Südsudan
An Hoffnung mangelte es in der südsudanesischen Hauptstadt Juba nicht in den Tagen des Papstbesuchs. Aber es ist eine aus Verzweiflung geborene Hoffnung. Zuversicht, dass der Papstbesuch zu einem nachhaltigen Sinneswandel unter den politischen und militärischen Eliten führen könnte, ist dagegen nicht zu spüren.
Vor knapp vier Jahren küsste der Papst in Rom den politischen Führern des Landes buchstäblich die Füße – eine an Symbolkraft kaum zu übertreffende Geste der Demut, die darauf abzielte, ebenjene unter für die Geschicke des Landes verantwortlich Zeichnenden hervorzurufen. Trotzdem ist Frieden für die meisten Menschen im jüngsten Staat der Welt heute noch weniger greifbar als damals. Der Erzbischof von Canterbury, Teil des ökumenischen Dreigespanns von Kirchenoberhäuptern auf Friedenspilgerschaft, sprach vielen Südsudanesen aus dem Herzen, als er zu den politischen Führern sprach: „Wir erhofften und beteten für mehr. Wir erwarteten mehr. Ihr habt mehr versprochen.“
In der Hauptstadt Juba hält seit 2018 ein fragiler Elitenfrieden, vor allem deshalb, weil der Status quo für die Vertragsparteien in der Übergangsregierung ein nicht allzu schlechter Deal ist. Viereinhalb Jahre nach dem Abschluss eines Friedensabkommens ist dieses immer noch unvollständig und äußerst schleppend durchgeführt. Vergangenen August verlängerten die Vertragsparteien die Übergangsperiode um weitere zwei Jahre. Für die Menschen außerhalb der Hauptstadt ist von Frieden dagegen kaum etwas zu spüren. Heute hungern im Südsudan mehr Menschen als jemals zuvor. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. In vielen Landesteilen verlieren Menschen täglich Leben, Heim und Besitz in lokalen Konflikten, die von politischen Eliten vernachlässigt und in einigen Fällen sogar angefacht werden.
Hinzu kommen die verheerenden Jahrhundertfluten im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die hunderttausende Menschen ihren Lebensunterhalt und ihre Heimat kosteten. Die nächsten Fluten kündigen sich bereits an. Grausame Gewaltakte sähen neuen Hass, führen zu neuen Vergeltungsschlägen und lassen Frieden in immer weitere Ferne rücken. Am Vorabend des Papstbesuchs starben in Kajo Keji mindestens 27 Menschen – sechs davon bei einem bewaffneten Angriff auf ein Viehlager, mindestens 21 weitere, darunter angeblich eine schwangere Frau und mehrere Kinder, bei einem Vergeltungsschlag gegen örtliche Zivilisten.
Die Kirche hat im Südsudan historisch eine einende Rolle gespielt, doch auch an ihr sind die Kämpfe zwischen verschiedenen Lagern nicht spurlos vorübergegangen.
So prägen die enttäuschten Hoffnungen des Fußkusses denn auch die Erwartungen an das, was der Besuch zu erreichen vermag. Mehrere bewaffnete Gruppen, die nicht Teil des Friedensvertrags von 2018 sind, bekämpfen weiter die Regierung. Die Übergangsregierung hatte im November 2022 die von der christlichen Laienbewegung Sankt Egidio in Rom vermittelten Friedensgespräche suspendiert. Der Präsident verkündete zwar in seiner Ansprache während des Papstbesuchs die Wiederaufnahme der Gespräche. Ob davon angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen viel zu erwarten ist, darf bezweifelt werden.
Die öffentliche Diskussion in der Hauptstadt dreht sich dann auch weniger um die Aussicht, dass der Papst Frieden bringen könnte, als über die kosmetischen Anstrengungen der Regierung, dem Gast ein aufgeräumtes, adrettes Juba vorzuführen. Straßen, die auf der Wegstrecke des Papstes lagen, wurden in Windeseile geteert, manche wurden in der staubigen Februarhitze gar gewaschen, eine sogar nach ihm benannt. Anstrengungen, die sich viele Südsudanesen von ihrer Regierung auch für die eigene Bevölkerung wünschen. So beweist doch der Papstbesuch: Wenn sie will, kann sie. Junge Südsudanesen auf Twitter reagieren denn auch mit Zynismus: Der Papst solle doch jeden Ort im Land besuchen, dann würde sich die Infrastruktur endlich verbessern.
Wenn man auf etwas hoffen darf, dann darauf, dass die Kirchen im eigenen Land etwas Kraft geschöpft haben und mit Rückhalt aus dem Vatikan, der anglikanischen und presbyterianischen Kirche in Zukunft aktiver und gegenüber der politischen Führung mit mehr Nachdruck einstehen für den Frieden, für eine vollständige Umsetzung des Friedensvertrags und für ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung. Die Kirche hat im Südsudan historisch eine einende Rolle gespielt, doch auch an ihr sind die Kämpfe zwischen verschiedenen Lagern nicht spurlos vorübergegangen. Wenn die Kirchen ihre Rolle als Kraft des Friedens und der Einheit im Südsudan mit neuer Entschlossenheit füllen können, insbesondere mit Blick auf die soeben begonnene Verfassungsschreibung sowie die für Dezember 2024 angesetzten Wahlen, dann wäre für alle Südsudanesen etwas gewonnen aus diesem Besuch.
