Über Jahre hinweg wurde Australien von Klimaleugnern regiert. Lange Zeit boykottierten führende Politiker sogar den globalen Kampf gegen den Klimawandel. Beispielsweise zeigten durchgesickerte Dokumente vor zwei Jahren, wie die frühere Regierung unter Premierminister Scott Morrison Lobbyarbeit geleistet hatte, um den UN-Klimareport abzuschwächen. Erst kurz vor dem Klimagipfel in Glasgow wollte das Land dann doch noch zum Rest der Welt aufschließen und verkündete ein Nullemissionsziel bis 2050. Doch bis 2030 sollte nur eine Reduktion der Emissionen in Höhe von 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 stattfinden.

Diese Tatenlosigkeit wollte letztendlich auch die australische Wählerschaft nicht mehr mittragen und so musste das Mitte-rechts-Bündnis unter Morrison bei der australischen Parlamentswahl im Mai vor einem Jahr eine empfindliche Niederlage einstecken. Zu diesem Zeitpunkt war fast jeder Australier bereits „Opfer“ der Folgen des Klimawandels geworden: 2019/20 verwüsteten verheerende Buschfeuer den Osten des Landes – jahrelange Dürre und hohe Temperaturen hatten den Nährboden für die Feuer geschaffen. In den vergangenen zwölf Monaten erlebte das Land dann das andere Extrem: Etliche Regionen versanken teils wiederholt unter Wassermassen. Auch das berühmte Great Barrier Reef leidet seit Jahren unter regelmäßigen Bleichen, Tausende Korallen sind nach Hitzewellen bereits abgestorben. 

Fast jeder Australier war bereits „Opfer“ der Folgen des Klimawandels.

Die neue, sozialdemokratische Regierung unter Premierminister Anthony Albanese machte ein Klimagesetz deswegen zur Chefsache: Bereits wenige Monate nach der Wahl wurde die Senkung der CO2-Emissionen um 43 Prozent bis 2030 gesetzlich verankert. Mit dem neuen Ziel schließt Australien immerhin zu Ländern wie Kanada (40 bis 45 Prozent), Südkorea (40 Prozent) oder Japan (46 Prozent) auf. Für ein Land, das über Jahre von Klimawandelskeptikern geführt wurde und international bereits als Außenseiter galt, darf dies als Erfolg gewertet werden. 

Doch vieles von dem, was die neue Regierung propagiert, erweist sich letztendlich als Schönmalerei. Denn auch die Sozialdemokraten wollen der allmächtigen Kohleindustrie im Land nicht den Rücken zuwenden. Im vergangenen Juli lehnte Albanese beispielsweise einen Stopp von fossilen Brennstoffprojekten ab, weil dies „verheerende Auswirkungen auf die australische Wirtschaft“ hätte, wie er sagte. Im gleichen Monat schürte er den Mythos, dass Australiens „Qualitätskohle“ relativ sauber sei – eine Meinung, die auch schon seine liberalkonservativen Vorgänger wiederholt vertreten hatten. Würden ausländische Kunden Kohle aus einem anderen Land beziehen, würden die globalen Treibhausgasemissionen steigen, Australiens Kohle jedoch sei qualitativ hochwertiger und würde weniger Emissionen verursachen – so lautet die Argumentation.

Vieles von dem, was die neue Regierung propagiert, erweist sich letztendlich als Schönmalerei.  

Laut dem parteilosen Abgeordneten Andrew Wilkie ist all das jedoch eine große Lüge. Dies berichtete Wilkie im November auch dem australischen Parlament. Er bezog sich dabei auf „Tausende von Dokumenten“, die er von einem Whistleblower – anscheinend einem leitenden Angestellten eines Kohleunternehmens – erhalten haben soll. Sein Vorwurf lautet, dass die Bergwerksfirmen die Qualität der australischen Kohle mit falschen Laborergebnissen aufhübschen würden. Damit Verantwortliche im Ausland Diskrepanzen ignorieren und Exporte nicht ablehnen, sollen laut Wilkie Bestechungsgelder geflossen sein. Wilkie nannte das Ganze einen „Betrug“ und „Umweltvandalismus“, der „das ganze Gerede von Netto-null-Emissionen bis 2050 zu einer Fiktion“ mache. 

