Nach acht Jahren des Aufschubs hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) erstmals wieder ein biregionales Gipfeltreffen im Juli in Brüssel. Obwohl die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen der CELAC und der EU im Oktober 2022 mit dem Treffen der Außenminister beider Regionen bereits stattgefunden hatte, weckte die Tatsache eines erneuten Treffens auf höchster politischer Ebene Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse und Fortschritte. Zwar ermöglichte das Treffen einen Austausch von Ideen und Perspektiven zwischen den beiden Regionen, doch zeigte es auch, dass es an konkreten Vereinbarungen und Projekten mangelt. Die unterschiedlichen Anliegen beider Regionen wurden sehr deutlich.

Das erneute Interesse der EU an Lateinamerika und der Karibik lässt sich durch eine Reihe von systemischen Faktoren erklären, die den Handlungsspielraum des alten Kontinents in internationalen Angelegenheiten einschränken. Dazu gehören der Niedergang Europas als Weltmacht, der sich unter anderem in einem Rückgang seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht äußert; der Vormarsch Chinas in der Region und der Streit zwischen dem asiatischen Riesen und den Vereinigten Staaten; der Krieg in der Ukraine sowie die Prozesse der Energiewende und der digitalen Transformation. In Lateinamerika lösen Themen wie der Krieg in der Ukraine oder der Vormarsch Chinas jedoch nicht die gleiche Sorge aus wie in Europa.

Die Staats- und Regierungschefs der Region konzentrieren sich auf innenpolitische Fragen wie institutionelle Stabilität, wirtschaftliche Ungleichheit und die zunehmende Unsicherheit. Lateinamerika hat zwar selbst kein Auge auf globale Machtspiele geworfen, beobachtet aber sehr genau, wie sich diese Prozesse auf die Rohstoffpreise auswirken oder welche Märkte sich für lateinamerikanische Länder öffnen könnten. Die größte Konvergenz zwischen den beiden Regionen dürfte jedoch in den negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung liegen, einem Thema, das im Mittelpunkt der Abschlusserklärung des Gipfels stand.

Die größte Konvergenz zwischen den beiden Regionen dürfte jedoch in den negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung liegen.

Abgesehen von dem echten Engagement der europäischen Gesellschaften, die globale Erderwärmung zu neutralisieren, ist eine der Strategien der EU, um dem Ansehensverlust als globaler Akteur entgegenzuwirken, eine führende Rolle bei der Energiewende und der digitalen Transformation einzunehmen. In der Praxis bedeutet dies, in der Lage zu sein, zu bestimmen, wo, wie und mit welcher Technologie Maßnahmen gegen den Klimawandel durchgeführt werden sollen. In dieser Strategie erscheinen Lateinamerika und die Karibik in zweierlei Hinsicht als relevante Region. Einerseits als Lieferant von Ressourcen wie Lithium und grünem Wasserstoff, die es Europa erleichtern, eine führende Rolle bei der Gestaltung einer auf erneuerbare Energien basierenden Produktionsstruktur zu übernehmen. Zum anderen als „Empfängerregion“ des vom globalen Norden geförderten Energieparadigmas. Der aktuelle Präsident des Rates der Europäischen Union und spanische Regierungschef Pedro Sánchez drückte dies recht treffend aus, als er seinem brasilianischen Amtskollegen mitteilte, dass „wir [die EU] Know-how im Bereich der ökologischen Entwicklung beisteuern können“.

In Lateinamerika und der Karibik wird im Hinblick auf den Klimawandel vor allem die Idee der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ vertreten, und in einigen Fällen wird auch das Konzept postuliert, dass die Länder der Region „Umweltgläubiger“ sind, das heißt, dass die entwickelten (und umweltschädlicheren) Länder unbedingt Finanzierungsmechanismen anbieten sollten, um wirksame Maßnahmen gegen die globale Erwärmung durchzuführen.

Im Rahmen des erneuerten europäischen Interesses an Lateinamerika kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Euro im Rahmen des Global Gateway an, einer EU-Investitionsplattform, die auf Projekte wie die Förderung erneuerbarer Energien und digitaler Dienstleistungen ausgerichtet ist. Tatsächlich konzentrieren sich mehr als 70 Prozent der Global Gateway-Projekte für Lateinamerika auf Themen wie die Erschließung von Mineralien wie Lithium und Kupfer, die Förderung von sauberem Wasserstoff und die Einführung von grünen Anleihen.

Der Global Gateway ist jedoch nicht nur ein Instrument, das der EU helfen soll, eine führende Rolle bei der globalen Energiewende und dem digitalen Wandel zu spielen. Es ist auch eine Politik, die darauf abzielt, den Vormarsch Chinas in Lateinamerika als Wirtschafts- und Handelspartner zu neutralisieren, denn China ist dort vorgedrungen, wo Europa und die Vereinigten Staaten Lücken hinterlassen haben. Formell haben sich bereits mehr als 20 lateinamerikanische und karibische Länder der Seidenstraßeninitiative Chinas angeschlossen. Auch der Handel zwischen China und Lateinamerika erreichte im Jahr 2022 ein Volumen von 437 Milliarden Euro (elf Prozent mehr als im Vorjahr) und Peking ist mittlerweile der wichtigste Handelspartner von Brasilien, Chile und Peru.

