Honduras, eines der ärmsten Länder der Welt, hat sich vom Joch der „Narco-Diktatur“ befreit. 12 Jahre lang wurde es von der konservativen Partido Nacional regiert. Bei den Wahlen Ende November konnte sich die Kandidatin Xiomara Castro Sarmiento der Oppositionspartei Libre (Libertad y Refundación) durchsetzen. Am 27. Januar legte sie im Fußballstadion von Tegucigalpa – vor tausenden Anhängern und internationalen Gästen – ihren Amtseid ab.
Im Vorfeld der Wahlen hatten viele befürchtet, dass es zu Wahlbetrug kommen und ein knappes und umstrittenes Wahlergebnis zu gewaltsamen Zusammenstößen führen könnte. Doch weit gefehlt: Mit 51 Prozent für Xiomara Castro, die Frau des ehemaligen Präsidenten Manuel Zelaya, fiel das Ergebnis überraschend deutlich aus. Der Sieg wurde nicht angefochten und das Ende der autoritären Ära Juan Orlando Hernández (JOH) konnte eingeläutet werden.
Die Ära JOH hatte mit dem Coup gegen den damaligen Präsidenten Manuel Zelaya 2009 ihren Anfang genommen. In ihrem Verlauf kam es immer wieder zu gesellschaftlichem Widerstand und Protest: der Aufstand der Empörten, die Fackelmärsche, die Mobilisierung der Plattform für Bildung und Gesundheit. Währenddessen griff die Korruption immer stärker um sich. Hohe Funktionäre waren in den transnationalen Drogenhandel verwickelt. Die Wirtschaftselite versuchte, maximalen Profit herauszuschlagen und mit den sogenannten „Sonderwirtschaftszonen“ Oasen zu errichten, in denen der Staat Souveränität abgibt. Im Januar musste der bei vielen Bürgerinnen und Bürgern verhasste Präsident nun abtreten und Xiomara Castro das Ruder überlassen.
Die Partido Nacional hätte die Niederlage am Wahltag wohl nicht so rasch eingestanden, hätten die USA die politischen Entwicklungen in Honduras nicht mit Argusaugen beobachtet.
Was hat den Wandel ermöglicht? Neben dem über ein Jahrzehnt lang aufgestauten Unmut der Bevölkerung war es sicherlich nicht zuletzt der Regierungswechsel in den USA. Der Demokrat Joe Biden setzt deutlich andere Akzente in der Politik zu den südlichen Nachbarn als sein Amtsvorgänger. Biden betraute Vizepräsidentin Kamala Harris mit den Beziehungen zu Zentralamerika, deren Fokus auf den Themen Migration und Bekämpfung von Korruption liegt. Harris war persönlich bei der Amtseinführung in Tegucigalpa zugegen und stärkte der frisch eingeschworenen Präsidentin den Rücken. Als die Ankunft der amerikanischen Vizepräsidentin im Stadion angekündigt wurde, skandierte die Menge, sie solle doch bitte den korrupten Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández direkt mitnehmen, um ihm in den USA den Prozess wegen seiner Verstrickung in den Drogenhandel zu machen.
Man darf davon ausgehen, dass die Partido Nacional am Wahltag nicht so rasch die Niederlage eingestanden hätte, hätten die USA die politischen Entwicklungen in Honduras nicht mit Argusaugen beobachtet. Doch der Amtswechsel gestaltete sich äußerst schwierig. Die Anhängerschaft der Libre und Engagierte von verbündeten zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen gründeten bereits im Dezember voller Elan Arbeitstische, um Initiativen und Gesetzesvorschläge für die ersten 100 Tage der neuen Regierung vorzubereiten. Die Parteigrößen der Partido Nacional sorgten sich indes vor allem um die Sicherung ihrer Pfründe. Im Parlament hat die Libre mit 50 Abgeordneten keine Mehrheit. Selbst gemeinsam mit den kleineren Parteien, mit denen sie ein Wahlbündnis eingegangen ist, reicht es nicht.
Die korrupten Eliten haben eine Wagenburg errichtet – man munkelt mittels Bestechung und Erpressung von Abgeordneten –, um sich Straflosigkeit zu sichern.
