bezug auf seine Resolution 1718 aus dem Jahr 2006 und bestätigt, dass er Nordkoreas Nuklear- und Raketentests als Bedrohung für den Frieden ansieht. Jetzt geht es um eine Verschärfung der Maßnahmen aus dem Jahr 2006 und deren strikte Anwendung. Seitenlang listet Resolution 2270 Maßnahmen auf, die alle UN-Mitgliedstaaten befolgen sollen. Dabei geht es erstens um schwarze Listen: Reiseverbote und das Einfrieren des Vermögens von Personen aus der nordkoreanischen Elite: aus Ministerien, Diplomaten sowie Direktoren von Forschungseinrichtungen und Finanzinstitutionen. Zweitens das Einfrieren von Vermögen nordkoreanischer Organisationen wie Handels- und Schifffahrtsgesellschaften, Banken, das Ministerium für Atomenergie, die Munitionsindustrie, die Entwicklungsgesellschaft für Luftfahrt und wirtschaftliche Planungskomitees, sofern sie im Atomrüstungs- oder Raketenprogramm involviert sind. Drittens werden im Anhang der Resolution 31 nordkoreanische Schiffe mit Namen und internationaler Registrierungsnummer genannt, um jeglichen Handel zu unterbinden, der für das nordkoreanische Waffenprogramm nützlich sein könnte. Viertens wird der Handel mit Luxusgütern sanktioniert.
Im Februar 2016 hat ein UN-Ausschuss festgestellt, dass Nordkorea die seit 2006 bestehenden Sanktionen geschickt umgeht. Das bedeutet, dass einige UN-Mitgliedstaaten sich offensichtlich nicht an die Verbote halten. Warum ist das so und ist es dann sinnvoll, zusätzliche, schärfere Sanktionen zu verabschieden?
Zweifelsohne haben schon die bisherigen Sanktionen Nordkoreas wirtschaftliche Entwicklung behindert, nicht aber das Atomprogramm aufgehalten. Aber weil die nordkoreanische Regierung selbst die Isolation gewählt und auf Autarkie gesetzt hat, waren die Außenhandelsbeziehungen vergleichsweise gering. Daher konnten die Sanktionen von außen so wenig bewirken. Entscheidend ist aber, dass einige Länder, allen voran China und Russland, eine andere Strategie verfolgten als beispielsweise die USA, Südkorea, Japan oder auch die EU. Während die westliche Staatengruppe auf Sanktionen und Isolierung Nordkoreas setzte (und auch auf einen Zusammenbruch des Kim-Regimes hoffte), verfolgten Peking und Moskau eine Strategie der Einbindung. Immer wieder ermunterte die chinesische Regierung Nordkorea zu wirtschaftlichen Reformen, chinesische Firmen investierten kräftig und Russland baute an der russisch-nordkoreanischen Grenze die Infrastruktur aus, um erweiterten Handel zu ermöglichen.
Resolution 2270 ist in ihrer Reichweite und Quantität der Sanktionen ohne Beispiel.
Resolution 2270 vom 2. März 2016 ist in ihrer Reichweite und Quantität der Sanktionen ohne Beispiel. Noch nie wurden derart scharfe Sanktionen beschlossen. Nach wie vor sind China und Russland bei Sanktionen generell, nicht nur gegenüber Nordkorea, zögerlich. Aber sie unterstützen diese Resolution. Signalisiert dies ein Umdenken in China? Ist die Geduld in Peking mit dem unkalkulierbaren Nachbarn in Pjöngjang zu Ende? Die chinesische Regierung ist wegen der nordkoreanischen Atomrüstung und des Raketenprogramms ebenso besorgt wie die amerikanische und will, dass diese Waffen abgerüstet werden.
Für die Wirksamkeit von Sanktionen ist deren Durchsetzung entscheidend. Damit hat China bislang nie wirklich Ernst gemacht, sondern es eher bei Mahnungen an die Adresse der nordkoreanischen Regierung belassen. Jetzt gibt es Meldungen aus Südkorea, dass chinesische Firmen und Banken, bereits Finanz- und Rohstofftransfers gestoppt haben. Wenn Nordkoreas Haupthandelspartner China seine Handelsbeziehungen im Geiste und nach dem Buchstaben von Resolution 2270 verändert, könnten die Sanktionen erstmals nachhaltig wirken.
Wie wahrscheinlich ist, das Pjöngjang auch dieses Mal die Sanktionen umgeht?
Nordkorea hat sich in den vergangenen zehn Jahren als Meister des Ausnutzens von Schlupflöchern erwiesen. Wer einmal von Peking nach Pjöngjang geflogen ist oder die lange Fahrt mit der Eisenbahn unternommen hat, konnte sich ein Bild vom florierenden Handel zwischen China und Nordkorea machen – trotz bestehender Sanktionen. Die Resolution vom 2. März 2016 hat das Potenzial, Schlupflöcher zu stopfen. Der Schlüssel für die Wirksamkeit der UN-Sanktionen liegt nicht in den Händen Pjöngjangs, sondern in Pekings.
China scheint mit den schärferen Sanktionen die Hoffnung auf die Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche zu hegen. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Jetzt ist erst einmal Säbelrasseln angesagt. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur schimpft auf die „gangsterartige Aggression der US-Imperialisten und seiner Anhänger“ und meint damit die UN-Sanktionen. Präsident Kim Jong-un weist das Militär an, die Atomwaffen in Gefechtsbereitschaft zu bringen, während die USA und Südkorea die jährlich stattfindenden großen Militärmanöver vorbereiten. Verhandlungsbereitschaft sieht anders aus. Doch die Sechser-Gespräche (zwischen China, Japan, Nordkorea, Russland, Südkorea und den USA), die seit 2005 mehrere Runden mit Rüstungskontrollvereinbarungen und darauf folgenden Rückschlägen erlebt haben, wurden immer in einer Atmosphäre gegenseitiger Beschuldigungen und nordkoreanischer Provokationen begonnen.
Wenn die Sanktionen von allen Staaten, einschließlich Chinas, konsequent umgesetzt werden, Nordkorea bei entsprechender Kooperation auf dem Rüstungssektor Wirtschaftshilfe in Aussicht gestellt wird und wenn alle Beteiligten auf Vorbedingungen verzichten, bestehen durchaus Hoffnungen für eine neue Verhandlungsrunde. Diese Verhandlungen werden jedoch schwierig, denn die nordkoreanische Regierung betrachtet ihr Atomwaffenarsenal als Lebensversicherung gegen Aggressionen von außen.
Die Fragen stellte Anja Papenfuß.
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