US-Präsident Trump hat mit seiner unberechenbaren Politik und seinem Programm des „America First“ das jahrzehntelange Kräftegleichgewicht in Asien zerstört. China nutzt das entstandene Vakuum für seine Bemühungen, Asiens stärkste Macht zu werden, indem es allen asiatischen Ländern bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft unter die Arme greift und weltweit den freien Handel vorantreibt.
Japan befindet sich damit in einer völlig neuen Situation, die es zwar fürchtet – die sein nationalkonservativer Premierminister Shinzo Abe jedoch zugleich ersehnt hat. Japan stand in der Vergangenheit immer unter dem Schutz der USA. So wuchs es zeitweise zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt heran und konnte es sich leisten, sich aus den großen globalen Konflikten weitgehend herauszuhalten. Aber die Nationalkonservativen der Regierungspartei LDP hatten immer auch von einer politischen Führungsrolle Japans in Asien geträumt. Nun kann, ja muss Japan aus dem Schatten der USA heraustreten. Und ist zugleich mit einem wirtschaftlich immer stärkeren und dominanter auftretenden China konfrontiert.
Seit Jahren befinden sich japanische Firmen in Indonesien, Malaysia und Thailand mit ihren chinesischen Konkurrenten in einem erbitterten Wettbewerb um Projekte zu Hochgeschwindigkeitszügen. Dabei genießen die chinesischen Firmen die Unterstützung ihres Staates. Seit der Präsidentschaft Xi Jinpings zielt Chinas weltweite Exportpolitik immer stärker darauf ab, die Empfängerländer auch politisch stärker an China zu binden.
Viele asiatische Länder können dem chinesischen Angebot zum Ausbau ihrer unterentwickelten Infrastruktur nur schwer widerstehen.
Auch Japan geht es mit dem Freihandelsabkommen TPP-11 darum, die Mitgliedsländer politisch miteinander zu verbinden. Der Unterschied zum chinesischen Ansatz liegt im zugrundeliegenden Wertesystem. Chinas Wertesystem ist autoritär, intransparent und unterliegt politischen Vorgaben. Dazu operieren chinesische Staatsfirmen oft mit Dumpingpreisen, mit denen sie ausländische Konkurrenten aus politischen Gründen unterbieten sollen. In Japans wirtschaftlichem Wertesystem, das auch TPP-11 zugrunde liegt, sind Politik und Wirtschaft getrennte Sphären. Geschäfte dienen nicht dazu, politischen Einfluss zu gewinnen. Verträge sind transparent und basieren auf dem „Rule of Law“ statt auf undurchsichtigen Vorgaben.
Chinas Vorteil ist, dass seine finanziellen Mittel unerschöpflich zu sein scheinen. Viele asiatische Länder können dem chinesischen Angebot zum Ausbau ihrer unterentwickelten Infrastruktur nur schwer widerstehen – auch wenn Chinas rüde Geschäftskultur nicht viel Rücksicht auf die nationalen Eigenheiten der jeweiligen Länder nimmt. Die Strategie Chinas geht bereits auf: Bahnprojekte in Indonesien und Malaysia, bei denen sich China gegen Japan durchgesetzt hat, hatten zur Folge, dass sich die indonesische und malaysische Führung im Konflikt um den Territorialstreit im Südchinesischen Meer zurückgehalten haben.
Letztes Jahr initiierte China den „One Road One Belt“-Entwicklungsplan (OBOR), in den es in den nächsten Jahren vier Billionen US-Dollar investieren will. Der Plan ist sehr viel mehr als ein Verkehrswegeplan: Mit seiner Hilfe will China die Infrastruktur der asiatischen Staaten bis Afrika und Europa entwickeln, so sein Wirtschaftsmodell, seine industriellen Standards durchsetzen und die beteiligten Länder damit auch politisch von sich abhängig machen.