In der Woche vor der Amtseinführung kam es zum Showdown: Das Parlament wählte entgegen der Absprachen unter den Oppositionsparteien nicht Luís Redondo, den Kandidaten der Partido Salvador de Honduras (PSH) zum Parlamentspräsidenten. Stattdessen ließ sich der Abgeordnete Jorge Calix der Libre mit allen 44 Stimmen der Partido Nacional und 20 Stimmen seiner eigenen Fraktion wählen. Daraufhin kam es zum Tumult im Kongress. Calix und die Abweichler wurden als Verräter gebranntmarkt und aus der Partei ausgeschlossen. Es folgte eine weitere – ebenfalls zweifelhafte – Wahl, an der sich nur die Hälfte der Abgeordneten des Kongresses beteiligte, in der Luís Redondo zum Parlamentspräsidenten bestimmt wurde.
So hat Xiomara Castro ihr Amt am 27. Januar inmitten einer veritablen Systemkrise angetreten. Es gibt zwei konkurrierende Parlamentspräsidenten, die beide den Posten beanspruchen. Das Oberste Gericht, das die Krise lösen soll, ist noch von Richtern besetzt, die dem ehemaligen Präsidenten JOH zugeneigt sind. Die Präsidentin kann zwar anfangen, mit Dekreten zu regieren, doch das Parlament ist natürlich die Herzkammer der Gesetzgebung. Auch für die Postenbesetzung in wichtigen Institutionen wie im Obersten Verfassungsgericht oder der Generalstaatsanwaltschaft ist das Parlament zuständig. Die korrupten Eliten haben eine Wagenburg errichtet – man munkelt, mittels Bestechung und Erpressung von Abgeordneten –, um sich Straflosigkeit zu sichern. Ob die USA über den Einfluss verfügen, diese Blockade aufzubrechen, wird sich zeigen.
Damit sich nicht regelmäßig Karawanen von Migrantinnen und Migranten zu Fuß gen USA auf den Weg machen, muss in Honduras noch einiges geschehen.
Auf dem Wunschzettel der USA an die neue Präsidentin steht ganz oben die Eindämmung der Flüchtlingsströme. Doch damit sich nicht regelmäßig Karawanen von Migrantinnen und Migranten zu Fuß gen USA auf den Weg machen, muss in Honduras noch einiges geschehen: Es sind konkrete Perspektiven für wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung notwendig, die Lebensverhältnisse müssen sich spürbar verbessern. Ein wichtiger Baustein ist der Kampf gegen Korruption, den die Präsidentin an oberste Stelle gesetzt hat. Sie spricht sich für die baldige Einsetzung einer internationalen Mission der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Korruption und Straflosigkeit aus – ein Modell, das in der Region bereits einige der Mächtigen das Fürchten gelehrt hat.
Die Honduraner verlassen aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen das Land. Viele sind auch vor politischer Verfolgung geflohen. Die Proteste nach der illegalen, manipulierten Wiederwahl von Juan Orlando Hernández 2017 wurden gewalttätig niedergeschlagen. Demonstranten wurden bedroht, mussten um ihr Leben fürchten und gingen ins Exil. Einige von ihnen haben bereits ein Rückflugticket, um den Aufbau der neuen Regierung in Honduras zu unterstützen. Jede Hilfe ist willkommen, denn die vergangenen Jahre waren von persönlicher Bereicherung und einer Plünderung der Staatskassen geprägt. Bei der Übergabe der Amtsgeschäfte an die neuen Ministerinnen und Minister nahm die abtretende Garde selbst Teile der Büroeinrichtung mit. Der Aufbau von leistungsfähigen demokratischen Institutionen ist eine Herkulesaufgabe – insbesondere solange die korrupten Politikerinnen und Politiker noch das System dominieren.
Vielen ist klar, dass sich die wirtschaftliche und soziale Lage sowie die Situation für Aktivisten im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes in den verschiedenen Landesteilen so schnell nicht ändern wird. Die Stimmung ist dennoch hoffnungsvoll, denn der Wandel ist in Sicht. In ihrer Amtsantrittsrede hat die Präsidentin angekündigt, dass die ärmsten Haushalte, die weniger als 150 Kilowatt Strom im Monat verbrauchen, ab sofort keine Stromrechnung mehr zahlen müssen. Das ist zwar keine systemische Veränderung, aber die Unterstützung der Ärmsten hat sich Xiomara Castro damit schon mal gesichert.