Überdurchschnittlich starke Regenfälle, die kleine Rinnsale in reißende Flüsse verwandeln. Monatelange Dürren, die es der Bevölkerung auf dem Land schwer machen, ihre Lebensgrundlage abzusichern. Immer neue Hitzerekorde, die besonders die Bevölkerung in den Städten auf eine harte Probe stellen und für gesundheitlich vorbelastete Menschen ein Risiko sind. Durch sich häufende Extremwetterereignisse geraten im Nahen und Mittleren Osten immer mehr Menschen in eine dauerhafte Notlage. Der Klimawandel wirkt oftmals als Brandbeschleuniger bereits bestehender Probleme.

Der Iran leidet seit zwei Monaten unter einer extremen Dürre, welche die seit über drei Jahren anhaltende Trockenphase zusätzlich verschärft. Inzwischen liegen mehr als 80 Prozent der iranischen Landfläche trocken. Nahezu die gesamten Oberflächengewässer (etwa 95 bis 97 Prozent) des Landes sind versiegt: aufgrund einer wenig nachhaltigen Landwirtschaft, von geringeren oder ausfallenden Niederschlag und einer zunehmenden Kondensation. Hinzu kommen neue Dammsysteme, die die wenigen noch vorhandenen Flussläufe zusätzlich einschränken, um die dringend benötigte Elektrifizierung des Landes voranzutreiben. Beispielhaft hierfür ist der Urmia-See im äußersten Nordwesten Irans. Der ehemals größte Binnensee des Landes hat inzwischen 85 Prozent seiner Fläche eingebüßt und ist für die Landwirtschaft kaum noch nutzbar. Teile des Urmia-Sees zählten früher zu einem der größten Naturschutzgebiete des Irans, das heute so kaum noch existiert. Neben dem immer bedrohlicher werdenden Wassermangel verzeichnet der Iran auch eine klimawandelbedingte Zunahme an Flutkatastrophen, wie zuletzt 2017, 2019 und 2020.

Durch sich häufende Extremwetterereignisse geraten im Nahen und Mittleren Osten immer mehr Menschen in eine dauerhafte Notlage.

Beim Problem Wassermangel wird der Iran allerdings noch von einem anderen Staat in der Region übertroffen: Jordanien. Das haschemitische Königreich ist inzwischen das zehnte Jahr in Folge von einer überdurchschnittlichen Trockenheit betroffen. Laut dem World Resources Institute zählt Jordanien neben Katar, dem Libanon, Iran und Israel zu den am stärksten vom sogenannten Wasserstress betroffenen Staaten. Die letzten Jahrzehnte konnte Jordanien seinen Trinkwasserbedarf durch seine Grundwasserspeicher decken. Doch nun stößt diese „Lösung“ an ihre Grenzen: Inzwischen unterschreiten zehn der zwölf Grundwasserspeicher des Landes bedrohliche Mindestmarken.

Auch Wetterextreme stellen für Jordanien eine besondere Gefahr dar. Während es in den 1980er und 1990er Jahren statistisch alle 15 bis 20 Jahre zu Dürreperioden kam, treten diese heute etwa alle drei Jahre auf, was den Druck auf die Wasserreserven des Landes zusätzlich erhöht. Inzwischen weist Jordanien ein Süßwasserdefizit von etwa 500 Millionen Kubikmeter auf. Die Menschen in Jordanien müssen zeitweilig mit unter 40 Litern Wasser pro Tag auskommen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wasserverbrauch einer Person bei etwa 120 Litern pro Tag. Seit den 2000er Jahren müssen die Hochrechnungen zum Restverbleib von Jordaniens Trinkwasserreserven stetig nach vorne korrigiert werden. Heute wird geschätzt, dass diese zwischen 2030 und 2050 aufgebraucht sein dürften.

Zahlreiche weitere Beispiele geben einen Vorgeschmack auf die sich verschärfenden Folgen des Klimawandels in der Region. Infolge des steigenden Meeresspiegels versalzen im ägyptischen Nildelta zunehmend landwirtschaftliche Gebiete, da Meerwasser eindringt. In Alexandria, Kairo oder Port Said sackten – aufgrund des Abpumpens von Grundwasser bei gleichzeitiger massiver Bebauung – ganze Stadtteile um teilweise bis zu anderthalb Meter ab, wodurch das Überflutungsrisiko deutlich steigt. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um 50 Zentimeter wären alleine im Ballungsraum Alexandria über acht Millionen Menschen betroffen. Gleiches gilt für das Shatt al-Arab, einem tiefgelegenen Landstrich im Südirak und der iranischen Provinz Chuzestan. Aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Region für den weltweiten Handel mit Öl und Gas würde ein Anstieg des Meeresspiegels um einen halben Meter in den kommenden 30 Jahren für große Probleme in den Bereichen Energie, Infrastruktur und Landwirtschaft sorgen – mit Folgen für die regionale und globale Sicherheitsarchitektur.

Obwohl diese Entwicklungen seit langem bekannt sind, ignorierte sie die Politik und verkannte die sicherheitspolitischen Auswirkungen. Mit Ausnahme Jordaniens und Israels zeigten sich die Staaten in der Region auch kaum willens, die Herausforderungen durch den Klimawandel auf multilateraler Ebene anzugehen. Umwelt-, Klima- und Wasserpolitik wurden stets als rein nationale Angelegenheit angesehen – die Leidtragende war zumeist die lokale Bevölkerung.

Mit Ausnahme Jordaniens und Israels zeigten sich die Staaten in der Region kaum willens, die Herausforderungen durch den Klimawandel auf multilateraler Ebene anzugehen.

Die Bilder der vergangenen Wochen aber zeigen, dass ein „Weiter so“ kaum mehr möglich ist. Der extreme Wassermangel führte im Iran seit Mitte Juli zu Demonstrationen, bei denen mehrere Menschen zu Tode kamen. Gleichzeitig häufen sich illegale Brunnenbohrungen und – aus Protest gegen die Regierung – Sabotageakte an staatlichen Wasseranlagen. Der Staat reagiert wie so oft mit Repressionen und Kontrolle. Anders als bei Demonstrationen für demokratische Wahlen oder Freiheitsrechte, die oft urban dominiert sind, protestiert nun die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten, welche eigentlich die konservative Basis des Regimes in Teheran bildet. Sowohl die Revolutionsgarden als auch die Führung in Teheran bemühen sich daher, öffentlich einen neuen Kurs zu fahren und Themen wie Umwelt- und Klimapolitik stärker auf die Agenda zu setzen. Selbst die Revolutionsgarden erkennen den Klimawandel mittlerweile als eine der größten Bedrohungen für den Iran an. Bereits unter Hassan Rouhani lancierte die Regierung einige Maßnahmen, um das Austrocknen des Urmia-Sees zu stoppen.

Privaten und wissenschaftlichen Initiativen zum Klimaschutz steht die Regierung jedoch weiterhin ablehnend gegenüber. Behindern Umweltschutzmaßnahmen wenig nachhaltige Infrastrukturprojekte der halbstaatlichen Unternehmen, ist die Bereitschaft, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen, schnell beendet. Ein Verhaltensmuster, das nicht nur im Iran zu beobachten ist.

Jede Destabilisierung infolge einer Umweltkatastrophe kann auch das sicherheitspolitische Gefüge ins Wanken bringen.

Die klimatischen Veränderungen treffen zunächst meist ländliche und sozioökonomisch schwache Bevölkerungsgruppen. Als Folge zeigt sich im Nahen und Mittleren Osten eine wachsende Tendenz zur Landflucht und gleichzeitig bilden sich Slums und Armutsviertel in den Städten. Beides sind Bausteine für eine gefährliche Gemengelage, die die Konflikte des letzten Jahrzehnts bereits verstärkt hat.

Das hat sicherheitspolitische Konsequenzen. So müssen etwa vor Ort mehr Kapazitäten in den Bereichen strategische Vorausschau, Katastrophenschutz und nachhaltiges Militär geschaffen werden. Wie wir es bereits heute im Iran, in Jordanien oder anderen Staaten der Region erkennen können, werden auch auf die Streitkräfte und die Kommandostrukturen im Nahen Osten neue Aufgaben zukommen. Im Inneren ging es in den letzten Jahrzehnten zumeist um repressive Operationen, um den Unmut in der Bevölkerung zu unterdrücken. Dieses System wird in naher Zukunft nicht mehr funktionieren. Alle sicherheitspolitischen Akteure – darunter die Streitkräfte, Polizei, Nachrichtendienste und einschlägigen Ministerien – werden vermehrt mit den klimatischen Veränderungen konfrontiert sein. Jede Destabilisierung infolge einer Umweltkatastrophe kann auch das sicherheitspolitische Gefüge ins Wanken bringen. Sollte es den sicherheitspolitischen Akteuren nicht gelingen, sich an diese wachsenden Herausforderungen anzupassen, werden die sozialen Unruhen in der Region zunehmen.