Globale Krisen verlangen globale Antworten – selten zuvor hat sich an so vielen Beispielen zeitgleich gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Staatengemeinschaft gemeinsame Ansätze zur Lösung der drängendsten internationalen Probleme entwickelt. Pandemien und Klimakatastrophen betreffen die Menschheit insgesamt, und auch die zunehmende Ungleichheit und extreme Armut sind Phänomene, die nicht auf einige wenige Länder im Globalen Süden beschränkt sind, sondern spätestens mit ihren Folgeproblemen (z.B. unfreiwilliger Migration) auch viele andere Länder unmittelbar berühren. Global sind die Krisen aber vor allem auch deshalb, weil es eine politische, völkerrechtliche und nicht zuletzt auch postkoloniale Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft gibt, ihre von den gegenwärtigen Krisen besonders stark betroffenen Mitglieder nach Kräften zu unterstützen.
In den vergangenen Wochen sind auf dem G20-Gipfel auf Bali und der Klimakonferenz in Sharm El Sheikh zwei neue Finanzierungsinitiativen beschlossen worden, mit deren Hilfe die Regierungen versuchen, einige der größten Probleme gemeinsam in den Griff zu bekommen. Zum Auftakt des G20-Gipfels wurde ein Pandemie-Fonds vorgestellt, dessen Aufgabe es sein wird, die Gesundheitssysteme von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu stärken und sie so besser auf die Bekämpfung von Pandemien vorzubereiten. Auch wenn bislang hierfür nur 1,4 MilliardenUS-Dollar zugesagt worden sind (der jährliche Finanzbedarf wird auf etwa 10,5 MilliardenUS-Dollar geschätzt), sind erstmals auch Länder wie Indonesien, China und Südafrika als Ko-Investoren mit größeren Beiträgen an einem derartigen Fonds beteiligt.
Von der Weltöffentlichkeit weniger beachtet sind die Verhandlungen, um vier Milliarden Menschen sozial abzusichern.
Mit einem ernüchternden Ergebnis ist die Klimakonferenz in Ägypten zu Ende gegangen: Die mangelnde Bereitschaft einiger Konferenzteilnehmenden, sich auf den Ausstieg aus allen fossilen Energien einzulassen, stellt zweifellos eine herbe Enttäuschung und einen massiven Rückschlag für den Klimaschutz dar. Deutliche Fortschritte konnten jedoch, nicht zuletzt aufgrund des Engagements der Bundesregierung, im Bereich der Klimafolgenbewältigung erzielt werden. Die Delegierten haben sich auf die Einrichtung eines Fonds geeinigt, aus dem Ersatz für die durch Überschwemmungen, Dürren und andere klimawandelbedingte Katastrophen verursachten Verluste und Schäden (loss and damage) geleistet werden kann. Die Abschlusserklärung enthält hierzu zunächst nur einen Grundsatzbeschluss, die Detailarbeit wird nun in den nächsten Monaten erfolgen müssen.
Von der Weltöffentlichkeit weniger beachtet, aber keineswegs weniger wichtig sind die Verhandlungen, die zurzeit über die Ausgestaltung des Global Accelerator on Jobs and Social Protection for Just Transitions geführt werden. Der UN-Generalsekretär hatte 2021 einen solchen Mechanismus vorgeschlagen, die Staats- und Regierungschefs der G7 haben in ihrer diesjährigen Abschlusserklärung ausdrücklich bekräftigt, dass sie die Initiative unterstützen. Eines der Ziele des Global Accelerator ist es, in den nächsten Jahren ausreichend Finanzmittel zu mobilisieren, um vier Milliarden mehr Menschen sozial abzusichern und sie auf diese Weise aus der – oftmals extremen – Armut zu befreien. Selbstverständlich ist jeder Staat in erster Linie selbst dafür verantwortlich, dass die hierfür notwendigen Sozialsysteme aufgebaut und finanziert werden. Aber für einige ärmere Länder ist es sehr schwierig – um nicht zu sagen: unmöglich –, die erforderlichen Mittel vollständig aus eigenen Ressourcen aufzubringen. Sie sind zumindest für eine Übergangszeit auf die Unterstützung durch andere Staaten angewiesen. Daher wird bereits seit einiger Zeit ein internationaler Finanzierungsmechanismus – ein Global Fund for Social Protection – gefordert, der für derartige Armutsbekämpfungsmaßnahmen die notwendige Anschubfinanzierung gewährleistet. Die Ampel-Fraktionen haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass sie sich für die Einrichtung eines solchen Fonds einsetzen werden.
