Militärische Niederlagen spielen eine entscheidende Rolle. Am 7. Oktober 2023 hat es Israels unentschuldbare Nachlässigkeit der Terrororganisation Hamas – deren militärische Schlagkraft nur einen Bruchteil der israelischen Armee ausmacht – ermöglicht, mehr israelische Zivilisten zu töten als den Armeen Ägyptens und Syriens (sowie deren Verbündeten) während der arabisch-israelischen Kriege 1967 und 1973.

Doch der Schockangriff aus der Luft, mit dem Israel die unterirdische Kommandozentrale der Hisbollah in der Nähe von Beirut zerstört und Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah getötet hat, zeigt: Militärisch wendet sich das Blatt seit dem 7. Oktober gegen die Feinde Israels. Die Hamas ist auf der Verliererstraße. Die Hisbollah ebenfalls. Und auch der Iran ist auf dem Weg Richtung Niederlage. Wenn die Verluste sich fortsetzen, wird Iran erstens geschwächt aus diesem Konflikt hervorgehen und Israel zukünftig weniger Schaden zufügen können. Zweitens wird er in den Augen seiner sonstigen Feinde in der Region schwächer dastehen als zuvor.

Der Hinweis auf die Rückschläge, die Iran und seine Stellvertreter in diesem Konflikt erleiden, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Israel dafür einen grauenhaft hohen Preis zu zahlen hat. Der Norden des Landes wurde durch die Raketen der Hisbollah teilweise entvölkert. Israel wird wegen seiner gewaltsamen Reaktion auf die Hamas international massiv verurteilt. Zudem sind die inneren Spannungen im Land und im Militär nicht zu übersehen. Selbst wenn Israel diesen Krieg am Ende gewinnt, wird es ihn entsetzlich teuer erkauft haben.

Aus meinen eigenen militärischen Erfahrungen im Irak weiß ich, dass das öffentliche Meinungsbild oft hinter den Realitäten im Kampfgebiet hinterherhinkt. Dass für die Allgemeinheit Politik und Diplomatie im Vordergrund stehen, ist nachvollziehbar. Häufig lenkt sie aber von dem ab, was sich militärisch abspielt – und inzwischen erzählt das Kriegsgeschehen eine andere Geschichte als zu Beginn. Israels Feinde haben schwerwiegende Fehler gemacht und schreckliche Verluste erlitten. Es kann gut sein, dass die militärischen Rückschläge für sie nachhaltigere Folgen haben werden als für Israel.

Die Hamas ist nur noch ein Schatten dessen, was sie einmal war.

Die Hamas, die vom Iran militärisch und finanziell massiv unterstützt wird, ist als Kampftruppe inzwischen aufgerieben. Die Verluste sind schwer zu beziffern, aber signifikant. Ende August erklärte Israel, in dem seit mittlerweile einem Jahr andauernden Krieg 17 000 Kämpfer der Hamas getötet und 22 ihrer 24 Bataillone „zerschlagen“ zu haben. Die eigenen Verluste gab Israel mit weniger als 1 000 gefallenen Soldaten an.

Die Hamas ist nicht besiegt, und es gibt Hinweise darauf, dass einige ihrer Bataillone derzeit versuchen, sich neu zu formieren. Unstrittig ist aber, dass der Organisation so massiver Schaden zugefügt wurde, dass sie nicht mehr in der Lage ist, der israelischen Armee hohe Verluste beizubringen.

Ich teile die Sorge meines Kollegen Thomas Friedman, dass Israel voraussichtlich einen Aufstand erleben wird, nachdem es die militärischen Strukturen der Hamas besiegt hat. Momentan ist jedoch klar: Die Hamas ist nur noch ein Schatten dessen, was sie einmal war.

Die Hisbollah verfügt im Libanon nach wie vor über eine beträchtliche Kampfkraft, aber Israels Schlag gegen Nasrallah war nur einer von vielen verheerenden Angriffen auf die mächtigste Stellvertreterarmee des Iran.

