Die Welt erlebt turbulente Veränderungen – und diese Veränderungen betreffen alle Regionen und Länder. Extreme Wetterbedingungen sind zu einer alltäglichen Tatsache geworden. Nördlich von Südafrika hat der Kariba-Damm, der größte von Menschenhand geschaffene Stausee der Welt, der Simbabwe und Sambia mit Wasserkraft versorgt, aufgrund der anhaltenden Dürre einen historischen Tiefststand erreicht. Kürzlich mussten Hauptverkehrsstraßen ins südafrikanische Durban wegen starken Schneefalls gesperrt werden – ja, tatsächlich: Schnee in Afrika!
Nicht zuletzt haben politische Entwicklungen große Tragweite: Im Mai dieses Jahres verlor die Partei der südafrikanischen Befreiungsbewegung, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), zum ersten Mal in 30 Jahren Demokratie die absolute Mehrheit. Der ANC erhielt nur 40 Prozent der Stimmen und entschied sich daher, eine sogenannte „Regierung der nationalen Einheit“ mit neun anderen Parteien zu bilden. Im Nachbarstaat wurde die Botswana Democratic Party, die das Land seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1966 regiert hatte, bei den Wahlen vernichtend geschlagen und hat jetzt nur noch vier Sitze im Parlament.
Im Bereich Gesundheit hat Afrika die Coronavirus-Pandemie trotz der Apartheid bei Impfstoffen und Hilfsgütern relativ gut überstanden. Hauptgrund dafür sind die sogenannten Zentren für die Eindämmung von Krankheiten (African Centers of Disease Control), die nach der Ebola-Pandemie 2014/15 in Teilen Westafrikas eingerichtet wurden. Allerdings sind die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie nach wie vor spürbar. So gab es 2020 große Rückschläge bei den bisherigen Fortschritten des Kontinents mit Blick auf die Ziele in der Agenda 2023 der Afrikanischen Union sowie bei den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, unter anderem in Bezug auf Armut, Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen sowie Hunger. Das afrikanische Bemühen, die Entwicklungsziele zu erreichen, wird darüber hinaus durch den Klimawandel, Instabilität und anhaltende globale Lieferengpässe infolge der Kriege in der Ukraine und gegen Palästina beeinträchtigt.
Angesichts der historischen Beziehungen zwischen Afrika und Europa beobachten wir die Entwicklungen bei unseren Nachbarn im Norden mit großem Interesse. Dazu gehören die Anzeichen für ein willkommenes, aber auch fragiles Wachstum, der Aufstieg rechtsradikaler Parteien, Veränderungen in der Migrationspolitik und natürlich der Krieg in der Ukraine. Europa gehört nach wie vor zu den größten Handelspartnern Afrikas, obwohl Letzteres seinen Handel diversifiziert und insbesondere mit Asien und Südamerika engere Beziehungen aufbaut. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Kontinent mithilfe der Afrikanischen Union Partnerschaften auf der ganzen Welt aufgebaut. Dies spiegelt sich nun allmählich in diversifiziertem Handel und Investitionen wider.
Das Inkrafttreten der afrikanischen Freihandelszone AfCFTA ist eine weitere richtungsweisende Entwicklung. Obwohl sie noch in den Kinderschuhen steckt, sehen wir bereits erste Auswirkungen dieser Initiative hin zu einem gemeinsamen Markt in unserem Teil der Welt.
Die westliche Dominanz der Welt ist zum ersten Mal seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr selbstverständlich.
Angesichts der Entwicklungen in den USA war die erneute Wahl von Donald Trump zum Präsidenten für die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner keine Überraschung. Zu den Herausforderungen für die USA gehören nicht nur innenpolitische Probleme wie ein unruhiges und stark polarisiertes politisches Umfeld (obwohl man angesichts der Geschichte der USA seit der Sklaverei argumentieren könnte, dass dies schon immer der Fall war), eine marode Infrastruktur und die Tatsache, dass die USA nach wie vor eines der ungleichsten Länder in der OECD sind. Noch wichtiger ist, dass die westliche Dominanz der Welt zum ersten Mal seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr selbstverständlich ist. Wir bewegen uns auf eine multipolare Welt zu.
Es ist noch nicht klar, was eine zweite Amtszeit von Präsident Trump als Anführer des Westens für uns alle bedeuten wird. Seine Wahl und seine bisherigen Minister-Ernennungen zementieren aber einen allgemeinen Trend nach rechts. Trumps erste Äußerungen als designierter Präsident reichten von der (erneuten) Forderung nach Massenabschiebung von Immigranten, über die (erneute) Weigerung, den eigenen Verpflichtungen zum globalen Klimaschutz nachzukommen, sowie über die (erneute) Verschärfung des Handelskrieges mit China in Form höherer Einfuhrzölle, bis hin zur Festlegung, welche Kriege schnellstmöglich beendet (Ukraine) und welche fortgesetzt (Palästina) werden sollen. Seine Innenpolitik könnte derweil auf eine Umgestaltung der US-Regierungsführung hindeuten, wie es sie seit Roosevelt oder Reagan nicht mehr zu beobachten gab.
