Im ägyptischen Sharm-el-Sheikh ist die Weltklimakonferenz COP27 am Sonntag in den frühen Morgenstunden nach eineinhalb Tagen Verlängerung zu Ende gegangen. Am gleichen Tag begann ein weiteres Großereignis: die internationale Fußball-WM in Katar. Es stellt sich die Frage: Was ist genau der Unterschied zwischen einer Klimakonferenz und einer Fußball-WM? Es scheint zunehmend, als dienten Großereignisse wie internationale Klimakonferenzen genau wie die Fußball-WM vor allem dazu, das Image von international kritisierten Regimen aufzupolieren. Sie nutzen das internationale Rampenlicht, um von den massiven Problemen im eigenen Land abzulenken.

In Ägypten schien die Regierung stärker daran interessiert, die Vorzüge der Sinai-Halbinsel als Tourismusdestination in den Vordergrund zu stellen, anstelle der eigenen Klimaschutz-Bemühungen. Vor Ort wurde zwar schnell noch eine Infrastruktur für Elektrobusse und -fahrräder aus dem Boden gestampft. Der Schein trügt jedoch und soll von massiven Defiziten beim Umwelt- und Klimaschutz ablenken. Greenwashing nennen die NGOs das auf der COP – und das hat dort in den letzten Jahren massiv zugenommen. Auch Konzerne wie zum Beispiel Coca-Cola versuchen mit dem Sponsoring der Klimakonferenz ihr Image aufzubessern. Einher ging dies zudem mit einer massiven Präsenz von Lobbyistinnen fossiler Energieträger vor Ort, unter anderem offiziell eingeladen durch Staaten wie Russland und Saudi-Arabien.

Greenwashing hat auf den Klimakonferenzen in den letzten Jahren massiv zugenommen.

Angesichts der politischen Lage in Ägypten und insbesondere der häufig kritisierten Menschenrechtslage war außerdem zu erwarten, dass die Klimaverhandlungen nicht in einem politischen Vakuum stattfinden, sondern von innenpolitischen Themen und der Frage der Verbindung von Klimagerechtigkeit und Menschenrechten überlagert werden. Ob sich Vertreter von NGOs und Klima-Aktivistinnen vor Ort überhaupt sinnvoll einbringen und auch ihren Protest äußern können, war daher von Anfang an fraglich. Auch im letzten Jahr auf der Konferenz in Glasgow gab es bereits große Probleme, die vor allem auf die strikten Corona-bedingten Einreisebedingungen für Länder außerhalb Europas und extrem hohe Hotelpreise zurückzuführen waren. Diese sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil: In Ägypten hinderten staatlicherseits gesetzte prohibitiv hohe Preise viele Personen daran, an der COP teilzunehmen, insbesondere aus dem Globalen Süden und der Zivilgesellschaft.

Eine vorher nie da gewesene sichtbare Dominanz ägyptischer Sicherheitskräfte auf dem Konferenzgelände hat zudem insbesondere auf viele ägyptische Teilnehmende und Aktivisten abschreckend gewirkt. Da Proteste in Ägypten zudem stark eingeschränkt sind, konnten auch keine großen Protestmärsche außerhalb des Geländes stattfinden. Hierfür hatte die ägyptische Seite zwar einen designierten Platz zur Verfügung gestellt, welcher aber weitab vom Geschehen mitten in der Wüste lag und stark überwacht wurde. Und so fand der traditionelle Klima-Protestmarsch zum ersten Mal seit dem Beginn der COPs auf dem UN-Gelände selbst statt – unter dem Schutz der UN-Sicherheitsdienste.

Aber worum ging es inhaltlich bei dieser COP? Politisch gesehen war dies eigentlich keine wichtige Klimakonferenz, da auf der COP26 im vergangenen Jahr im sogenannten Glasgow Climate Pact grundlegend beschlossen wurde, welches die Spielregeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015 sind. Das Ergebnis von Glasgow gilt zudem vor allem im Bereich der Minderung von CO2-Emmissionen als ambitioniert, da man sich zum ersten Mal darauf geeinigt hatte, Kohlekraft einzudämmen. Es gab zudem ein regelrechtes Feuerwerk der Ankündigungen, unter anderem um Methanemissionen zu reduzieren und die Finanzierung fossiler Investitionen zu beenden. Zudem wurden alle Länder aufgefordert, ihre nationalen Klimaschutzpläne bis zur nächsten COP nachzuschärfen.