Berichten zufolge organisierte Israel am 17. September einen Angriff, bei dem Tausende von Pagern in den Händen und Taschen von Hisbollah-Mitgliedern explodierten. Einen Tag später ließ Israel angeblich Funkgeräte detonieren, mit denen die Hisbollah-Angehörigen sich untereinander verständigten, und flog einen Luftangriff auf ein Kommandeurstreffen, bei dem mehrere hochrangige Hisbollah-Mitglieder getötet wurden.

Am 23. September wurden bei einer Reihe von Angriffen auf Ziele, bei denen es sich nach israelischen Angaben um Stellungen der Hisbollah handelte, mehr als 500 Menschen getötet. Israel erklärte, durch die Angriffe seien Tausende von Raketen und Flugkörpern der Hisbollah zerstört worden. Die Reaktion der Hisbollah sei wirkungslos gewesen.

Der Iran hat eine ganze Serie von Niederlagen und Demütigungen hinnehmen müssen.

Und was ist zum Iran zu sagen? Er hat eine ganze Serie von Niederlagen und Demütigungen hinnehmen müssen. Im April tötete Israel bei einem Bombenangriff auf Irans Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus drei hochrangige iranische Kommandeure. Von den 300 Drohnen und ballistischen Raketen, die Iran daraufhin auf Israel abfeuerte, wurden fast alle von Israel und seinen Verbündeten abgefangen. Der Luftangriff richtete nur minimalen Schaden an. Israel reagierte mit einem Gegenangriff und überwand die iranische Luftabwehr mühelos.

Die Botschaft war eindeutig: Israel kann Iran direkt treffen, aber Israel zu treffen, ist für Iran ein schwieriges Unterfangen. Dies zeigte sich zuletzt erneut, als Israel die meisten iranischen Raketen abfangen konnte.

Damit hatten die Demütigungen noch kein Ende. Im Juli ermordete Israel den Chef des Politbüros der Hamas, Ismail Haniyya, mit einem Sprengsatz, den Israel in ein Gästehaus der Revolutionsgarden geschmuggelt haben soll. Dass es Israel gelang, in den iranischen Sicherheitsapparat einzudringen, war für Teheran ein Schock.

Besiegt hat Israel seine Feinde nicht. Die Hamas ist stark geschwächt, existiert aber nach wie vor. Die Hisbollah besitzt angeblich noch Zehntausende Raketen und Flugkörper und bedroht weiterhin den Norden Israels. Auch Iran verfügt über ein umfangreiches Raketenarsenal und behält den Einfluss auf seine Stellvertretertruppen, die über den Nahen Osten verteilt sind. Es ist also möglich, dass das Blatt in diesem Krieg sich erneut wendet.

Außerdem lässt sich sicherlich argumentieren, dass Iran und seine Stellvertreter einigen ihrer nicht-militärischen Ziele im Kampf gegen Israel nähergekommen sind. Israels diplomatische Impulse im Nahen Osten sind zum Erliegen gekommen. Die erhoffte Annäherung an Saudi-Arabien liegt auf Eis, und auf der weltpolitischen Bühne scheint Israel zunehmend isoliert.

Man sollte jedoch nicht außer Acht lassen, wie Israel seine militärische Position seit dem 7. Oktober verbessert hat. Vor dem Krieg lebte das Land mit der Hamas und der Hisbollah an seinen Grenzen wie im Fadenkreuz zweier entsicherter Pistolen. Inzwischen ist eine der beiden Kampftruppen weitgehend zerschlagen, und die andere hat zahlreiche Mitglieder der Führungsebene und viele ihrer Raketen, Geschosse und Raketenwerfer verloren.

Fraglich ist auch, wie isoliert Israel wirklich ist.

