Vier Jahre lang schikanierte Donald Trump als US-Präsident mit immer neuen Mitteln zentralamerikanische Migrantinnen und Migranten. Insbesondere die Menschen aus den Ländern des „nördlichen Dreiecks“ Zentralamerikas hatten unter Trump zu leiden. Migranten aus Guatemala, Honduras und El Salvador, die zu Hunderttausenden vor Armut, Gewalt und Korruption in ihren Heimatländern flohen und sich in riesigen Karawanen zu Fuß auf den Weg nach Norden machten, wurden von der Trump-Regierung mit immer neuen Mitteln schikaniert: Der US-Präsident diffamierte sie als „Kriminelle“ und ließ Kinder in den US-Auffanglagern von ihren Eltern trennen. Am Ende handelte er mit den drei Ländern sogar Abkommen aus, die Guatemala, Honduras und El Salvador zu sicheren Drittstaaten erklärten – trotz der völlig desolaten Lage in der Region.

„Das größte Interesse der USA in Zentralamerika ist die Eindämmung der Migration“, erklärt Álvaro Montenegro, guatemaltekischer Kolumnist und Mitbegründer der Bürgerbewegung „Justicia Ya“, die für eine transparente Politik in Guatemala kämpft. Auch unter Barack Obama hatte das Thema Migration schon höchste Priorität – doch der Ansatz war ein anderer als während der Amtszeit von Trump. „Damals hat die US-Regierung auch die Fluchtgründe wie die weitverbreitete Korruption in den Fokus genommen“, erinnert sich Montenegro. „Deshalb ging es vor allem um die Stärkung staatlicher Institutionen und die Unterstützung der Zivilgesellschaft.“ Das wichtigste politische Signal der Obama-Administration war die uneingeschränkte Unterstützung der UN-Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), die zahlreiche korrupte Politiker und Unternehmer zu Fall brachte und so spektakuläre Erfolge bei der Durchsetzung des Rechtsstaats in Guatemala erzielen konnte.

Doch die Erfolge der CICIG waren nicht von langer Dauer, denn mit dem Amtsantritt Trumps wurde der Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit in Guatemala immer schwieriger. Das lag auch am Lobbying der konservativen Eliten des Landes. Sie wirkten während der Trump-Administration darauf hin, wichtige Fortschritte auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung zurückzudrehen, um ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen zu sichern. Mit viel Geld und Ausdauer versuchten sie, die CICIG in Washington als angeblich parteiische Kommission mit linker Agenda in Verruf zu bringen – und hatten damit am Ende sogar Erfolg: Als der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales das Mandat der Kommission 2019 auslaufen ließ, griff Washington nicht ein. „Für Trump waren die guatemaltekische Regierung und die Unternehmer des Landes die einzigen Verbündeten“, erläutert Montenegro. „Mit dem Amtsantritt Bidens könnte nun auch die Zivilgesellschaft endlich wieder mehr Gehör finden.“

Ein Gesetz sieht die jährliche Veröffentlichung aller Personen aus Guatemala, Honduras und El Salvador vor, die der US-Regierung als korrupte und undemokratische Akteure bekannt sind.

Die Eliten des Landes hat diese Aussicht in Alarmbereitschaft versetzt. Noch stärker als bisher sind sie nun darauf angewiesen, die Reihen zu schließen und kritische Institutionen zum Schweigen zu bringen. Ein wichtiger Termin dürfte daher die Neubesetzung des guatemaltekischen Verfassungsgerichts im April dieses Jahres sein, das sich mit seinen Entscheidungen in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die Interessen der mächtigen Elite gestellt hat. „Sie wird alles daransetzen, das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen“, sagt Álvaro Montenegro. Der intransparente Nominierungsprozess für das höchste Gericht des Landes ist besonders anfällig für Einflüsse von außen.

Dabei könnte der Elite jedoch ein Gesetz in die Quere kommen, das der US-Kongress erst im Dezember 2020 verabschiedet hat. Es sieht die jährliche Veröffentlichung aller Personen aus Guatemala, Honduras und El Salvador vor, die der US-Regierung als korrupte und undemokratische Akteure bekannt sind. Eine Veröffentlichung in der „Liste Engel“ – benannt nach dem früheren Kongress-Abgeordneten Eliot Engel, der das Gesetz initiiert hat – kann weitreichende Sanktionen wie den Entzug der Einreisegenehmigung oder die Beendigung geschäftlicher Tätigkeiten in den USA nach sich ziehen. Auch in Zentralamerika selbst dürfte die Liste zu einem wichtigen politischen Instrument für all jene werden, die gegen die Korruption und für mehr Demokratie kämpfen.

Das könnte schon bald auch der salvadorianische Präsident Nayib Bukele zu spüren bekommen. Der Staatschef, der mit seinem autoritären Auftreten demokratische Grundprinzipien wie die Gewaltenteilung und die unabhängige Rechtsprechung immer wieder mit Füßen tritt, hatte stets einen guten Draht zu US-Präsident Trump. Nun muss er sogar befürchten, dass Mitglieder seiner eigenen Regierung auf der „Liste Engel“ öffentlich gebrandmarkt werden. „Wir wissen noch nicht, wie Bukele darauf reagieren wird“, sagt Jessica Estrada vom salvadorianischen Thinktank Stiftung für Entwicklung (FUNDE). „Washington hat allerdings klargemacht, dass es Machtmissbrauch und Korruption nicht länger tolerieren wird.“

US-Präsident Biden hat schon angekündigt, die Korruptionsbekämpfung in der Region mit einer neuen, nun sogar transnationalen Kommission unterstützen zu wollen. Denn dem Desinteresse unter Trump ist nicht nur die guatemaltekische CICIG, sondern auch eine ähnliche Einrichtung zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit in Honduras (MACCIH) zum Opfer gefallen. Und die Anti-Korruptionskommission CICIES in El Salvador, die sich seit zwei Jahren um die Bekämpfung der Korruption im Land kümmern soll, hat bisher keine nennenswerten Ergebnisse geliefert.

US-Präsident Biden hat schon angekündigt, die Korruptionsbekämpfung in der Region mit einer neuen, nun sogar transnationalen Kommission unterstützen zu wollen.

Ob eine solche transnationale Kommission, wie Biden sie vorschlägt, allerdings überhaupt funktionieren kann, ist zumindest umstritten. Denn nicht nur der Koordinationsaufwand unter den Ermittlerinnen und Ermittlern wäre riesig. Vor allem bräuchte sie die Rückendeckung der nationalen Parlamente von Guatemala, El Salvador und Honduras. In allen drei Ländern haben die korrupten Machteliten im Parlament aber eine robuste Mehrheit; in El Salvador hat erst Ende Februar der amtierende Präsident Bukele einen fulminanten Wahlsieg eingefahren und kontrolliert nun auch das Parlament – er dürfte kaum Interesse daran haben, seine intransparente Regierungsführung von internationalen Antikorruptionsgremien kontrollieren zu lassen.

Welche konkreten Druckmittel hat also die US-Regierung, um innenpolitischen Einfluss in Zentralamerika zu nehmen? „Washington kann zum Beispiel damit drohen, die internationalen Hilfsgelder für El Salvador zu kürzen oder die Zusammenarbeit sogar ganz einzustellen“, erläutert Jessica Estrada. „Das hätte dramatische Auswirkungen auf große Infrastrukturprojekte der Regierung, die von den USA unterstützt werden.“

Die deutlichsten Konsequenzen der neuen außenpolitischen Agenda der USA könnten sich aber in Honduras zeigen. Dort ist Präsident Juan Orlando Hernández ein Staatschef von Washingtons Gnaden, da er seine von Betrugsvorwürfen und Gewaltexzessen überschattete Wiederwahl 2017 vor allem der stillschweigenden Unterstützung der US-Regierung zu verdanken hat. Unter Donald Trump konnte sich Hernández auch durch seinen Migrationsdeal mit den USA von sämtlichen Konsequenzen für seine Nähe zu den Drogenkartellen und das brutale Vorgehen von Polizei und Militär gegen die eigene Bevölkerung freikaufen. Honduras wurde ebenso wie Guatemala und El Salvador zum sicheren Drittstaat erklärt.

Unter Biden, der die Drittstaatenregelung gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufkündigte, dürfte das deutlich schwieriger werden. Hernández’ Bruder wurde bereits 2019 von einem New Yorker Gericht wegen Kokainschmuggels verurteilt. Dass Hernández selbst ein ähnliches Schicksal ereilen könnte, gilt als wahrscheinlich – er soll seinen ersten Präsidentschaftswahlkampf 2013 mit Millionenbeträgen aus dem Drogenschmuggel bestritten haben. Voraussetzung für einen Prozess und eine mögliche Verurteilung wäre allerdings, dass die USA ihm im kommenden Herbst eine erneute Bestätigung im Amt nicht durchgehen lassen – und Hernández so seine Immunität verliert. Dafür bräuchte es gar keine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Es würde reichen, wenn die USA – anders als 2017 – dieses Mal die organisierten Kräfte der Zivilgesellschaft unterstützen und auf der Durchführung freier und demokratischer Wahlen bestehen würden. Dann dürften Hernández’ Tage als honduranischer Präsident gezählt sein.