Gegen den Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt und gegen Pandemien können einzelne Länder alleine wenig ausrichten. Denn die Auswirkungen dieser Krisen machen vor Ländergrenzen nicht Halt. Deshalb muss die Weltgemeinschaft diese Probleme gemeinsam bekämpfen. Und das kostet Geld – und da kommt die Weltbank ins Spiel. Denn sie ist die größte Entwicklungsfinanziererin und hat somit einen erheblichen Einfluss darauf, Gelder für den Kampf gegen die Klimakrise und andere globale Herausforderungen zu mobilisieren.
Die Weltbank muss ihr bisheriges Geschäftsmodell an die enormen globalen Herausforderungen anpassen und ihren Fokus erweitern. Sie muss Länder weltweit dabei unterstützen, nachhaltigere Lebens-, Produktions- und Verbrauchsweisen einzuführen. Ziel ist es, auch gegen Klimarisiken, zukünftige Pandemien und andere Krisen gewappnet zu sein. Es geht also nicht um mehr Wachstum um jeden Preis, sondern um nachhaltige Entwicklung, deren Profite gerecht verteilt werden.
Globale öffentliche Güter sind Dinge, die alle Menschen weltweit zum Überleben brauchen. Eine saubere Umwelt, ein stabiles Klima, Frieden und globale Gesundheit. Globale öffentliche Güter im Globalen Süden bereitzustellen oder zu schützen, kostet bis 2030 jährlich schätzungsweise 2,4 Billionen US-Dollar. Diese Zahl mag erschrecken, aber wie die Weltbank zu Recht betont, sind dies geringe Kosten im Vergleich zu den Folgekosten, die Nichtstun mit sich bringen würde. Je früher sich die Weltgemeinschaft diesen Herausforderungen stellt, desto mehr negative Auswirkungen und Kosten kann sie vermeiden. Studien zeigen, dass für jeden Dollar, der in Prävention und Nachhaltigkeit investiert wird, langfristig vier Dollar für Krisenreaktionen eingespart werden. Das zeigt: Vorausschauendes Denken und Investitionen in die Prävention zahlen sich aus.
Aber wie kommt die Weltbank an das dafür notwendige Kapital? Indem sie ihre Strukturen und Arbeitsweisen verändert. Indem sie mehr private Gelder hebelt. Und indem sie ihre Kriterien für die Kreditvergabe anders ausrichtet, zum Beispiel vergünstigte Kredite für den Schutz globaler öffentlicher Güter anbietet.
Es geht also nicht um mehr Wachstum um jeden Preis, sondern um nachhaltige Entwicklung.
Die Weltbank soll ihr Geschäftsmodell verändern. Die fünf Institutionen der Weltbankgruppe – darunter der Weltbankarm für Länder mittleren Einkommens (IBRD) und der Arm für die ärmsten Länder (IDA), die Internationale Finanzinstitution (IFC) und die Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur (MIGA) – müssen enger kooperieren. Bisher konzentrieren sich diese Institutionen entweder auf den öffentlichen oder den privaten Sektor und arbeiten nicht eng genug zusammen. Wir brauchen aber koordinierte öffentlich-private Ansätze.
Im Rahmen des von mir befürworteten Konzepts der „Einen Weltbankgruppe“ sollen alle Institutionen den kreditnehmenden Ländern koordinierte Unterstützung gewähren: Sie würden sich auf gemeinsame oder sich ergänzende Analysen stützen, zum Beispiel mithilfe von neuen Privatsektoranalysen und Länderberichten, die sich auf die Klima- und Entwicklungsherausforderungen konzentrieren. Und sie sollten ihre jeweiligen Instrumente so einsetzen, dass sie einander dort ergänzen, wo Lücken bleiben. Damit der Privatsektor in Vorhaben zum Klimaschutz investiert, braucht es aber nicht nur gut vorbereitete Projekte durch die IFC und Risiko-Absicherungen durch die MIGA, sondern auch eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen durch IBRD und IDA, zum Beispiel bei der Regulierung oder durch staatliche Anreizstrukturen. Dieser Ansatz würde der Bank dabei helfen, Hemmnisse für private Investitionen besser zu erkennen und wirksam anzugehen.
Durch Effizienzsteigerung können bestehende Mittel besser eingesetzt werden. Doch wie kann die oben genannte erhebliche Finanzierungslücke von 2,4 Billionen US-Dollar jährlich geschlossen werden? Es ist klar, dass keine einzelne Institution dies alleine erreichen kann. Nicht die Weltbank und nicht einmal alle multilateralen Entwicklungsbanken zusammen. Um das benötigte Kapital für eine nachhaltige Entwicklungspolitik zu beschaffen, müssen mehr öffentliche und vor allem auch private Gelder mobilisiert werden. Bislang ist es der internationalen Entwicklungspolitik nicht gelungen, Investitionen des Privatsektors in angemessenem Umfang zu mobilisieren, insbesondere in klimarelevanten Bereichen. Im Jahr 2020 wurden nur 13,1 Milliarden US-Dollar Privatkapital für die Klimafinanzierung mobilisiert – das sind weniger als 0,5 Prozent der oben genannten erforderlichen 2,4 Billionen Dollar. Zudem verlangsamt sich die Mobilisierung, statt Fahrt aufzunehmen.
