Mongolei

Die Corona-Pandemie in der Mongolei gleicht einer Berg- und Talfahrt. Die zu Beginn der Pandemie durch eine entschlossene Präventionspolitik erzielten Erfolge wurden im weiteren Verlauf durch Pandemie-Müdigkeit in Bevölkerung, Wirtschaft und Politik wieder verspielt. Gelang es der Mongolei bis zum November 2020 durch die Schließung von Grenzen, Schulen und weiten Teilen des öffentlichen Lebens lokale Übertragungen zu verhindern, hielten nach umfangreichen Lockerungen im Frühling und Sommer 2021 zwei heftige Wellen das Land in Atem. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Pandemie am 18. Juni 2021, als in dem rund drei Millionen Einwohner zählenden Land 2 746 Neuinfektionen registriert wurden. Die Dunkelziffer dürfte jedoch um ein Vielfaches darüber gelegen haben. Der Anteil der positiven Covid-19-Tests lag zeitweise bei über 25 Prozent. Dem schwachen Gesundheitssystem drohte der Kollaps. Intensivbetten wurden knapp, während Ärzte und Pfleger gegen Überlastung und schlechte Bezahlung demonstrierten.

Dass sich die Lage mittlerweile wieder etwas entspannt hat, liegt vor allem an der energisch vorangetriebenen Impfkampagne. Es gibt reichlich Impfstoff und kaum Impfverweigerer. Inzwischen haben rund 55 Prozent der Bevölkerung mindestens zwei Impfdosen erhalten. Der stabile Impfstoff-Nachschub der Mongolei hat viel mit der geschickten Außenpolitik des Landes zu tun. Als zwischen Russland und China gelegene Demokratie ist es der Mongolei seit jeher gelungen, die Interessen der beiden schwierigen Nachbarn auszugleichen und darüber hinaus enge Bande zu den Demokratien Asiens, Nordamerikas und Europas zu knüpfen. Wer viele Freunde hat, die miteinander um Macht und Einfluss in Asien konkurrieren, der bekommt auch reichlich Impfstoff.

Wer viele Freunde hat, die miteinander um Macht und Einfluss in Asien konkurrieren, der bekommt auch reichlich Impfstoff.

Das Rückgrat der mongolischen Impfkampagne ist Chinas Sinopharm-Impfstoff, der für die breite Bevölkerung verwendet wird. Risikogruppen und systemrelevante Berufe erhalten vor allem durch die Covax-Initiative westliche Vakzine. In kleineren Mengen kommt auch das russische Sputnik V zum Einsatz.

Doch die populäre Strategie der Regierung, die Pandemie durch Impfen statt Prävention in den Griff zu bekommen, ist riskant. Gerade in der letzten Welle erkrankten auffallend viele zweifach Geimpfte an Covid-19. Diese blieben zwar meistens symptomfrei, steckten aber Familienmitglieder, Freunde und Arbeitskolleginnen an. Die Wirksamkeit vor allem chinesischer Impfstoffe wird in der Öffentlichkeit daher zusehends kritisch diskutiert.

Vielen gilt der Wahlkampf im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen als Ursache für die sprunghafte Zunahme der Infektionen im Juni. Das hat der Regierung herbe Kritik eingebracht. Auf öffentlichen Druck wurden daraufhin die meisten Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der mongolischen Volksrevolution abgesagt.

Vermutet wird zudem, dass die Delta-Variante für das jüngste Infektionsgeschehen verantwortlich sein könnte. Bestätigt werden konnte dies bislang nicht, da es in der Mongolei keine Möglichkeiten zur Sequenzierung gibt. Im Juli wurden 50 Proben nach Japan versandt, von denen fünf positiv auf die Delta-Variante getestet wurden. Es bleibt für die mongolische Pandemiebekämpfung somit bis auf Weiteres bei einem Blindflug in Sachen Virusvarianten und der riskanten Wette auf eine erfolgreiche Impfkampagne.