Die USA sind nach wie vor die größte wirtschaftliche, militärische und politische Macht der Welt. Wenn es Amerika schlecht geht, spürt das die ganze Welt. Zunächst einmal wird dies erhebliche Auswirkungen auf die Klimaverhandlungen haben, wie sie derzeit in Baku auf der COP29 stattfinden. Das diesjährige Treffen wurde als „Finanz-COP“ bezeichnet – dies ist ein aktuelles und besonders kritisches Thema für Afrika. Wir müssen die Welt immer wieder daran erinnern: Afrika trägt weniger als vier Prozent zu den globalen Emissionen bei, ist aber überproportional vom Klimawandel betroffen. Der Kontinent erlebt Ernährungsunsicherheit, Flucht und schwindende Wasservorräte. Mehr als 90 Prozent der afrikanischen Länder haben das Pariser Abkommen daher ratifiziert, und die meisten Staaten haben Klimaschutz und Klimaanpassung in ihre nationalen Entwicklungspläne aufgenommen. Eine Weigerung der USA, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen – in Kombination mit einem zaudernden und zögernden Europa –, wird für unseren Kontinent verheerende Folgen haben. Für afrikanische Staaten sind die Beziehungen zu den USA in dieser Angelegenheit deshalb weiterhin von entscheidender Bedeutung.
Vermutlich noch besorgniserregender sind die eskalierenden Konflikte mit China, sei es im Bereich Handel und geistiges Eigentum oder bei sicherheitspolitischen Fragen in der indopazifischen Region, im Südchinesischen Meer und beim Thema Taiwan. Jedes Einzelne dieser Probleme hat das Potenzial, zu noch mehr globalen Konflikten und Instabilität zu führen – und im Zuge dessen die Aussicht, dass sich jedes Land dann für eine Seite entscheiden muss.
Südafrika setzt sich seit Beginn seiner Demokratie im Jahr 1994 unermüdlich für den Multilateralismus ein.
Südafrika setzt sich seit Beginn seiner Demokratie im Jahr 1994 unermüdlich für den Multilateralismus ein. Dies geschieht unter anderem durch Kooperation mit den Ländern des Nordens – in den Vereinten Nationen und ihren Organisationen, in Institutionen wie der G20 und durch bilaterale Beziehungen. Südafrika ist auch eine führende Stimme der Länder des sogenannten Globalen Südens, in der Afrikanischen Union, den G77 und BRICS+. Es versucht, eine gerechtere und ausgewogenere Weltordnung zu schaffen. Aufgrund seiner eigenen Erfahrung mit der friedlichen Beilegung jahrhundertelanger Konflikte setzt sich Südafrika weiterhin für friedliche und gerechte Konfliktlösungen ein; daher auch seine Position zur Beendigung des Völkermords in Palästina und für eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ukraine. Im November hat Südafrika den G20-Vorsitz von Brasilien übernommen und wird in den kommenden zwei Jahren mit der G20-Troika zusammenarbeiten, zu der auch die US-Regierung gehört, welche den Vorsitz im Jahr 2026 innehaben wird. Dies wird in der Tat eine Gelegenheit für ein enges Engagement mit der Trump-Administration bei wichtigen globalen Themen sein.
Die Großmächte dieser Welt – neue wie alte – sollten daran erinnert werden, dass im kommenden Jahr 70 Jahre seit der Bandung-Konferenz von 1955 vergangen sein werden. Diese Konferenz war ein wichtiger Schritt zur Bildung der späteren Bewegung der Blockfreien Staaten. Da viele Länder zu dieser Zeit noch nicht frei waren, waren „politische Selbstbestimmung, gegenseitige Achtung der Souveränität, Gewaltverzicht, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und Gleichheit“ die Leitprinzipien, die die Teilnehmer einten. Sie waren entschlossen, sich nicht in eine Situation drängen zu lassen, in der sie sich zwischen der einen oder der anderen Supermacht entscheiden müssten. Der internationale Kontext mag sich geändert haben, und wir sprechen heute vor allem auch über wirtschaftliche Selbstbestimmung. Aber der Wunsch, nicht in die Konflikte der Großmächte hineingezogen zu werden, bleibt bestehen.
Im Jahr 2025 feiert Südafrika darüber hinaus das 70-jährige Jubiläum eines historischen Dokuments, seiner Freedom Charter, die unsere Maxime für internationale Beziehungen festlegt, nämlich: „Es soll Frieden und Freundschaft herrschen.“ Das ist ein klares Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit. Für uns bleibt dieses Bestreben das maßgebliche Leitprinzip – ganz gleich, wer im Weißen Haus sitzt.
Aus dem Englischen von Tim Steins