Japan kann mit diesen Plänen nicht mithalten. Ein Gesamtplan für die Region würde seine Möglichkeiten bei weitem übersteigen. Die japanische Bevölkerung ist nur ein Zehntel so groß wie die chinesische und die Alterung der Gesellschaft ist viel weiter fortgeschritten. So plant Japan in Südostasien in den kommenden Jahren lediglich Investitionen von etwa 100 Milliarden US-Dollar. Die Wiederbelebung des TPP-Abkommens ohne die USA, das im März in Chile unterzeichnet werden soll, gilt als Versuch, Chinas alleinigem Führungsanspruch in der Region entgegenzutreten.
Der gescheiterte Verkauf japanischer U-Boote an Australien war auch ein Versuch, das Land zu einem faktischen Alliierten in der Gegnerschaft zu China zu machen.
Gleichwohl ist man in Tokyo zu dem Schluss gekommen, dass man keine Wirtschaftspolitik gegen die künftige Wirtschaftsmacht Nummer Eins in Asien machen kann: Japan hat aus dem Ausstieg der USA aus dem TPP-Vertrag und der Unsicherheit über das weitere Engagement in Asien die Konsequenz gezogen, wirtschaftlich stärker mit China zusammenzuarbeiten. Beim Kongress zur Initiierung des OBOR-Projekts in Peking im Frühjahr 2017 traf LDP-Generalsekretär Toshihiro Nikai, der über langjährige gute Beziehungen zu Chinas Führung verfügt, mit Präsident Xi Jinping zusammen. Japan ließ erkennen, dass es zur Mitarbeit an den OBOR-Projekten bereit sei. Die chinesische Regierung machte ihrerseits deutlich, dass sie die japanische Beteiligung begrüßen würde.
Politisch und wirtschaftlich ist für Japan auch Indien von großer Bedeutung. Beide Länder haben territoriale Konflikte mit China: Indien im Himalaya und Japan im Südchinesischen Meer, wo es mit China um den Besitz der Senkaku-Inseln streitet. In beiden Fällen wurden große Truppenverbände stationiert. Das hat Japan und Indien in Fragen der Wirtschaft und Politik einander näher gebracht. So ist Japan zum bevorzugten Partner für die indischen Hochgeschwindigkeitszugprojekte geworden – zumal China durch das von Indien beanspruchte Kaschmir eine Bahnlinie nach Pakistan bauen will.
In der Sicherheitspolitik sind sich Indien und Japan bereits in der ersten Amtszeit von Premier Shinzo Abe in den Jahren 2006 und 2007 nahegekommen. Damals hielt Abe im indischen Parlament eine Rede, in der er erstmals öffentlich von der „Indo-Pazifischen Region“ sprach – ein Begriff, den US-Präsident Donald Trump während seiner Asienreise ebenfalls verwendete. Abe initiierte 2007 eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Japan, Indien, Australien und den USA, den „Quadriliteral Strategic Dialogue“ (QUAD).
Australiens Premierminister Malcom Turnbull besprach Mitte Januar mit Premier Abe eine Vertiefung der Sicherheitspartnerschaft. Japan ist an einer engeren militärischen Zusammenarbeit mit Australien interessiert. Der gescheiterte Verkauf japanischer U-Boote an Australien war auch ein Versuch, das Land zu einem faktischen Alliierten in der Gegnerschaft zu China zu machen. In Australien gibt es zwar noch Vorbehalte, sich zu eng an Japan zu binden, doch die Bereitschaft auf Tokio einzugehen wächst – auch aus Furcht vor einem zunehmend aggressiven China: Schließlich versucht Peking in letzter Zeit, Einfluss auf die australische Politik auszuüben, etwa durch Spenden an australische Parlamentsabgeordnete oder durch Infrastrukturhilfen in den Kleinstaaten Ozeaniens.
Das australische Beispiel zeigt ebenfalls, dass China mit wirtschaftlicher Macht und nicht mit militärischen Mitteln zum Hegemon Asiens werden will. Das ist die Herausforderung, der sich Japan und seine Verbündeten in der QUAD und in der TPP-11 stellen müssen.