Am 20. August postete Tucker Carlson ein Video auf der ehemals als Twitter bekannten „Social-Media“-Plattform. Der Dreieinhalb-Minuten-Clip zeigt einen gut gelaunten Carlson bei einem Treffen mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić in der serbischen Botschaft in Budapest. Der frühere Fox-News-Moderator beschreibt Vučić als „klug und gut informiert“ und mit „einer Sicht auf Dinge, die man in den Vereinigten Staaten eher selten antrifft“.

Auf dem Video ist Carlson in der Botschaft zu sehen, wie er dem serbischen Sportminister Zoran Gajić und dem Finanzminister Siniša Mali kräftig die Hand schüttelt. Carlson plaudert ein wenig und bricht immer wieder in das für ihn typische schallende Gelächter aus. Mali berichtet Carlson mit leuchtenden Augen, sein ältester Sohn sei dessen „größter Fan“, während der eher verhaltene Gajić kurz die Highlights seiner beeindruckenden Volleyballtrainer-Karriere zum Besten gibt. Vučić hält sich zurück und schaltet sich nur gelegentlich ein – in jener heiter-ehrerbietigen Haltung, die er in Gegenwart mächtiger Besucher aus dem Westen an den Tag legt.

Laut Umfrage lehnen fast 60 Prozent der serbischen Bevölkerung eine Zusammenarbeit mit den USA ab.

Die freundliche Stimmung könnte für einen Moment darüber hinwegtäuschen, dass die serbische Regierung, die sich hier in einer amerikanischen Fernsehsendung offenbar sehr wohl fühlt, die Regierung des nach einhelliger Meinung amerikafeindlichsten Landes in Europa ist. Serbien zeigt sich zwar im Allgemeinen gastfreundlich gegenüber Besuchern aus den Vereinigten Staaten, doch die Stimmung gegenüber der Politik in Washington ist eine ganz andere. Die Bombardierung Serbiens durch die NATO 1999 und die US-amerikanische Unterstützung für die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008 – Belgrad betrachtet den Kosovo nach wie vor als seine südliche Provinz – wirken bis heute nach und belasten die Beziehungen schwer. Laut Umfrage lehnen fast 60 Prozent der serbischen Bevölkerung eine Zusammenarbeit mit den USA ab.

Seit neuestem läuft jedoch eine Charmeoffensive. Die US-Botschaft in Serbien ist bemüht, ihre Beziehungen zu Vučić zu intensivieren, obwohl er seit Jahrzehnten autoritär regiert und politisch eine dunkle Vergangenheit hat. Denn Vučić war in den späten 1990er Jahren unter dem damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević serbischer Informationsminister.

Für die amerikanische Seite ist Vučić ein Mann, mit dem man arbeiten und Geschäfte machen kann und der bestrebt ist, „dringend benötigte Wirtschaftsreformen“ durchzusetzen – wie etwa eine Änderung des Arbeitsrechts zum Vorteil ausländischer Investoren und zum Nachteil der serbischen Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Amerikaner haben den Eindruck, dass Vučić für den eigenen Machterhalt zu fast allem bereit und auch für unpopuläre, vom Westen angeregte Maßnahmen offen ist – sogar in der Kosovo-Frage. Zudem halten sie ihn für autokratisch genug, um die rebellischen Kräfte innerhalb der serbischen extremen Rechten im Zaum zu halten, und für mächtig genug, um den offen prorussischen Führer der Republika Srpska, Milorad Dodik, in die Schranken zu weisen, der in regelmäßigen Abständen das Gespenst der Abspaltung von Bosnien-Herzegowina beschwört.

Seit Russlands Invasion der Ukraine konkurriert die US-Botschaft in Belgrad mit Russland um die Sympathien Serbiens.

Seit Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022 konkurriert die US-Botschaft in Belgrad mit Russland um die Sympathien Serbiens. Bisher weigert Serbien sich, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, sendet aber in anderen Bereichen uneindeutige Signale aus – im Rahmen der Vereinten Nationen hat Serbien wiederholt für die Verurteilung der russischen Invasion und der Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine gestimmt. Wichtiger ist, dass Munition aus serbischer Produktion still und leise ihren Weg auf das ukrainische Schlachtfeld gefunden hat, auch wenn die Waffenlieferungen kürzlich gestoppt wurden, nachdem das US-Finanzministerium den Chef des serbischen Geheimdienstes BIA, Aleksandar Vulin, mit Sanktionen belegt hatte. Im Juni fragte Vučić im Gespräch mit der Financial Times neckisch: „Ist es möglich, dass das passiert? Ich habe keine Zweifel, dass es passieren könnte. Gibt es für uns eine Alternative? Keine Munition produzieren? Keine Munition verkaufen?“

Darüber hinaus machen die US-Botschaften in Belgrad und Pristina für die jüngsten Gewaltausbrüche im Norden des Kosovo vor allem den dortigen Premierminister Albin Kurti verantwortlich. Die Medien schließen sich dieser Schuldzuweisung überwiegend an – so auch der Economist mit seinem plumpen Teaser: „Diesmal tragen die ethnischen Kosovo-Albaner die Hauptschuld.“ Diese ungewöhnlich scharfe Verurteilung Pristinas werten viele als weiteren Versuch, sich bei den Serben beliebt zu machen.

Während die USA ihre Beziehungen zu Serbien zu verbessern suchen, nimmt Belgrad Geld in die Hand, um sein Image auf der anderen Seite des Atlantiks aufzupolieren. In den vergangenen Wochen hat die serbische Regierung eine ganze Reihe gut aufgestellter Lobbyisten angeworben, die ihre Interessen in den USA vertreten sollen. Die Namen und Hintergründe der angeheuerten Lobbyisten deuten darauf hin, dass Serbien dabei mehrgleisig fährt: Das Land will die öffentliche Wahrnehmung verändern, gezielte Medienarbeit betreiben und Entscheidungsträgerinnen beeinflussen.

Ende Juli beauftragte die serbische Regierung das New Yorker PR-Unternehmen KARV Communications. Im vergangenen Monat wurde eine Reihe von „registrierten ausländischen Agenten“, die für Serbien tätig sind, in die vom US Foreign Agents Registration Act (Gesetz über die Registrierung von Auslandsvertretern) vorgeschriebene Datenbank aufgenommen. Dieses Gesetz sieht vor, dass Personen, die ausländische Interessen vertreten, dies öffentlich bekanntgeben müssen. Die neu registrierten Personen, die alle mit KARV Communications zusammenarbeiten, sollen „dazu beitragen, durch Medienarbeit und Kontaktaufnahme zu relevanten Gruppen in den USA verschiedene politische Initiativen der Regierung der Republik Serbien zu unterstützen und zu vermitteln“.

Einer der Neuzugänge ist Alana Abramson, Absolventin der Columbia Journalism School und zuletzt Produzentin für CNN. Zuvor berichtete sie für Time aus dem Weißen Haus und dem Kongress. Wir können davon ausgehen, dass sie von nun an ihre zahlreichen Kontakte zu Medien und Politik nutzen wird, um die Interessen der serbischen Regierung zu vertreten. Ebenfalls rekrutiert wurde Adrian Karatnycky, Non-Resident Senior Fellow des Eurasia Center des Atlantic Council, der regelmäßig für die Zeitschriften Foreign Policy und Foreign Affairs schreibt und früher die Nichtregierungsorganisation Freedom House leitete. Karatnycky ist seit Langem als Lobbyist für Regierungen mit fragwürdiger Integrität tätig und entsprechend umstritten – vor einigen Jahren arbeitete seine Beratungsfirma Myrmidon Group für Dodik in der Republika Srpska.