Es reicht nicht aus, dass die internationale Gemeinschaft Geld zur Verfügung stellt.
Die neuen Finanzierungsinitiativen sind unverzichtbar, wenn es um die Bewältigung der aktuell drängendsten globalen Probleme geht. Es reicht allerdings nicht aus, dass die internationale Gemeinschaft Geld zur Verfügung stellt. Die Finanzierung muss so erfolgen, dass die Länder des Globalen Südens nicht noch weiter in die Schuldenfalle gedrängt werden – und vor allem muss über die Verwendung dieses Geldes auch partnerschaftlich entschieden werden. Konkret heißt dies, dass in den Gremien, in denen über den Einsatz der Finanzmittel beraten wird, die beteiligten Regierungen aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden sich auf Augenhöhe begegnen können – also insbesondere über die gleichen Stimmrechte verfügen. Ebenso gehört dazu, der Zivilgesellschaft Mitberatungs- und Entscheidungsrechte einzuräumen. Jede andere Ausgestaltung der neuen Finanzinstitutionen würde in einen klaren Widerspruch zu den Prinzipien einer zeitgemäßen, feministischen Außen- und Entwicklungspolitik geraten! Denn zu deren wesentlichen Charakteristika zählt ja gerade, machtkritisch die postkoloniale Ordnung zu hinterfragen. Globale Krisenbewältigung kann nur gelingen, wenn darauf geachtet wird, dass das höchst ungleiche Kräfteverhältnis, das die Nord-Süd-Beziehungen prägt, nicht noch weiter verfestigt wird und dass die von den Krisen betroffenen Menschen in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.
Im Pandemie-Fonds werden – danach sieht es zumindest derzeit aus – diese Grundsätze in den Entscheidungsstrukturen weitgehend erreicht: Dort ist vorgesehen, dass die gleiche Zahl an reichen und ärmeren Ländern sowie darüber hinaus auch zivilgesellschaftliche Gruppen dem Lenkungsgremium angehören sollen. Für die in Sharm El Sheikh beschlossene neue loss and damage-Finanzierungsinstitution sind noch keine Details zur Zusammensetzung der Leitungsorgane ausgehandelt worden, Entscheidungen hierzu folgen wohl erst im nächsten Jahr. Allerdings sind im Vorfeld der Klimakonferenz bereits Konzepte zu einer partnerschaftlichen Gremiengestaltung erstellt worden, die eine gute Orientierungsgrundlage für die nun anstehende Umsetzungsarbeit bilden könnten.
Auch für die Armutsbekämpfung durch Ausweitung der globalen sozialen Sicherung gibt es solche Vorschläge. Hier erscheint ein Richtungswechsel der bi- und multilateralen Kooperation ganz besonders notwendig, da die Weltbank, die in diesem Bereich mit Abstand größte Geberinstitution, vornehmlich mit Treuhandfonds arbeitet. Dabei handelt es sich um ein Instrument, bei dem die Partner im Süden und zivilgesellschaftliche Organisationen häufig von Mitentscheidungsrechten ausgeschlossen bleiben. Es wäre fatal, wenn die bisherige, alles andere als „auf Augenhöhe“ angesiedelte Förderpolitik nun – nur unter einem anderen Namen – fortgesetzt würde. Denn das würde weiteres, dringend notwendiges Vertrauen gegenüber den Menschen im Globalen Süden verspielen. Die Bundesregierung, die sich im Bereich der sozialen Sicherung aktuell besonders stark engagiert, sollte daher im Sinne einer feministischen Entwicklungspolitik die Chance nutzen, bei der Gestaltung des Global Accelerator auf partnerschaftliche Strukturen zu drängen, die diesen Namen auch wirklich verdienen.