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Die Wahlen in Italien am 4. März finden in einem deutlich anderen Kontext als etwa die Bundestagswahlen im September letzten Jahres statt. Italien kommt gerade so langsam aus der längsten Rezession seiner jüngeren Geschichte. Das BIP liegt immer noch 5,7 Prozent unter dem Stand von 2007. Während dieser Phase war die industrielle Produktion zum Teil  um 25 Prozent unter den Vorkrisenstand gesunken. Die Arbeitslosigkeit liegt bei (mindestens) 11 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei dramatischen 32 Prozent. Im Süden ist die Lage in jeder Hinsicht noch kritischer: Im Mezzogiorno, in dem ein Drittel der Italiener leben, liegt die Arbeitslosigkeit bei 17,3 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 60 Prozent. Auch gut qualifizierten jungen Italienern bieten sich wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt; die letzten Jahre sahen daher einen regelrechten „brain drain“ von jungen italienischen Akademikern, die nördlich der Alpen die Jobs suchen, die ihnen vor allem der Süden des Landes im Moment nicht bieten kann.

Knapp eine Woche vor der Wahl in Italien ist keineswegs klar, wie die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern (Abgeordnetenhaus und Senat) letztendlich aussehen werden. Drei Blöcke stehen sich gegenüber, wovon lediglich einer, der der rechten Mitte, sich ernsthaft eine Chance auf einen knappen Sieg ausrechnen kann: Bei den letzten veröffentlichten Umfragen steht der Block rund um Silvio Berlusconis „Forza Italia“ und die rechtspopulistische Lega bei knapp 35 Prozent. Die sozialdemokratische Regierungspartei PD kommt alleine auf 22,6 Prozent, zusammen mit ihren kleineren Beibooten – u.a. die Partei „+Europa“ der ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino – auf knapp 28 Prozent. Größte Einzelpartei ist allerdings die 5-Sterne-Bewegung M5S. Die Protestpartei kommt mit ihrem smarten, erst 31 Jahre alten Spitzenkandidaten Luigi di Maio auf 28,6 Prozent.

Ausgehend von diesen Zahlen hat kein Block richtig gute Aussichten auf eine Mehrheit in den beiden Kammern. Allerding könnte es sein, dass die rechte Mitte doch noch knapp auf eine eigene Mehrheit kommt: Wenn es ihr gelingt, einen Großteil der Direktmandate im Süden zu gewinnen. Gewinnt hier stattdessen die M5S, so wäre diese Gruppe eindeutig die größte Einzelpartei im Parlament. Eine Chance auf diesen Status hat allerdings auch die PD unter Matteo Renzi. Aufgrund des eigentümlichen, im Kern gegen das M5S gebauten Wahlrechts fallen die Stimmen der in einer Liste verbündeten Kleinparteien, die an der 3-Prozent-Hürde scheitern, nicht weg, sondern der größten Partei dieser Liste zu. So könnte sich die PD in der Endabrechnung doch noch an den „Grillini“ vorbeischieben.

Der PD ist es bisher nicht gelungen, ihr Spiegelstrich-Wahlprogramm auf ein paar allgemein bekannte Kernforderungen zu konzentrieren.

Insofern steht dem Land am 4. März ein in jeder Hinsicht spannender Wahlabend bevor. Von dem bisherigen Wahlkampf kann man dies dagegen kaum behaupten: Alle Blöcke bespielen ihre Kernthemen und Kernwähler. Kontroverse Themen – auch in Italien vor allem das Thema Zuwanderung – werden tunlichst draußen gehalten (außer von der Rechten, die von der klaren Anti-Immigrationsstimmung im Land zu profitieren hofft). Während der IWF erklärt, angesichts von 132 Prozent Staatsverschuldung müsse jede italienische Regierung in den nächsten Jahren Steuern erhöhen und Staatsausgaben senken, versprechen die Matadore des italienischen Wahlkampfs das genaue Gegenteil davon: Steuern zu senken und die Staatsausgaben zu erhöhen. Im Grunde betreiben alle Parteien eine Art Fiskalpopulismus, der sich nur in den Zielgruppen unterscheidet. Glaubwürdig ist das alles nur Grenzen – und vermutlich wissen das die italienischen Wähler auch. König der Versprechungen ist mal wieder Silvio Berlusconi, der nicht nur – zum wiederholten Male – die Einführung einer Flattax verspricht, sondern darüberhinaus Steuererleichterungen und Staatswohltaten aller Art. Dabei konzentriert sich der „Cavaliere“ vor allem auf ältere Wähler, denen er unter anderem kostenlosen Zahnersatz und Tierarztbesuche auf Staatskosten in Aussicht stellt.

Die inhaltlichen Trennlinien zwischen einer unter Renzi auf Mitte-Kurs gebrachten PD und einer Forza Italia, in der Silvio Berlusconi seine Liebe zu Europa und den Euro wieder entdeckt hat, sind überschaubar.

Der Wahlkampf der PD will dagegen trotz einer in der Substanz durchaus vorzeigbaren Regierungsbilanz in den letzten Jahren nicht so recht in Schwung kommen. Der Partei ist es bisher nicht gelungen, ihr Spiegelstrich-Wahlprogramm auf ein paar allgemein bekannte Kernforderungen zu konzentrieren. Hinzu kommt, dass die PD mit Premierminister Paolo Gentiloni zwar den beliebtesten Politiker Italiens in ihren Reihen hat, mit Matteo Renzi aber auch den unbeliebtesten Spitzenkandidaten (sieht man vom Spitzenkandidaten der linken Partei LeU ab, dem Senatspräsidenten Pietro Grasso; dessen schlechte Umfragewerte dürften aber mehr an der Partei als an seiner Person liegen). Renzi zahlt imagemäßig anscheinend  immer noch den Preis für das gescheiterte Verfassungsreferendum und einen eher konfliktorientieren Politikstil.

Bleibt es bei der jetzigen Konstellation, rückt eine GroKo all’Italiana aus PD und Forza Italia als wahrscheinlichste aller Regierungsoptionen in den Fokus. Beide Parteien und beide Parteiführer erklären zwar, dass sie nicht die geringste Absicht hätten, nach der Wahl eine große Koalition einzugehen. Aber die inhaltlichen Trennlinien zwischen einer unter Renzi auf Mitte-Kurs gebrachten PD und einer Forza Italia, in der Silvio Berlusconi seine Liebe zu Europa und den Euro wieder entdeckt hat, sind überschaubar. Zwar würde es den aktuellen Umfragen zufolge für eine reine Zweierkoalition nicht reichen. Aber die dann notwendigen Zusatzstimmen ließen sich im sehr fluiden italienischen Parteien- und Parlamentssystem wahrscheinlich problemlos finden: Immerhin haben in der abgelaufenen Legislaturperiode 36 Prozent der Abgeordneten die Fraktion gewechselt – manche davon mehrmals. An „stabilisatori“ einer knappen Mehrheit sollte es auch nach dem 4. März nicht mangeln.