Trotz ihrer geringen Größe bilden die zwölf unabhängigen pazifischen Inselstaaten – Fidschi, Kiribati, die Marshall-Inseln, Nauru, Palau, Papua-Neuguinea, die Salomonen, Samoa, Tonga, Tuvalu, Vanuatu und die Föderierten Staaten von Mikronesien – bei Abstimmungen innerhalb der Vereinten Nationen einen bedeutenden Block. In den für sie wichtigen internationalen Klimaverhandlungen, in denen sie als moralisches Gewissen gelten, sind mit den Cook-Inseln und Niue sogar zwei weitere pazifische Staaten dabei.

Ohne ihre Bemühungen als treibende Kraft in den Verhandlungen gäbe es etwa das Pariser Klimaabkommen in seiner heutigen Form nicht, insbesondere das Ziel zur Begrenzung des durchschnittlichen Temperaturanstiegs auf möglichst 1,5°C. Vor allem auf Initiative Fidschis hin sind die pazifischen Staaten in den zurückliegenden Jahren aber auch jenseits der Klimapolitik immer selbstbewusster aufgetreten, zuletzt etwa bei den Verhandlungen zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag.

Doch dies könnte vorerst der Vergangenheit angehören. In den vergangenen Wochen ist so viel Vertrauen zwischen den Staaten der Region und insbesondere in ihren internationalen Anführer Fidschi verlorengegangen, dass ohne eine Lösung der Streitigkeiten eine weitere Zusammenarbeit kaum noch vorstellbar ist. So haben Anfang Februar die fünf im nördlicheren Pazifik liegenden mikronesischen Staaten Kiribati, Nauru, die Marshall-Inseln, Palau und die Föderierten Staaten von Mikronesien die wichtigste Regionalorganisation, das Pacific Islands Forum (PIF), verlassen. Palau hat sogar seine Botschaft aus Fidschi abgezogen. Auch die im Forum verbleibenden Staaten sind so tief gespalten wie selten zuvor, wie der eskalierende Streit über weitere gemeinsame Institutionen zeigt.

Die Krise der Zusammenarbeit in Ozeanien hat komplexe innerregionale Ursachen, die weit hinausgehen über den Auslöser der aktuellen Eskalation, die Wahl des früheren Premierministers der Cook-Inseln, Henry Puna, zum Generalsekretär des Forums. Deshalb führt die Suche nach einer einzigen Ursache für die derzeitige Krise ins Leere. Die Wahrheit ist: Die Konfliktlinien verlaufen mehrdimensional durch die Region, etwa zwischen den Subregionen Melanesien, Mikronesien und Polynesien, zwischen den Inselstaaten einerseits sowie den ebenfalls dem Forum angehörenden Staaten Australien und Neuseeland andererseits und zwischen Fidschi und Samoa, die beide eine regionale Führungsrolle für sich beanspruchen.

Mehr noch als in anderen Weltregionen ist in Ozeanien ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Staats- und Regierungschefs von fundamentaler Bedeutung.

Die Spaltung ist tragisch, weil die Inselstaaten eigentlich weiterhin bei den für sie wichtigsten Themen Klimawandel und nachhaltige Entwicklung ähnliche Positionen vertreten. Doch mehr noch als in anderen Weltregionen ist in Ozeanien ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Staats- und Regierungschefs von fundamentaler Bedeutung. Deshalb ist der Zeitpunkt der Eskalation kein Zufall: Weltweit berichten Diplomatinnen und Diplomaten über die Herausforderungen von Covid-19 für ihre Arbeit. Auch wenn die Pandemie in Ozeanien weniger stark gewütet hat als anderswo, sind auch dort seit Monaten keine physischen Treffen möglich.

Die regionale Zusammenarbeit fußt aber auf hochrangigen Zusammenkünften („Retreats“) mit direkter Kommunikation der Staats- und Regierungschefs. Das mag nicht immer transparent gewesen sein, aber doch effektiv, um die Staaten der Region zusammenzuhalten. Ohne dieses herbeigeführte Gemeinschaftsgefühl ist die regionale Einheit nun ein Opfer der Pandemie geworden. Die pazifischen Staaten sind derzeit genauso wenig friedlich wie der für ihre Region namensgebende Ozean.

Die jetzige Spaltung dürfte Ozeanien noch mehr als zuvor zu einem Spielball der Interessen mächtiger Staaten machen und den Streit um Einfluss zwischen den USA und China weiter anheizen. Sie haben die strategische Bedeutung der Inselregion erkannt, die fast ein Drittel der Erdoberfläche bedeckt und eine „Pufferzone“ zwischen Asien und Amerika bildet. Auch die großen Meereszonen der Inselstaaten werden aufgrund der dort lagernden Ressourcen immer wichtiger.

Australien und Neuseeland haben ihre Rolle als regionale Hegemonialstaaten längt eingebüßt – mit dazu beigetragen hat die Frustration der Inselstaaten über mangelnde Unterstützung beim Klimawandel und die finanzielle Dominanz beider Staaten in regionalen Institutionen. Dies hat die Ambitionen Chinas verstärkt, seinen Einfluss auszubauen: Von den ehemals zahlreichen Inselstaaten, die Taiwan anerkannten, sind mittlerweile nur noch die Marshall-Inseln, Nauru und Palau sowie Tuvalu übriggeblieben. Mit Fidschi, Papua-Neuguinea, Tonga und Vanuatu unterhält China eine enge militärische Zusammenarbeit; immer wieder gibt es Berichte über Pläne für den Bau chinesischer Marinestützpunkte.

