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Außenministerin Margot Wallström, die in Schweden die feministische Außenpolitik einführte, ist zurückgetreten. Warum? Nun, wer pikante Details, Skandale und Konflikte wittert, muss woanders suchen. Es sind schlicht das Alter – sie wird diesen Monat 65 – und der Wunsch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, die sie veranlassten, ihren Posten niederzulegen. Aber wird ihre Nachfolgerin ihrem Weg der feministischen Außenpolitik folgen? Und welche konkreten politischen Grundsätze beinhaltet eine solche Außenpolitik überhaupt?
Um letztere Frage zuerst zu beantworten, muss man mit Wallströms politischem Werdegang anfangen. Sie begann ihre Laufbahn in den 1970er Jahren in der sozialdemokratischen Jugendorganisation. Es waren turbulente Zeiten für die schwedische Arbeiterbewegung. Nachdem die Sozialdemokraten 44 Jahre in Folge an der Macht gewesen waren (bis heute ein Weltrekord in der demokratischen Welt), mussten sie sich in der Parlamentswahl 1976 der Zentrumspartei geschlagen geben.
Die Urbanisierung und eine höhere Bildung für mehr Menschen wirkten sich auf die demographische Entwicklung aus, und weniger Menschen konnten sich mit dem traditionellen Klassenkonflikt identifizieren. Der Vietnamkrieg und moderne Informationstechnologien hatten die Welt geöffnet. Neue soziale Bewegungen wie Umweltgruppen und die Umwelt- und Frauenbewegung traten in Erscheinung. In dieser sich wandelnden politischen Landschaft rang die Sozialdemokratie um eine neue Ausrichtung.
Viele der Kritiker misstrauten jeglicher feministischen Politik, erst recht, wenn sie konkret wurde.
In der Jugendorganisation wollten viele Aktive von den neuen sozialen Bewegungen lernen, mit ihnen kooperieren, mit ihnen reden, ihre Methoden übernehmen, also auch stärker außerparlamentarisch agieren. Sie wollten sich an ihrer Denkweise und ihrem Draht zu jungen Leuten orientieren und somit auch „neue“ Politikfelder wie Umwelt und Genderfragen stärker in den Mittelpunkt rücken.
Margot Wallström hielt, egal, auf welcher Position, seit jeher engen Kontakt zu sozialen Bewegungen. In den 1980er Jahren fuhr sie beispielsweise in ihrer zweiten Amtszeit als Parlamentsabgeordnete an Bord des Greenpeace-Flaggschiffs Rainbow Warrior zum Mururoa-Atoll; kurz nach dieser Reise wurde das Schiff vom französischen Militär-Nachrichtendienst versenkt. Als EU-Kommissarin pflegte sie den Dialog mit Umweltorganisationen, deren Vertreter sie dafür lobten, dass sie sämtliche EU-Mitgliedstaaten zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bewegen konnte.
Als Außenministerin lag ein Schwerpunkt Wallströms auf dem Dialog mit der schwedischen Zivilgesellschaft, in diesem Fall all den Organisationen, die sich in Entwicklungshilfe und Außenpolitik engagierten und von denen viele ihre Wurzeln in den sechziger und siebziger Jahren hatten.
Die Idee, die weltweit erste feministische Außenpolitik zu entwickeln, resultiert daher logisch aus Wallströms politischem Werdegang und ihren Zielen. Was ist nun darunter zu verstehen? Besteht sie aus konkreten Maßnahmen, oder ist es ein reines Schlagwort? Kritiker würden sagen, Letzteres. Auch nach ihrem Rücktritt forderten viele konkretere Antworten. Andererseits misstrauten viele dieser Kritiker jeglicher feministischen Politik, erst recht, wenn sie konkret wurde.
Feminismus und Geschlechtergleichstellung sind eine Grundlage für Frieden, Sicherheit und weniger Armut in der Welt.