Außerdem darf bezweifelt werden, ob die nicht-militärischen Erfolge, die Iran erzielt hat, wirklich so real sind, wie sie scheinen. Angesichts der Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wäre es vermessen, zu behaupten, dass der 7. Oktober einen diplomatischen Durchbruch im Verhältnis zwischen Israel und den Saudis tatsächlich unmöglich gemacht (und nicht nur aufgeschoben) hat. Fraglich ist auch, wie isoliert Israel wirklich ist, denn immerhin haben seine Verbündeten und Nachbarn – darunter nicht nur die USA, sondern auch Großbritannien und dem Vernehmen nach Jordanien – Israel geholfen, sich gegen den iranischen Angriff zu verteidigen.

Keine Frage: Die Biden-Administration hat Israel oftmals hart kritisiert, doch ihr Handeln lässt wenig Zweifel am engen Schulterschluss zwischen beiden Ländern – vor allem in Bezug auf seine Konfrontation mit dem Iran. Im August gab die Biden-Administration grünes Licht für ein Waffengeschäft mit einem Volumen von 20 Milliarden US-Dollar, das es Israel ermöglichen wird, 50 neue Kampfflugzeuge des Typs F-15IA aus den USA anzuschaffen (und damit für eine weitere Generation seinen qualitativen militärischen Vorsprung zu sichern). Hinzu kommt, dass die Amerikaner momentan ihre Marinepräsenz in der Region in gewaltigem Umfang verstärken. Die US-Navy bekämpft die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Roten Meer und versucht, Iran von weiteren Angriffen gegen Israel abzuschrecken.

Während meines Militäreinsatzes habe ich etwas Wichtiges über die dschihadistischen Feinde des Westens gelernt: Niederlagen haben auf sie eine demoralisierende Wirkung. Das heißt nicht, dass ihr Widerstand vollständig in sich zusammenfällt, aber ob der Dschihadismus erstarkt oder erlahmt, hängt von seinen Erfolgen auf dem Schlachtfeld ab.

Als die USA 2007 und 2008 ihre Truppen im Irak aufstockten und damit das Blatt zu ihren Gunsten wendeten, hatte Al-Qaida im Irak große Mühe, seine Verluste zu ersetzen. Am Ende war Al-Qaidas Kampfkraft auf einen Bruchteil des früheren Niveaus zusammengeschrumpft. Als mein Einsatz sich 2008 dem Ende neigte, gab es Al-Qaida-Terroristen, die sich unseren Truppen vor Ort bereitwillig ergaben. (Ein Kommandeur der Al-Qaida spazierte sogar durch das Einfahrtstor unserer Militärbasis und stellte sich freiwillig.) Nachdem 2017 das Kalifat des Islamischen Staates (IS) zerschlagen worden war, schlossen sich weitaus weniger Kämpfer dem IS an. Nach dem blutigen Krieg der Hisbollah gegen Israel im Jahr 2006 äußerte Nasrallah sogar sein Bedauern über die Verschleppungen, die den Konflikt ausgelöst hatten.

Militärischer Erfolg führt nicht immer zu einem echten Frieden, aber er kann dafür sorgen, dass eine Gesellschaft erhalten bleibt. Südkorea zum Beispiel floriert trotz eines jahrzehntealten Konflikts mit Nordkorea, der auf Eis gelegt wurde. Taiwans Freiheit wird durch einen militärischen Schutzschild gesichert. Israels Siege haben keinen dauerhaften Frieden bewirkt, aber dafür gesorgt, dass die Nation weiterbesteht, und sie haben Israel einen außergewöhnlichen Wohlstand ermöglicht.

Wenn Menschen, die meinen Respekt genießen, den Zustand der israelischen Gesellschaft (und besonders der Siedlerbewegung im Westjordanland) und die Dysfunktionalität der israelischen Politik beklagen, ernüchtert mich das. Dass unschuldige Menschen ihr Leben verlieren, erschüttert mich und erfüllt mich mit Trauer. Doch ein Jahr nach dem vielleicht schlimmsten militärischen Versagen Israels ist der militärische Erfolg aktuell der Garant dafür, dass Israel Herr über sein Schicksal bleibt – und nicht der Iran.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in The New York Times.

Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld