El Salvadors künftiger Präsident Nayib Bukele war früher Mitglied der linksgerichteten Ex-Guerilla FMLN, der Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional. Die Präsidentschaftswahlen hat er jetzt auf einem rechten Ticket gewonnen. Wie kam es zu diesem Seitenwechsel?

Bukele war FMLN-Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador. Allerdings reklamierte er damals öffentlich, dass seine Parteigenossen im Stadtrat ihn in wichtigen Entscheidungen nicht unterstützten. Ebenso kritisierte er die Amtsführung diverser FMLN-naher Regierungsfunktionäre, etwa die des Geschäftsführers des staatlichen Wasserversorgers „ANDA“. Dies erschien dem Politbüro der FMLN als respektlos. Als er dann noch der Belästigung eines weiblichen Mitglieds des Stadtrats beschuldigt wurde, hatte die FMLN genügend öffentlich präsentable Gründe, um ihren „Erlkönig“ für die Präsidentschaftswahlen wegen Insubordination fallen zu lassen. Er wurde gleich auch aus der Partei ausgeschlossen. Danach gründete Bukele mit „Nuevas Ideas“  eine eigene Partei. Allerdings reichte die Zeit nicht mehr, um diese Partei für die Präsidentschaftswahlen zuzulassen. Bukele wollte seine herausragenden Zustimmungswerte von über 60% für eine Präsidentschaftskandidatur nutzen und war daher auf der Suche nach einer passenden Partei als Vehikel. Er bot sich bei der rechtsgerichteten GANA als Präsidentschaftskandidat an. GANA sagte gerne zu, organisierte in Windeseile ein innerparteiliches Votum und entledigte sich des ursprünglichen Kandidaten, denn der verfügte bei weitem nicht über Bukeles Stimmpotenzial. Es bleibt abzuwarten, welchen Zins Bukele für diese Hilfsdienste an GANA wird zahlen müssen, inwiefern er sich beispielsweise die Forderung der GANA nach einer Einführung der Todesstrafe zu Eigen machen wird.

Trotz seiner langjährigen Erfahrung etwa als Bürgermeister von San Salvador trat Bukele im Wahlkampf als politischer Außenseiter und Kandidat gegen das Establishment auf. Sein Erdrutsch-Sieg mit fast 54 Prozent schon im ersten Wahlgang beendet die dreißigjährige Dominanz der linken FMLN und der rechten Partei ARENA. Warum wurden die Traditionsparteien abgestraft?

Die Bevölkerung empfindet die Behandlung des Sicherheitsthemas bei beiden Großparteien als desaströs. Beiden Parteien ist es nicht gelungen, den Exodus ihrer Landsleute merklich zu verringern. Beiden gelang es auch nicht, das Gewaltmonopol des Staates zurückzuerobern. Vielmehr kriminalisierten zahlreiche gegen die hochkriminellen Jugendbanden „Maras“ gerichtete Maßnahmen der FMLN während ihrer zehnjährigen Regentschaft unschuldige Jugendliche, die das Pech hatten, in einem von den Maras beherrschten Viertel zu wohnen. Bis heute sind dort Menschenrechtsverletzungen durch Kampfeinheiten an der Tagesordnung, während gleichzeitig die USA mit der Ausweisung Zigtausender in ihre Herkunftsländer für Mara-Nachschub sorgen. Die Enttäuschung über diese Entwicklung war auch beim harten Kern der FMLN-Anhängerinnen und Anhänger  sehr groß. Ihre Partei hatte aus ihrer Sicht ihre Versprechen nicht eingelöst und in der Regierungsverantwortung ihre politische Überzeugung den neuen Pfründen geopfert. Hinzu kam die Aufdeckung diverser Korruptionsfälle nicht nur bei der ARENA, sondern auch bei der FMLN. Durch das bisherige Zwei-Parteien-System konnten zudem viele der Reformvorhaben der FMLN nie umgesetzt werden. Dieses System garantierte die Blockade geplanter Maßnahmen durch die jeweilige Oppositionspartei. Diese Blockade in Kombination mit dem Sicherheitsproblem verhinderte ausreichendes Wachstum, wirtschaftlichen Fortschritt und den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme. Das Resultat war der anhaltende Exodus in das gelobte Land USA. Die Wählerinnen und Wähler versuchten nun mit ihrem Votum bei den Präsidentschaftswahlen, ihr Land und ihre Kinder diesem Teufelskreis zu entziehen.  

El Salvador hat eine der höchsten Mordraten der Welt, das Land leidet unter der Organisierten Kriminalität, Korruption und einer massiven Auswanderung insbesondere in die USA. Haben die von Bukele in Aussicht gestellten Reformen Aussicht auf Erfolg?

Bukele war bei seinen Ausführungen über mögliche Regierungsvorhaben wenig konkret. Er fordert eine Internationale Kommission gegen die Straffreiheit (CICIES, Comisión Internacional contra la Impunidad en El Salvador) in Anlehnung an die CICIG in Guatemala. Damit ist zumindest seine Bereitschaft zum Kampf gegen Korruption dokumentiert. Eine solche CICIES hätte aber aufgrund der Frist von zehn Jahren für Untersuchungen den Nachteil, nur die Korruptionsfälle zu Zeiten der FMLN-Regierung aufrollen zu können. Ihre Einrichtung erfordert zudem die qualifizierte Mehrheit des Parlaments. Davon ist Bukele weit entfernt. Generell gilt zudem: Ohne finanzielle Hilfe für Reformen von außen wird es keine merklichen Änderungen geben.

Das mittelamerikanische Land wird immer wieder von US-Präsident Trump scharf attackiert und gehört etwa zu den von ihm geschmähten "shithole"-Ländern. Welchen Kurs wird Bukele gegenüber Washington fahren?

Bukele wird sich – wie alle seine Vorgänger – um ein gutes Verhältnis zu den USA bemühen müssen. El Salvador lebt in extremer finanzieller und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den USA, nicht zuletzt  da der US-Dollar allgemeines Zahlungsmittel ist. Außerdem lebt rund ein Drittel der Salvadorianerinnen und Salvadorianer in den USA, das sind über 3 Millionen Menschen, schätzungsweise die Hälfte davon legal. Sollte Trump seine Drohung wahr machen und auch nur die illegal eingewanderten Salvadorianer auszuweisen, fielen diese Menschen in ihrer Heimat wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation ins Leere. Auch die Rücküberweisungen, die Remesas, würden massiv zurückgehen. Sie machen rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts El Salvadors aus. Ihr Ausfall wäre eine Katastrophe, die Bukele durch Wohlverhalten unbedingt vermeiden muss. Interessanterweise haben 86% der 3300 Wählerinnen und Wähler, die aus dem Ausland ihre Stimme abgegeben haben, Bukele gewählt. Bereits am Montag nach der Wahl lag Bukele ein Gratulationsschreiben von US-Botschafterin Jean Elizabeth Manes vor. Sie lud Bukele zur Kooperation in der Sicherheitspolitik, bei der Entwicklung des Rechtsstaates und bei der Entwicklung eines inklusiven Wirtschaftswachstums ein. Manes übergibt allerdings Mitte des Jahres an ihren Nachfolger, Ronald Douglas Johnson, einen CIA-Mann. Dann bleibt abzuwarten, ob dieser in El Salvador eher den Standort des Kommandos der Pazifikflotte sieht oder ein Land, in dem die USA inklusives Wirtschaftswachstum fördern möchten. In jedem Fall wird die USA ein schwieriger Partner für den „Floh“ El Salvador  und seinen Präsidenten sein.

 

Die Fragen stellte Claudia Detsch.