Zunächst muss man sagen, dass feministische Außenpolitik durchaus nichts Neues war. Schweden hatte in Entwicklungshilfe und Außenpolitik schon lange Frauenrechten und Genderfragen Priorität eingeräumt. Feminismus und Geschlechtergleichstellung ist eine Grundlage für Frieden, Sicherheit und weniger Armut in der Welt. Unter Wallström allerdings wurden vier konkrete Pfeiler errichtet. Die ersten drei waren politischer Natur und zielten auf die Stärkung von Rechten, Repräsentation und Ressourcen für Frauen ab. Robert Egnell, Professor an der Swedish Defence University, der 2016 eine Analyse vornahm, sprach von einer „Methode, die auf allen Ebenen der Außenpolitik systematisch die Mädchen- und Frauenperspektive in den Mittelpunkt rückt“. Bei der vierten Säule „Realität“ ging es um Instrumente und eine pragmatische Sichtweise.
Wie also sahen Wallströms konkrete Maßnahmen aus? Schweden hat zum Beispiel ein Netzwerk initiiert, in dem mehr weibliche Mediatoren für die Vermittlung in Konflikten ausgebildet werden. Es hat ein internationales Forschungsprojekt zu Männlichkeitsnormen in der Demokratischen Republik Kongo unterstützt und sich für Frauenrechte in EU und Vereinten Nationen sowie für die Stärkung weiblicher Stimmen in der Konfliktlösung eingesetzt. Entwicklungshilfegelder flossen verstärkt in die Förderung sexueller und reproduktiver Rechte für Frauen. Als Schweden einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte, lud es Frauenrechtsgruppen aus Somali, Nigeria und anderen Ländern ein, sich vor dem Rat zu äußern.
Alle schwedischen Botschafterinnen und Botschafter wie auch das Personal des Außenministeriums wurden angewiesen, in sämtlichen Kontakten mit Vertretern anderer Länder diese Themen zu bearbeiten und auch – dem alten Credo Wallströms folgend – den Kontakt zur Zivilgesellschaft zu halten.
Wallström legte die Latte hoch, als sie erklärte, dass in sämtlichen politischen Bereichen die weibliche Perspektive berücksichtigt werde.
Vor diesem Hintergrund ist allerdings zu sagen, dass auch von Menschen, die die feministische Außenpolitik unterstützen, Kritik kam. Wallström legte die Latte hoch, als sie erklärte, dass in sämtlichen politischen Bereichen die weibliche Perspektive berücksichtigt werde. Vor zwei Jahren hinterfragten mehrere Entwicklungshilfeorganisationen in einem Bericht, ob der umfängliche Waffenexport Schwedens und die restriktive Migrationspolitik tatsächlich feministisch seien. Die Organisationen schrieben: „Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Politikbereichen werfen die Frage auf, ob wirklich die gesamte Regierung volle Verantwortung für die feministische Politik trägt.“ Diese Kritik wurde auch in Bezug auf den Handel laut. Berücksichtige Schweden wirklich bei allen Verträgen mit anderen Ländern die Frauenrechte?
Nun wird Schweden eine neue Außenministerin bekommen. Wird die feministische Außenpolitik Bestand haben? Ja, wahrscheinlich. Sie ist mittlerweile tief in der politischen Debatte des Landes verwurzelt. Selbst einige Oppositionsparteien räumen ein, dass die feministische Orientierung der Außenpolitik eine gute und produktive Idee war. Schweden hat seinen Ruf als Land mit einer fast schon aktivistischen Ausrichtung der Außenpolitik gestärkt.
Die neue Außenministerin Ann Linde versicherte in den ersten Stellungnahmen nach ihrer Ernennung, sie werde die feministische Außenpolitik fortführen, doch es wird nicht dasselbe sein. In der schwedischen Politik dürfte es kaum eine zweite Person geben, die sich mit sozialen Bewegungen so gut auskennt wie Margot Wallström. Also zurück zur alten Tagesordnung? Nein, eher nicht.
Aus dem Englischen von Anne Emmert.