Der Krieg in der Ukraine war ein weiterer großer Teil der Tagesordnung des Gipfels, der die unterschiedlichen Prioritäten Europas und Lateinamerikas ebenfalls widerspiegelte. Der Krieg ist eine Schlüsselfrage für die Sicherheit und die Wirtschaft der europäischen Länder und ist zu einem Thema geworden, das die Idee von Europa als moralische und normative Macht (als Verteidiger des Multilateralismus, des Völkerrechts, der Demokratie und der Menschenrechte) auf die Probe stellt. In der Tat ist einer der Punkte, den die EU bei ihrer Annäherung an Lateinamerika geltend macht, dass beide Regionen eine Identität und eine Wertegemeinschaft teilen. Dieser Aspekt wurde auch in der Gipfelerklärung deutlich gemacht. Ursula von der Leyen meinte dazu: „Die strategische Partnerschaft EU-Lateinamerika/Karibik ist heute wichtiger denn je. Wir sind wichtige Verbündete bei der Stärkung der auf Regeln basierten internationalen Ordnung und bei der gemeinsamen Verteidigung von Demokratie, Menschenrechten und internationalem Frieden und Sicherheit.“

In Europa untergräbt der Vormarsch rechtsextremer Bewegungen und Parteien die liberale Identität Europas von innen heraus.

Die russische Invasion ist für Europa und vor allem für die Vereinigten Staaten zu einer Gelegenheit geworden, die Werte der globalen liberalen Ordnung zu stärken und so eine selbstbewusstere Grenze zwischen einem demokratischen und dialogorientierten Westen und autoritären und kriegerischen Mächten wie China und Russland zu ziehen. Diese Konstruktion antagonistischer Pole auf der Grundlage unvereinbarer Ideen und Werte stößt jedoch auf beiden Seiten des Atlantiks auf Hindernisse. In Europa untergräbt der Vormarsch rechtsextremer Bewegungen und Parteien die liberale Identität Europas von innen heraus.

In Lateinamerika und der Karibik nutzen einige Länder wie Kuba, Venezuela und Nicaragua die Kritik an der Demokratie und den Menschenrechten, um die kolonialistische und einmischende Haltung Europas anzuprangern. Darüber hinaus gehen die Beziehungen zu China über alle ideologischen Schranken hinaus, die der Norden zu errichten versuchen könnte. Sowohl demokratische, liberale und marktwirtschaftlich orientierte Regierungen als auch Länder mit autoritären Regimen sehen in dem asiatischen Riesen einen grundlegenden Partner für ihre Volkswirtschaften und betrachten Themen wie die „Schuldenfalle“ nicht mit Sorge: ein Thema aber, das die Vereinigten Staaten als Klischee zu bemühen versuchen, um chinesische Investitionsvorhaben in den Ländern des Südens zu bremsen.

Seit der Rückkehr Lulas ins Präsidentenamt Brasiliens ist die Außenpolitik des Landes von dem Versuch geprägt, das internationale Image Brasiliens nach dem Rückzug durch die Außenpolitik Jair Bolsonaros wiederherzustellen. Daher trat Brasilien der CELAC wieder bei und nahm seine Verpflichtungen in Umweltfragen wieder auf, was wiederum half, die Beziehungen zu den europäischen Ländern wiederherzustellen. In seinem Bemühen, Brasiliens Position auf der Weltbühne wiederzubeleben, schlägt Lula vor, eine Vermittlerrolle im Krieg in der Ukraine zu übernehmen.

Eine solche Rolle impliziert allerdings eine neutralere Haltung gegenüber der russischen Invasion, was im Widerspruch zu der von der Europäischen Union vorgeschlagenen kategorischen Verurteilung steht. Letztendlich spiegelt die Abschlusserklärung des Gipfels lediglich das Fehlen einer inhaltlichen Einigung in dieser Frage wider: Es gab keine Verurteilung des russischen Vorgehens (wie von der EU beabsichtigt), sondern vielmehr eine gemeinsame Besorgnis über den Krieg. Eine Position, die auch nicht wirklich einstimmig war, da Nicaragua sich gegen diesen Teil der Erklärung aussprach.

Kurz gesagt, die Wiederaufnahme der Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas und Europas ist eine vielversprechende Entwicklung im Hinblick auf die Stärkung des Dialogs und die Behandlung von Themen, die beide Regionen betreffen, wie der Kampf gegen den Klimawandel oder der Druck, der durch die Verschärfung des globalen Streits zwischen China und den Vereinigten Staaten entsteht. Das Treffen hat jedoch auch deutlich gemacht, dass es Prioritäten gibt, die nicht geteilt werden, und dass das Fehlen substanzieller Vereinbarungen, die auf einer horizontaleren Beziehung beruhen, weiterhin ein Problem der biregionalen Agenda ist.