Die jetzige Spaltung dürfte Ozeanien noch mehr als zuvor zu einem Spielball der Interessen mächtiger Staaten machen und den Streit um Einfluss zwischen den USA und China weiter anheizen.

Gut möglich, dass die USA Druck auf ihre immer noch eng mit ihnen verbundenen früheren mikronesischen Kolonien – die heutigen Föderierten Staaten, die Marshall-Inseln und Palau – ausgeübt haben, die Wahl von Puna, der als offen für mehr chinesischen Einfluss gilt, zu verhindern. Damit kommt es auch zum offenen Bruch zwischen den eigentlich verbündeten USA sowie Australien und Neuseeland, welche den neuen Generalsekretär unterstützen.

Ohne ein Mindestmaß an regionalem Zusammenhalt dürften die bilateralen Beziehungen zu mächtigeren Staaten außerhalb der Region wieder zunehmen. Der Europäischen Union, die zwar mit dem Pacific Islands Forum zusammenarbeitet, ansonsten in der Region aber wenig zu melden hat, dürfte das nicht gefallen. Auch globale Allianzen wie die der Kleinen Inselstaaten (AOSIS) dürften die regionale Spaltung in der Klimapolitik zu spüren bekommen.

Allein der Bedeutungsverlust des Forums stellt eine Schwächung der internationalen Klimapolitik dar. Denn das Forum diente in der Vergangenheit als wichtiger Impulsgeber und als Plattform für die Inselstaaten, Australien, einem der größten Bremser beim Klimaschutz, auf regionaler Ebene Zugeständnisse abzuringen, wie etwa in der Kainaki II-Erklärung.

Auf internationaler Ebene untergräbt die regionale Spaltung das Narrativ der Inselstaaten, sie seien keine kleinen Inselstaaten, sondern große Ozeanstaaten („Large Ocean States“). Denn dieses Narrativ, welches den Staaten international zunehmend Selbstbewusstsein gegeben hat, basiert nicht nur auf ihren großen Meereszonen, sondern auch auf der Idee, der Ozean sei nichts Trennendes, sondern etwas Verbindendes.

Allein der Bedeutungsverlust des Forums stellt eine Schwächung der internationalen Klimapolitik dar.

Gerade der Vertrauensverlust der pazifischen Staaten in ihren Anführer Fidschi dürfte dessen Bemühungen ausbremsen, auf internationaler Ebene eine immer sichtbarere und eigenständigere pazifische Politik zu verfolgen. Dazu beigetragen hat, dass Fidschi immer offensiver versucht, seinen Einfluss über regionale Institutionen geltend zu machen. Andere Staaten der Region nehmen Fidschi übel, dass es bei der zur Eskalation führenden Personalentscheidung mit Australien und Neuseeland stimmte, obwohl es sich jahrelang als Gegenspieler beider Staaten im Pazifik positioniert hat.

Für Fidschi ist das auch deshalb bitter, weil es sich nach der Mitgliedschaft zweier karibischer Inselstaaten, der Dominikanischen Republik und St. Vincent und den Grenadinen, im UN-Sicherheitsrat in den letzten Jahren erneut Hoffnungen gemacht hatte, in absehbarer Zeit als erster pazifischer Inselstaat in das wichtigste UN-Gremium einzuziehen – auch als Belohnung für sein jahrzehntelanges Engagement als Truppensteller in besonders riskanten UN-Friedensmissionen. Doch neben der Unterstützung Chinas wäre dafür auch die Rückendeckung der anderen pazifischen Staaten notwendig.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Politik im Pazifik schnelllebig ist und unerwartete Wendungen hervorbringen kann. Fidschis von Australien und Neuseeland vorangetriebene Suspendierung aus dem Forum im Jahr 2009 in Folge eines Militärputschs hat langfristig anstatt zu einer Schwächung der Zusammenarbeit ironischerweise wegen steigenden Frusts über Australien zu einem Zuwachs an selbstständigem Agieren der Inseln auf internationaler Ebene geführt.

Doch diesmal dürften die Herausforderungen weitaus größer sein, da der Bruch und der Vertrauensverlust quer durch die Region gehen. Sollte es gelingen, dass die Staats- und Regierungschefs wieder das direkte Gespräch aufnehmen, ist dennoch nicht ausgeschlossen, dass die Staaten sich noch einmal zusammenraufen. Bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Ländern der Region haben in der Vergangenheit etwa symbolische Versöhnungszeremonien helfen können, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen.

In Europa täten wir gut daran, genau zu beobachten, was in der Region geschieht. Wir müssen uns von der Sichtweise emanzipieren, die pazifischen Inselstaaten genössen nur Aufmerksamkeit, wenn dort chinesische und US-Interessen aufeinanderprallen. Die Machtinteressen der beiden großen Staaten sind ein Indikator, nicht die Ursache der strategischen Relevanz der Region – sei es in der Sicherheitspolitik, beim Klimaschutz oder in multilateralen Abstimmungen.