Ecuador
Während in vielen Ländern noch diskutiert wurde, beschloss Ecuador als erstes Land in Lateinamerika, im Dezember 2021 eine Impfpflicht einzuführen, die weltweit wohl die am weitesten gehende ist. Seit dem 23. Dezember ist für Personen ab dem zwölften Lebensjahr die Impfung gegen Covid verpflichtend. Für Kinder ab fünf Jahren wird sie empfohlen. Derzeit sind knapp 84 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft, 77 Prozent zweimal und 22 Prozent haben bereits einen Booster erhalten (Stand Ende Februar).
Anders als es die heftigen Debatten um die Impfpflicht andernorts erwarten lassen, traf diese Regelung in Ecuador kaum auf politischen und sozialen Widerstand. Kritische Stimmen waren nur vereinzelt zu vernehmen. In der sonst sehr zerstrittenen politischen Parteienlandschaft herrschte weitgehender Konsens über das Vorgehen. Aufrufe einiger weniger Impfgegner zu öffentlichem Protest verliefen für die Organisatoren enttäuschend und entfalteten keinerlei Wirkung. In Ecuador gab es historisch kaum eine Bewegung von Impfskeptikern wie in Europa oder Nordamerika. Die entsprechende Propaganda in den sozialen Medien erreicht aber natürlich auch die Menschen dort.
Die Anti-Impf-Rhetorik verfängt allerdings nicht. Viele Ecuadorianer empfinden die Impfdebatten in Europa und Nordamerika als Luxusproblem, das sie sich, angesichts der ökonomischen und sozialen Krise im Land, schlicht nicht leisten können. Viel zu tief haben sich die traumatischen Ereignisse vom März und April 2020 in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Als erstes Land in der Region traf die Pandemie in Ecuador auf ein vollkommen unvorbereitetes, schlecht regiertes und sich in einer wirtschaftlichen und sozialen Krise befindendes Land. Die Bilder von Leichen auf den Straßen und überfüllten Krankenhäuser in Guayaquil, dem Epizentrum der ersten Pandemiewelle, gingen um die Welt. Allen Ecuadorianerinnen war damit klar, dass sie für den Fall einer Ansteckung besser nicht auf ein funktionierendes Sicherheitsnetz zählen sollten. Das kaputtgesparte Gesundheitssystem war kollabiert, das überforderte Bestattungswesen ging in die Knie.
Viele Ecuadorianer empfinden die Impfdebatten in Europa und Nordamerika als Luxusproblem, das sie sich, angesichts der ökonomischen und sozialen Krise im Land, schlicht nicht leisten können.
Die im Mai 2021 vereidigte Regierung unter dem konservativ-wirtschaftsliberalen Guillermo Lasso rückte daher zügig die Impfkampagne ins Zentrum ihres Handelns. Für Lasso stand fest, dass sich – wenn er die Glaubwürdigkeit der Regierung nicht verspielen wollte – Ereignisse wie im April 2020 nicht wiederholen durften. Im Zuge des Aufkommens der Omikron-Welle samt ansteigender Inzidenzen und Todeszahlen wollte man mit dem Gesetz zur Impfpflicht auf Nummer sicher gehen.
Wahr ist allerdings auch, dass die Umsetzung der Impfpflicht längst nicht so konsequent verläuft, wie es diese Maßnahme vermuten lässt. Ohne Impfzertifikat bleibt einem der Zugang zu nicht essenziellen Aktivitäten verwehrt, wie zum Beispiel der Besuch von Restaurants, Bars oder Shoppingzentren. Je nach Warnstufe kann die Pflicht zum Vorzeigen eines Impfzertifikats auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Die Kontrolle obliegt den jeweiligen Betreibern. Nur diese können bei Zuwiderhandeln bestraft werden. Die Verweigerung der Impfung wird nicht sanktioniert.
So bleibt die Einführung der Impflicht in Ecuador zwar eine international viel beachtete Entscheidung, in der Praxis ist sie allerdings von geringer Relevanz. Die Impfbereitschaft der Bevölkerung war auch ohne Verpflichtung bereits sehr hoch.
Tadschikistan
Es war ein bisschen voreilig, als die tadschikische Regierung im Januar 2021 das Land für frei von Corona erklärte. Fünf Monate später musste man eingestehen, dass die Pandemie doch noch nicht beendet sei. Im Juli 2021 erkrankten mehre Verwandte des tadschikischen Präsidenten Emomali Rakhmon an Corona, seine ältere Schwester verstarb – laut Spekulationen an einer Covid-Infektion. Für den Präsidenten wurde die Pandemie somit auch zu einer persönlichen Bedrohung.
Kurz zuvor, Anfang Juli, hatte die Regierung eine Impflicht ab 18 Jahren eingeführt. Viele Beobachter fragten sich, warum die Regierung so schnell zu einer so unpopulären und weitreichenden Maßnahme griff. Wie viele Regierungen weltweit wurde auch die tadschikische von der Corona-Welle im Sommer 2021 überrascht und fürchtete den Vertrauensverlust der Bevölkerung – insbesondere angesichts ihrer vorigen vollmundigen Erklärung.
Neben der Machterhaltungsfrage für den Präsidenten haben sicherlich auch logistische Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung gespielt. Wie viele Entwicklungsländer erhielt Tadschikistan Impfstoffspenden, was unter anderem mit unklaren Lieferterminen einherging. Eine Impfpflicht kann dazu beitragen, möglichst viele Dosen zügig zu verabreichen.