Das heißt aber nicht, dass in Glasgow alles geklärt wurde. Viele offengebliebene Punkte sollten nun in Sharm-el-Sheikh beschlossen werden. Ganz oben auf der Tagesordnung stand dabei die Forderung nach einem Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste, der finanzielle Unterstützung für besonders vom Klimawandel betroffene Länder zur Verfügung stellen soll, in denen bereits Schäden durch Katastrophen wie Dürren, Fluten und andere Extremwetterereignisse entstanden sind (man denke hierbei nur an die diesjährige Flutkatastrophe in Pakistan). Zudem sollte die Finanzierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen erhöht werden sowie das Thema Anpassung allgemein mehr Aufmerksamkeit bekommen. Und nicht zuletzt sollte in Sharm-el-Sheikh auch über die dringend notwendige Steigerung der Reduktionsziele der CO2-Emissionen verhandelt werden, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten.

Die Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste ist das einzige positive Ergebnis des Gipfels in Sharm-el-Sheikh.

Was davon wurde also konkret in Sharm-el-Sheikh beschlossen? Die gute Nachricht zuerst: Trotz des Widerstands vor allem der USA und einiger EU-Länder wurde tatsächlich ein Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste eingerichtet. Das ist eine sehr wichtige Errungenschaft, für die sich insbesondere Länder im Globalen Süden sowie die Zivilgesellschaft bereits seit 30 Jahren erfolglos eingesetzt hatten. Auch wenn die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung des Fonds noch unklar ist, kann dies als großer Erfolg gewertet werden. Die Einrichtung des Fonds ist darüber hinaus ein wichtiges Zeichen internationaler Solidarität für Staaten im Globalen Süden. Besonders in Zeiten, in denen diese Solidarität auch von Industrieländern wie Deutschland und den USA oder der EU bei der Ächtung des russischen Angriffskrieges eingefordert wird.

Wie dieser Fonds nun konkret ausgestaltet wird, muss auf der nächsten COP28 in Dubai verhandelt werden und verspricht, schwierig zu werden. Denn während die Industrieländer darauf bestehen, dass auch große Schwellenländer mit mittlerweile hohen Emissionen, wie insbesondere China, in diesen Topf einzahlen, so bestehen die Entwicklungs- und Schwellenländer darauf, dass die historische Einteilung in Entwicklungs- und Industrieländer beibehalten werden soll, die 1992 im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) festgelegt wurde. Hier lassen sich die wichtigsten geopolitischen Konfliktlinien schon erahnen, da dadurch auch Grundprinzipien des UNFCCC wie das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung in Frage gestellt werden.

Die Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste ist leider auch das einzige positive Ergebnis des Gipfels in Sharm-el-Sheikh, denn in den anderen Bereichen konnten keine Verbesserungen oder konkreten Ergebnisse erzielt werden. Dies gilt zum einen für die Frage der Klimafinanzierung. Hier ist weiterhin unklar, ob die bereits für 2020 versprochenen Zahlungen von 100 MilliardenUS-Dollar jährlich durch die Industrieländer bis 2023 zusammenkommen.

Und auch wie genau die Finanzierung nach 2025 aussehen soll, ist völlig offen. Das Thema Anpassung an den Klimawandel wurde auf der COP27 weiterhin stiefmütterlich behandelt, denn dafür gibt es aktuell, anders als im Bereich Minderung, noch kein globales Ziel. Unter dem COP27-Slogan „Gemeinsam für die Umsetzung“sollte es in Ägypten gerade bei diesen Punkten endlich um die Umsetzung gehen, und weniger um Ankündigungen und abstrakte Ziele. All diese Punkte wurden aber vertagt und werden erst in Dubai wieder auf der Tagesordnung stehen – mal wieder.