Niels Hegewisch, FES Mongolei

 

Tansania

Mit der Haltung, die Pandemie im eigenen Land auszuklammern, stand Tansania bis vor kurzem global einigermaßen isoliert da. Als eines von weltweit sechs Ländern, die noch überhaupt nicht mit dem Impfen begonnen haben, fragte Tansania Mitte Juni bei der Covax-Initiative an. Innerhalb von sechs Monaten sollen nun die ersten Impfstoffe im Land eintreffen. Jenseits der großen Frage, wie es um die Impfbereitschaft im Land steht, ist das eine Kehrtwende. Sansibar, der halbautonome Teil der Vereinigten Republik Tansanias, ist allerdings bereits zuvor mit der Zusage vorgeprescht, die Insel werde Impfstoffe für die Haddsch-Pilgerreise zur Verfügung stellen. Dort wird auch seit dieser Woche geimpft.

Die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan, die nach dem Tod ihres Vorgängers seit dem 19. März 2021 regiert, warnt fast täglich vor der dritten Covid-19-Welle, wie sie sich in den Nachbarländern zeigt, und betont die komplett neue Situation aufgrund der „weit tödlicheren“ Delta-Variante. Kommunikativ ist das geschickt. Denn zuvor wurde in Tansania Stillschweigen über das Thema bewahrt. Das bedeutet auch, dass das Land in der öffentlichen Debatte nicht vor seiner dritten, sondern vor der ersten Welle steht. Das zeigt sich zum einen im Straßenbild: Verhaltensänderungen im öffentlichen Raum gehen nur sehr langsam vonstatten. Masken findet man dort, wo sich Unternehmen oder Organisationen frühzeitig entschieden hatten, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Zum anderen sind Des- und Fehlinformationen im Umgang mit dem Coronavirus sowie Gerüchte über negative Impffolgen weit verbreitet.

Den Wunsch, einen wissenschaftsbasierten Ansatz beim Infektionsschutz zu verfolgen, offenbarte die neue Präsidentin direkt nach ihrer Amtsübernahme, indem sie eine Expertenkommission einberief, die Mitte Mai 19 umfassende Empfehlungen zum Umgang mit der damals schon bevorstehenden dritten Welle der Pandemie und zur Impfpriorisierung vorlegte. Behutsam wagt man sich in das neue Terrain vor. Samia Suluhu Hassan selbst ist sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und trägt seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit Maske. Der Fokus ist, Bewusstsein zu schaffen.

Natürlich möchte kein afrikanisches Land als Bittsteller wahrgenommen werden.

Gleichwohl lässt sich keine verlässliche Aussage über die Verbreitung des Coronavirus in Tansania treffen. Weiterhin sind die letzten an die WHO gemeldeten – und öffentlich abrufbaren Daten – von Mai 2020. Kurz nach der einmütig positiv beschiedenen 100-Tage-Bilanz der Präsidentin gab Samia Suluhu Hassan selbst Ende Juni erstmals eine Zahl bekannt: Es gebe 100 Fälle in Krankenhäusern, wovon 70 auf Sauerstoff angewiesen seien. Ende letzter Woche wurden von der Gesundheitsministerin 408 neue Covid-19-Fälle vermeldet. Es mehren sich seither Warnungen von Krankenhäusern, dass es nicht genügend Sauerstoff gebe, um alle Patientinnen und Patienten zu versorgen. Gleichzeitig wird gemahnt, die Bevölkerung müsse jetzt alle Vorkehrungen treffen, um eine schlimme Situation im Land zu vermeiden. 

Tansania sucht nun das Vertrauen internationaler Entwicklungspartner und Investoren, auch zur Mobilisierung finanzieller Ressourcen für medizinische Ausrüstung, Training und Impfungen. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass die globale Impfstoffverteilung im Allgemeinen immense Irritationen hinterlässt. Natürlich möchte kein afrikanisches Land als Bittsteller wahrgenommen werden. Und wer will schon mit Impfkampagnen beginnen, ohne ein Impfangebot machen zu können? Tansania hat hierfür eine eigene Antwort gefunden: Zusammen mit der Ankündigung, dass Covid-19-Impfstoff dank Covax ab Dezember für Impffreiwillige zur Verfügung stünde, wurde mitgeteilt, dass man die lokale Produktion verschiedener Impfstoffe, inklusive eines möglichen Covid-Vakzins, aufnehmen werde.