Wie man Diskussionen unterbindet, zeigte die Regierung mit ihrer Reaktion auf die Proteste in der Region Gorno-Badakschan: Sie kappte kurzerhand für mehrere Wochen den Internetzugang.
Ein weiterer Aspekt ist die Abhängigkeit Tadschikistans von Rücküberweisungen seiner Bürgerinnen und Bürger im Ausland. Vergangenes Jahr arbeiteten rund 2,4 Millionen Tadschiken in Russland – fast 25 Prozent der Bevölkerung. Zur Stabilisierung der Wirtschaft musste die Regierung also auch dafür sorgen, dass die Menschen den für Reisen erforderlichen Impfstatus haben.
Die Impfpflicht ist in der tadschikischen Bevölkerung sehr umstritten. Impfskepsis ist weit verbreitet. In dem autoritär regierten Land gab es jedoch keine offene Debatte darüber. Wie man Diskussionen unterbindet, zeigte die Regierung mit ihrer Reaktion auf die Proteste in der Region Gorno-Badakschan in den vergangenen Monaten. Gegenstand der Proteste war der Versuch des Regimes, die Region stärker zu kontrollieren. Die Regierung kappte kurzerhand für mehrere Wochen den Internetzugang.
Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft und Radikalisierung sind eine zentrale Herausforderung der tadschikischen Politik. Die Proteste in Gorno-Badakschan und die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan haben dies noch einmal verstärkt. Wie sich die Impfpflicht auf diese Tendenzen auswirkt, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird dabei die Meinung der Arbeitsmigranten sein. Durch ihre Rolle als Brotverdiener in vielen Familien haben sie einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung im Land und speisen in diese auch die Debatten aus dem Ausland – beispielsweise Russland – ein.
Griechenland
Katastrophal hohe Sterberaten – im Januar rund 100, im Februar etwa 85 Tote pro Tag – sowie Rekordzahlen bei Krankenhausaufenthalten. Die Lage in Griechenland bleibt ernst – trotz strikter Maßnahmen. Bereits im September 2021 führte Griechenland für Beschäftigte in Altenheimen und im Gesundheitswesen eine Impfpflicht ein. Im Januar trat ein nächster Schritt in Kraft: Ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahre konnten fortan mit Geldstrafen belegt werden.
Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis klopfte sich kräftig auf die Schultern. Die Regierung wertete die Initiative als großen Erfolg. Bereits in den ersten 45 Tagen nach Ankündigung dieser Maßnahme im November ließen sich 220 000 Menschen aus dieser Altersgruppe impfen.
Die Zahlen sind beachtlich. Knapp 90 Prozent der über 60-Jährigen haben eine Dosis erhalten. Mehr als 85 Prozent sind vollständig geimpft, sprich haben entweder einen Booster erhalten hat oder wurden innerhalb der letzten sieben Monate zum zweiten Mal geimpft. Für Griechenland mit der zweitältesten Bevölkerung der EU sei dies von besonderer Bedeutung, erklärte Staatsminister Akis Skertsos. 28 Prozent der Alterskohorte gehörten zudem der höchsten Risikogruppe an.
Ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahre können in Griechenland seit Januar mit Geldstrafen belegt werden.
Das Impfmandat für Beschäftigte wird konkret dadurch umgesetzt, dass die ungefähr 4 700 Betroffenen, die bisher noch keinen Impfstatus vorweisen können, zunächst bis zum 31. März vom Dienst suspendiert sind. Nach Ablauf dieses Zeitraums wird entschieden, ob ihre Suspendierung bis zum Ende der Pandemie – also auf vorerst unbestimmte Zeit – verlängert wird.
Ungeimpfte Menschen aus der Altersgruppe der über 60-Jährigen zahlen seit Mitte Januar ein Bußgeld in Höhe von 100 Euro pro Monat. Es gibt jedoch einige Ausnahmenregelungen, zum Beispiel bei Vorliegen gesundheitlicher Impfrisiken oder bei Problemen mit der Anerkennung ausländischer Impfungen. Die Bußgeldeinnahmen sollen an staatliche Krankenhäuser fließen.
Im Parlament stimmte die konservative Regierungspartei Nea Demokratia ebenso wie die oppositionelle Mitte-links-Partei KINAL für die Impfpflicht. Die radikal linke SYRIZA unter Alexis Tsipras, die Mera25 von Yanis Varoufakis sowie die rechtspopulistische Partei Griechische Lösung stimmten dagegen.
Die Opposition äußerte harsche Kritik an der Impfpflicht. Diese sei Ausdruck einer gescheiterten nationalen Impfkampagne, bei der die Regierung nicht genug Aufklärung und Überzeugungsarbeit geleistet habe. SYRIZA fand besonders klare Worte: „Die Schuldigen, die hinter dieser enormen Gesundheitskrise stecken und den Kollaps des nationalen Gesundheitswesens fürchten, weisen jegliche Verantwortung von sich und erlegen diese zum wiederholten Male ihren Bürgern auf.“
Bemängelt wird auch, dass für andere Berufsgruppen, wie zum Beispiel die Polizei oder den Klerus, keine Impfpflicht eingeführt wurde. Auch das Bußgeld für Ungeimpfte bei den über 60-Jährigen trifft auf Unverständnis. Kritiker bezweifeln, dass es sich hierbei um eine gerechtfertigte Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung handelt. Nach Meinung mancher dient sie eher dazu, mehr Druck auf betroffene Personengruppen aufzubauen.