Die Gretchenfrage auf der COP27 war jedoch: Wie schaffen wir es, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten, das sich aktuell, wie von UN-Generalsekretär António Guterres so treffend beschrieben, „auf der Intensivstation“ befindet? Laut der NGO Climate Tracker sind 2022 nur 28 Länder der Verpflichtung aus Glasgow nachgekommen, ihre nationalen Klimaschutzpläne zu aktualisieren. Und in den allermeisten Fällen wurden die Reduktionsziele noch nicht einmal verschärft. Auch Deutschland und viele Länder Europas, die als Industrieländer eigentlich ambitionierten Klimaschutz vorantreiben sollten, stehen hier auf Grund der fossilen Energiekrise wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine aktuell nicht gut da.

Die Erwartungen an die Klimakonferenz sind zu hoch.

Das alles waren schlechte Vorzeichen für ein ambitioniertes Ergebnis in Sharm-el-Sheikh. So sind nun leider bei den Ergebnissen in Sharm-el-Sheikh keine Fortschritte, sondern eher sogar Rückschritte erkennbar. Während im Glasgower Abschlussdokument die fossilen Energieträger zum ersten Mal ausdrücklich als Problem benannt wurden, so gibt es im diesjährigen Abschlussdokument kein klares Bekenntnis zur Abkehr von allen fossilen Energieträgern, weil dies von Öl- und Gasstaaten wie Russland und Saudi-Arabien verhindert wurde. Zudem ist das beschlossene Arbeitsprogramm zur CO2-Reduktion nahezu nutzlos, da es keine konkreten zeitlichen und sektoralen Zielvorgaben für die Emissionsreduktionen bis 2030 macht. Und die Deadline für die Verschärfung der nationalen Klimaschutzpläne wurde einfach um ein Jahr nach hinten auf 2023 verschoben.

Auch wenn es zum ersten Mal ein Bekenntnis zu erneuerbaren Energien gibt, so sind die Ergebnisse im Bereich der Minderung absolut unzureichend. Um bei dem Beispiel der Intensivstation zu bleiben, bedeutet das, dass die Maßnahmen nicht mehr ausreichend sein werden, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten. Das hat katastrophale Auswirkungen, da die Erderwärmung bei zwei Grad bereits beträchtlich höhere Schäden mit sich bringt, die kaum noch rückgängig zu machen sind. Hierbei ist das Dilemma vor allem auch, dass die Idee eines Fonds für Schäden und Verluste ad absurdum geführt wird, wenn es nicht gleichzeitig auch eine konsequente Abkehr von fossilen Energieträgern und eine klare Verschärfung der Minderungsziele aller Staaten gibt. Denn dann werden die durch die Klimakrise entstandenen Schäden und Verluste irgendwann so gewaltig sein, dass kein noch so gut ausgestatteter Fonds dieser Welt dafür noch entschädigen kann.

Angesichts dieser eher gemischten bis schlechten Ergebnisse der COP27 stellen sich viele die Frage, ob die COP in diesem Format überhaupt noch geeignet ist, um das größte Problem der Menschheit – die Klimakrise – zu lösen. Jedes Jahr wieder legen viele ihre Hoffnung in diese zweiwöchige Konferenz, in der sich die Staaten der Welt treffen und in aller Eile versucht wird, wichtige Entscheidungen einstimmig zu treffen, um doch noch irgendwie die Kurve zu kriegen und die Welt zu retten. Die Erwartungen an diesen Prozess sind zu hoch. Auch die Medien tragen ihren Teil zu dieser falschen Darstellung bei. Hier sind mehr Realismus und Ehrlichkeit gefragt, was eine solche Konferenz tatsächlich leisten kann. Der UNFCCC-Prozess kann nur eine grobe Richtung vorgeben, um die dringlichsten Probleme der Klimakrise anzugehen. Zusätzlich sind weitere Instrumente notwendig, um die Folgen der Klimakrise zu bekämpfen. Hierzu würde unter anderem die Einrichtung eines ständig tagenden Weltklimaparlaments zählen.

Zudem müssen Hebel auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene gefunden werden, um die bereits gemachten Verpflichtungen umzusetzen und ehrgeizigen Klimaschutz an vielen Stellen und von vielen Richtungen voranzutreiben. Es ist nämlich sehr bequem, sich zurückzulehnen und auf die Staatschefinnen und -chefs zu schimpfen, die es wieder einmal nicht geschafft haben, auf der COP das Klima noch zu retten. Denn hier sind letztlich insbesondere bei der Implementierung alle politischen und gesellschaftlichen Ebenen und Akteure in Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft gefragt.