Laut Wilkie sind etliche Großkonzerne in die Betrugsvorwürfe verwickelt. Der Parlamentarier nannte die australische Macquarie Bank sowie die Bergbaufirmen Terracom, Anglo American, Peabody und Glencore, die die Vorwürfe jedoch weitgehend von sich weisen. Tim Buckley, Direktor des Think Tanks Climate Energy Finance, der selbst auch die bei Gericht eingereichten Dokumente eingesehen hat, ist jedoch davon überzeugt, dass die Vorwürfe Hand und Fuß haben. Er sei sich sicher, dass tatsächlich „Betrug, Täuschung, Diebstahl und Bestechung“ im Spiel seien, sagte er. Die Frage sei nun, wie weitreichend dies sei. Das Ganze sei eine „nationale Schande“ für Australien. Buckley gestand jedoch auch ein, dass sich die Vergehen nicht einfach nachweisen lassen. Die Kohleindustrie sei äußerst geschickt vorgegangen. Die Daten seien nur minimal, „mal ein Prozent hier und dort“ angepasst worden und die Gelder nicht direkt, sondern über viele Umwege, wie beispielsweise über einen „Urlaub erster Klasse in New York“, geflossen. Seit der Parlamentsrede Wilkies will die Regierung der Sache zumindest nachgehen und hat Informationen sowohl von der Aufsichtsbehörde Asic wie auch dem Ministerium für Industrie angefordert. Doch dass die Kohleindustrie mehr als eine Rüge und eine Geldstrafe erhält, ist nicht zu erwarten. Zu viele Wählerstimmen und zu viele Steuergelder hängen an der Industrie, die etwa 50 000 Arbeitsstellen unterhält.

Zwar setzen das neue 43-Prozent-Ziel und seine gesetzliche Verankerung ein wichtiges Zeichen, doch an der Umsetzung hapert es noch: Für Australien gebe es „viele Möglichkeiten, Emissionen einfach zu reduzieren“, schrieb Frank Jotzo, ein Klimaexperte an der australischen Nationaluniversität in Canberra, in einem Fachbeitrag im akademischen Magazin The Conversation. Beispielsweise könne die Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien zumindest beschleunigt werden. Denn erneuerbare Energiequellen gibt es in Hülle und Fülle: Neben Wind-, Gezeiten-, Wellen- und geothermischer Energie ist vor allem das Potenzial für Solarenergie groß. Verbesserungsbedarf gebe es auch beim Thema Energieeffizienz und auch die Umstellung auf E-Autos könne stärker gefördert werden. Auch Industrie und Landwirtschaft könnten laut Jotzo dank sauberer Prozesse erhebliche Einsparungen erzielen. 

Immer wieder bremsen Klimaskeptiker den Fortschritt aus.

Doch immer wieder bremsen Klimaskeptiker den Fortschritt mit dem Argument aus, dass der Beitrag, den Australien im globalen Gefüge leisten könne, nur gering sei. Die 26 Millionen Einwohner seien schließlich nur für etwas mehr als ein Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Letzteres Argument unterschlägt jedoch, dass Australien auch für die Emissionen der fossilen Brennstoffe verantwortlich ist, die das Land exportiert. Und damit steigt die Zahl bereits auf 3,6 Prozent

Auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft umzustellen, würde sich für die Australier eigentlich auch finanziell lohnen, wie die Analysten von Deloitte Access Economics ausgerechnet haben. Laut den Experten könnte die Umstellung zu einem Wirtschaftswachstum von 680 Milliarden Australischen Dollar, umgerechnet rund 443 Milliarden Euro, und 250 000 neuen Arbeitsplätzen bis 2070 führen. Trotzdem tun sich erneuerbare Energieprojekte nach wie vor schwer. Eines der medienträchtigsten Projekte namens Sun Cable, über das Sonnenstrom per Unterseekabel nach Singapur fließen sollte, steht laut Medienberichten vor dem Ruin. Ob das Projekt, das eigentlich von zwei der reichsten australischen Unternehmer unterstützt wurde, noch gerettet werden kann, ist inzwischen mehr als fragwürdig.