Anna Reuß, FES Südsudan
Demokratische Republik Kongo
Es sind beeindruckende Bilder, die der Papst bei seinem Besuch in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) hervorrief: Mehr als eine Million Menschen nahmen an einem Gottesdienst in der Hauptstadt Kinshasa teil, bei dem Franziskus zum Ende der Gewalt auf dem afrikanischen Kontinent aufrief.
Der Einfluss der katholischen Kirche in der DRK ist groß. Ihr gehören circa 60 Prozent der Bevölkerung an, von denen viele nicht nur Mitglied sind, sondern ihren Glauben aktiv in der Gemeinschaft praktizieren. Der Kirchgang ist gesellschaftliches Ereignis, auch in der Metropole Kinshasa. Gleichzeitig ersetzt die Kirche an vielen Stellen den Staat in den Bereichen Erziehung und Gesundheit. Viele Schulen und Krankenhäuser werden unter kirchlicher Regie geführt.
Auch ist die katholische Kirche ein tonangebender Akteur im Demokratisierungsprozess. Der Weg zur Transition – sei es zur Zeit der De-Kolonialisierung, zum Ende der Ära des Diktators Sese Seko Mobutu oder jüngst beim Übergang vom Regime von Joseph Kabila zur aktuellen Regierung – wurde häufig von der Kirche angeführt, die mit gewaltfreiem Widerstand autokratischen Tendenzen entgegenwirkte, sich für die Wahrung der Verfassung einsetzte und Mitbestimmung durch Wahlen einforderte.
Während die katholische Kirche unter Kabila die Wahlkommission und somit die Registrierung der Wählerinnen und Wähler unter ihren Fittichen hatte, kommt ihr im Wahljahr 2023, wie bereits bei den vorherigen Wahlen, die Aufgabe der Wahlbeobachtung zu. Das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Wahlergebnisse war bereits 2019 schwer erschüttert worden, da die von der Wahlkommission veröffentlichten Zahlen nicht mit den Erhebungen der katholischen Kirche übereingestimmt hatten.
Der allgemeinen medialen Wirkung des Papstbesuchs bewusst, gab es zahlreiche Versuche durch die aktuelle Regierung von Félix Tshisekedi, das Ereignis zu vereinnahmen. Auch wenn der Präsident selbst einer protestantischen Kirche angehört, wurde immer wieder betont, dass der Papst auf seine Einladung hin gekommen sei.
Für die von Armut und Konflikten gezeichnete Bevölkerung war der Papstbesuch ein Zeichen der Hoffnung.
Für die von Armut und Konflikten gezeichnete Bevölkerung war der Papstbesuch ein Zeichen der Hoffnung. Franziskus schenkte den Opfern unsäglicher Gewalt in den östlichen Regionen des Landes Gehör, ermahnte die internationale Gemeinschaft, die ausbeuterische Rohstoffwirtschaft gerechter zu gestalten, und appellierte an die Konfliktparteien, den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Im Hinblick auf die grausame Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen in der DRK maß er dem religiösen Aspekt der Vergebung hier einen großen Stellenwert bei. Damit steht der Papst im Widerspruch zur aktuellen politischen Stimmung in der DRK, welche die Vertreibung von Aggressoren mit militärischen Mitteln befürwortet.
Gleichzeitig sprach Franziskus den Menschen aus der Seele, als er die Ignoranz der westlichen Welt gegenüber dem Elend in der DRK anprangerte. Für die Kongolesen ist es unerträglich zu sehen, wie die internationale Solidarität sich auf die Ukraine konzentriert und andere Kriege außer Acht lässt. Aufgrund zunehmenden Missmuts gegenüber der nicht sehr effizienten UN-Blauhelmmission orientiert sich die kongolesische Regierung daher jüngst auch immer mehr hin zu Russland, China oder zur Türkei, die sich gleichzeitig wirtschaftlich stärker im Land engagieren.
Bezugnehmend auf die Diskrepanz zwischen Rohstoffreichtum einerseits und Armut und Unterwicklung andererseits, sprach Franziskus von einem neuen wirtschaftlichen Kolonialismus, der Mensch und Natur nicht respektiert. Der Papst betonte immer wieder den Wert jedes Menschen, der höher zu bemessen sei als Gold oder Diamanten.
Gegenüber der Regierung fand Franziskus auch strengere Töne: So prangerte er bei der Versammlung Jugendlicher im Stadion der Märtyrer die Korruption und daraus entstehende Ungerechtigkeit an. Einige Studenten stimmten daraufhin ein gegen den Präsidenten gerichtetes Lied in der Landessprache Lingala an, in dem „diebische“ Politiker thematisiert werden. Sie wurden im Anschluss an die Messe von Mitarbeitern des Geheimdienstes für 34 Stunden in Gewahrsam genommen, zusammen mit einem Priester, der die Verhaftung vereiteln wollte.
Für die Jugendlichen und Gewaltopfer im Land fand der Papst vor allem Worte der Zuversicht. Durch seine Aufmerksamkeit und sein Mitgefühl wurden sie in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und ermutigt, den Glauben an eine bessere Zukunft nicht zu verlieren. Statt angesichts der schlechten Lebensbedingungen in Lethargie zu fallen, gelte es sich für eine positive Entwicklung einzusetzen. Die Möglichkeit, öffentlich Zeugnis von den erlebten Gräueltaten ablegen zu können, trägt zur Traumabewältigung der vom Krieg gebeutelten Bevölkerung bei.
Der Papstbesuch hat so, wenn auch nur für einen Augenblick, eine globale Aufmerksamkeit für die Missstände in der DRK geschaffen.
Manuel Wollschläger, FES Demokratische Republik Kongo