Elisabeth Bollrich, FES Tansania

 

Uruguay

Auf der Achterbahnfahrt, die die Pandemie in vielerlei Hinsicht weltweit bedeutet, legte Uruguay noch einige Loopings drauf: Blieben hohe Infektionszahlen im letzten Jahr noch so lange aus, dass man sich im Juni 2020 schon Covid-frei erklären wollte, riss Uruguay im April 2021 mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 790 die Welthöchstmarke.

Zeitgleich mit Pandemiebeginn und nach 15 Jahren progressiver Regierung unter der Mitte-links-Koalition Frente Amplio hatte eine rechts-konservative Regierung unter dem Präsidenten Luís Lacalle Pou das Ruder übernommen. Gemäß neoliberaler Doktrin wollte man öffentliche Ausgaben und Marktinterventionen rasch reduzieren. Selbst nach dem Covid-Ausbruch blieb man diesem Kurs treu.

Zwar reagierte die Regierung auf den Pandemiebeginn zuerst mit einem Lockdown und der Einberufung eines wissenschaftlichen Beraterstabs. Nach wenigen Wochen und angesichts niedriger Infektionszahlen schlug man deren Empfehlungen jedoch in den Wind, zumal Geschäfts- stets vor Gesundheitsinteresse ging. Einkaufszentren, Restaurants und Sportstudios sind seither geöffnet und Maskenpflicht besteht nur für Innenräume. Während der öffentliche Dienst ins Homeoffice geschickt und Schulen zeitweise geschlossen wurden, galt dies nie für den privaten Sektor. Ohne Verbote und Schließungen setze man auf die „verantwortungsvolle Freiheit des Einzelnen“. Gewerkschafter beispielsweise dürften so zwar eine volle Bar besuchen , liefen jedoch Gefahr, bei einer Kundgebung festgenommen zu werden, denn diese Art der Zusammenkünfte ist Covid-bedingt untersagt.

Wie in Zukunft neoliberaler Staatsabbau und Austerität mit einem post-Covid-Wiederaufbau zusammengehen sollen, bleibt fraglich.

Die Quittung kam im April 2021 mit der weltweit höchsten Inzidenz. Dass bei einer Infektionsrate von 11 Prozent (zum Vergleich Deutschland: 4,5 Prozent) die Zahl der Todesfälle relativ gering blieb, ist nur den kontinuierlichen Investitionen der drei Vorgängerregierungen in das öffentliche Gesundheitssystem zu verdanken. Selbstgefällig hatte die Regierung Lacalle Pou sich zudem lange Zeit gar nicht um Impfstoff bemüht, wurde unter dem Infektionsdruck dann aber schnell mit China handelseinig – wie andernorts auch wurden Verträge und Konditionen nie veröffentlicht.

In nur vier Monaten gelang es so, 56 Prozent der erwachsenen Bevölkerung vollständig zu impfen – wiederum Weltspitze, allerdings hat Uruguay mit 3,5 Millionen auch nur so viele Einwohner wie die Stadt Berlin. Heute liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 111. Es ist unklar, wieviel des Rückgangs auf die Impfkampagne zurückgeht und wieviel auf den jüngsten Beschluss der Regierung, die Zahl der kostenlos angebotenen PCR-Tests zu halbieren – nach dem Motto: weniger Tests, weniger Zahlenwerk. Und da der Grenzverkehr zum Nachbarn Brasilien nie eingeschränkt wurde, dürfte die Delta-Variante – wenn auch offiziell nicht bestätigt – längst angekommen sein.

Wie in Zukunft neoliberaler Staatsabbau und Austerität mit einem post-Covid-Wiederaufbau zusammengehen sollen, bleibt so fraglich. Laut der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist Uruguay das Land in der Region, das am wenigsten in die Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie investiert.

Dörte Wollrad, FES Uruguay