Investitionen in erneuerbare Energien lohnen sich: Denn diese sind zunehmend die kostengünstigste und damit theoretisch die beste wirtschaftliche Option. Aber es bedarf noch zusätzlicher und besserer Anreize für Investitionen in globale öffentliche Güter. Private Investitionen werden nicht automatisch erfolgen, sie müssen sich für die Investorinnen und Investoren lohnen, sie müssen zukunftsträchtig sein. Hier kommt die Politik ins Spiel: Private Investorinnen und Investoren müssen davon überzeugt werden, ihr Kapital in Nachhaltigkeit zu investieren. Der Staat muss klimafreundliche Rahmenbedingungen setzen. Zudem müssen Risiken verringert werden. Deshalb unterstütze ich den Plan des neuen Präsidenten Ajay Banga, die Weltbank zu einer „fundierten Risikobereitschaft“ zu führen. So könnte die Weltbank Risiken absichern, die sich für private Investoren als zu groß darstellen.
Private Investorinnen und Investoren müssen davon überzeugt werden, ihr Kapital in Nachhaltigkeit zu investieren.
Es geht aber nicht nur um die Sicherheit von Investitionen, sondern auch um ein klares politisches Signal, dass Nachhaltigkeit der einzige Weg ist. Dafür braucht es politische Reformen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung des Energie-, Verkehrs- und Agrarsektors. Bisher wurden für Investitionen nämlich falsche Anreize gesetzt. Regierungen weltweit gaben im Jahr 2021 rund 577 Milliarden US-Dollar für direkte Subventionen von fossilen Brennstoffen aus und trugen damit zu Luftverschmutzung, Ineffizienz und steigenden Schuldenlasten bei. In vielen Ländern sind die Zölle auf nachhaltige Waren wesentlich höher als die auf weniger umweltfreundliche Waren. Teilweise sind Sektoren so reguliert, dass Investitionen in erneuerbare Energien sich nicht lohnen oder erschwert werden.
Diese politischen Hindernisse, die Investitionen des Privatsektors in nachhaltige Geschäftsmöglichkeiten blockieren, müssen kategorisch abgebaut werden. Es müssen Anreize für Investitionen geschaffen werden, die globale öffentliche Güter schützen und somit zugleich anderen Ländern oder der Weltgemeinschaft zugutekommen. Entwicklungsbanken nutzen aktuell nur einen kleinen Anteil ihrer Gelder, um politische Reformen voranzutreiben. Dabei könnte durch die Verbindung von Politikberatung und Kreditvergabe eine ganze Menge mehr erreicht werden. An große Kredite wie zum Beispiel Budgethilfen könnte noch gezielter Beratung geknüpft werden, die die Länder dabei unterstützt, schädliche Subventionen für fossile Energien abzubauen oder die Energietransformation sozial gerecht zu gestalten.
Transformative Reformen bringen viele Vorteile mit sich. Es liegt aber in der Natur öffentlicher Güter, dass Länder im Alleingang zu wenig Anreize haben, eine Finanzierung – die ja von ihnen zurückgezahlt werden muss – zu beantragen. Warum? Weil Klimareformen oft eine politische Herausforderung darstellen, selbst wenn sie wirtschaftlich klug sind. Und weil einige Länder Sorge haben, dass Gelder, die für Investitionen in den Klimaschutz genehmigt werden, dann nicht mehr für andere dringende nationale Entwicklungsziele wie Hunger- oder Armutsbekämpfung zur Verfügung stehen. Um Partnerländern diese Sorge zu nehmen und sie für die Investitionen in globale öffentliche Güter zu motivieren, sind entsprechende politikbasierte Kreditprogramme förderlich. Und Investitionen, die das globale Klima schützen, unterstützen zugleich langfristig den Kampf gegen Hunger und Armut. Günstige Kredite für globale öffentliche Güter sollten generell auch für Länder mit mittlerem Einkommen zur Verfügung stehen. Schließlich sind Länder wie Brasilien und Indien der Schlüssel, um die Bemühungen um den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas voranzutreiben. Es ist daher im globalen Interesse, sie auf diesem Weg zu unterstützen.
Als deutsche Gouverneurin der Weltbank werde ich mich gemeinsam mit Weltbankpräsident Ajay Banga intensiv für diese Reformen engagieren. Und ich hoffe, dass sich alle Beteiligten auf der nächsten Jahrestagung im Oktober in Marrakesch darauf verständigen werden, konkrete Schritte zur Umsetzung dieser Empfehlungen zu unternehmen. Denn wir haben keine Zeit zu verlieren: Wir müssen die Weltbankgruppe fit für die Zukunft machen und ihr helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und zu einer Transformationsbank für mehr Nachhaltigkeit zu werden.