Einige der neu registrierten Serbien-Lobbyisten dürften der Öffentlichkeit auf dem Balkan etwas besser bekannt sein. Gordon Bardos war einst stellvertretender Direktor des Harriman-Instituts an der Columbia University. Er behauptet, die mehrheitlich muslimischen Balkanländer seien Brutstätten islamistischer Gewalt. 2021 warf Bardos in einem Meinungsbeitrag für die Zeitschrift National Interest der US-Regierung vor, sie unterstütze „konsequent die übelsten Akteure auf dem Balkan“ – zu denen Vučić in Bardos’ Augen eindeutig nicht zählt.

Serbien beschäftigt schon lange hochkarätige ausländische Lobbyisten und Berater.

Serbien beschäftigt schon lange hochkarätige ausländische Lobbyisten und Berater: die in Ungnade gefallene britische PR-Firma Bell-Pottinger, den ehemaligen italienischen Außenminister Franco Frattini, den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Großbritanniens Ex-Premierminister Tony Blair sowie Cherie Blair, den früheren US-Botschafter in Serbien und Montenegro Bill Montgomery und den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani. Diese Prominenten verschaffen Vučić und seiner serbischen Fortschrittspartei auf der Weltbühne die sehnlich erwünschte Glaubwürdigkeit und ein Narrativ, das sie rehabilitiert – ohne dass sie auch nur ansatzweise Wiedergutmachung betreiben müssten.

Kürzlich ist der Trailer zu einem Film mit dem Titel Heroes of Halyard erschienen. Der schon jetzt umstrittene Film wurde direkt und indirekt von der serbischen Regierung finanziert und ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da Serbien und die USA sich wieder mehr füreinander erwärmen, der ideale Propagandafilm. Halyard erzählt die Geschichte einer Rettungsaktion im Zweiten Weltkrieg, bei der serbische Tschetniks halfen, abgeschossene US-amerikanische Flieger aus den von Deutschland besetzten Gebieten zu evakuieren. Die Story erfüllt wichtige Funktionen: Sie rückt einen positiven Moment in der Geschichte der Beziehungen zwischen Serbien und den USA in den Blickpunkt und legt den USA eine anerkennende Haltung nahe; sie beschönigt die Rolle der Tschetniks, die mit den Nazis kollaborierten, aber als Helden dargestellt werden, und blendet die Partisanen aus, die die eigentlichen Helden waren und die Nazis schließlich besiegten. Der Film wirkt mit seinem Antikommunismus wie geschaffen für ein nationalistisches (aber dem Westen freundlich gesonnenes) Publikum in Serbien und für eine konservative Zuschauerschaft in den USA.

Das bringt uns zurück zu Vučićs Auftritt bei Tucker Carlson. Der Clip wurde nur wenige Tage vor der ersten Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten veröffentlicht. Er gibt Aufschluss darüber, an welche Zielgruppe die serbische Regierung ihre Imagepflege wohl adressiert: an die populistische Rechte im Westen – und zwar in der Hoffnung, dass einer ihrer Kandidaten die US-Präsidentschaftswahlen 2024 gewinnen werde.

Kritiker der westlichen Serbien-Politik übersehen häufig, dass Annäherung sich genau so gestalten wird: Serbien wird nicht etwa in die viel gepriesene regelbasierte Ordnung der liberalen Demokratien eingegliedert (und wird auch nicht die Menschenrechtsrhetorik und außenpolitischen Präferenzen übernehmen, die damit verbunden sind), sondern es wird im Kreis der illiberalen Populisten der amerikanischen und europäischen extremen Rechten heimisch werden. Der Wunsch all derer, die seit Langem davon träumen, Serbien werde sich eines Tages wandeln und „ein normales westliches Land“ werden, könnte schon bald in Erfüllung gehen – doch was es bedeutet, „ein normales westliches Land“ zu sein, könnte sich in der Zwischenzeit grundlegend geändert haben.

Dies ist eine gemeinsame Veröffentlichung von Social Europe  und dem IPG-Journal

Aus dem Englischen von Christine Hardung