Die Wahlkampagne von Donald Trump wurde von einigen unerwarteten Äußerungen des zukünftigen US-Präsidenten begleitet. In einer Zeit, in der die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen und im Libanon auch in den USA stark polarisieren und in der viele arabisch-amerikanische Wähler von der pro-israelischen Haltung der Biden-Harris-Administration zutiefst enttäuscht waren, betonte Trump wiederholt sein Ziel, Frieden in die Region zu bringen. Dabei warb er aktiv um Stimmen aus der arabischen Community, insbesondere in wichtigen Swing States wie Michigan.

Dennoch bleibt unklar, wie Trumps zukünftige Nahost-Politik, etwa in Bezug auf Gaza, konkret aussehen wird und ob sie tatsächlich einen anderen Weg als den der Biden-Administration einschlagen wird. Zwar erhielt Trump starke Unterstützung aus dem konservativen, pro-israelischen Lager, doch scheint er die andauernden Konflikte in Gaza eher als PR-Problem für Israel denn als humanitäre Katastrophe für die Palästinenser zu betrachten. Zugleich kündigte er bereits harte Maßnahmen gegen die palästinensische Solidaritätsbewegung an.

Trumps erste Personalentscheidungen für sein zukünftiges Kabinett deuten in eine ähnliche Richtung: Der designierte Außenminister Marco Rubio hat sich bisher entschieden gegen eine Waffenruhe in Gaza ausgesprochen. Der künftige CIA-DirektorJohn Ratcliffe kritisierte die Biden-Administration scharf für ihren angedrohten Stopp von Waffenlieferungen nach Israel angesichts der Lage in Gaza. Mike Huckabee, der zukünftige US-Botschafter in Israel, negierte nicht nur jegliche palästinensische Selbstbestimmung, sondern stellte sogar die Existenz einer eigenständigen palästinensischen Identität grundsätzlich infrage.

Während Trump bei seinem ersten Wahlsieg noch selbst überrascht schien und seine damalige Regierung von häufigem Entlassungen, Personalwechseln, Skandalen und Widersprüchen geprägt war, setzt er im Vorfeld seiner zweiten Amtszeit auf Loyalität und bekannte Gesichter. Das Gewicht der etablierten neokonservativen Regimewechsel-Befürworter und Generäle nimmt ab, während loyale „CEOs and businessmen“ eine zunehmend zentrale Rolle einnehmen. Gleichzeitig scheinen die Falken im zukünftigen Kabinett wie Rubio zum Teil einige ihrer interventionistischen Positionen abzumildern.

Dieser Trend fügt sich in das Playbook Trump’scher Außenpolitik ein, bestehend aus einer Abkehr von Idealen und Werten – seien es Menschenrechte oder Demokratie –, wie sie traditionell als Vorwand republikanischer Interventionspolitik dienten, und einer Hinwendung zu einer Deal-orientierten Mentalität taktischer Tauschgeschäfte.

Der künftige Einfluss der Golf-Araber ist eine der großen Unbekannten.

Die konzeptionelle Grundlage ist eine Politik des „Friedens durch Stärke“ beziehungsweise des „maximum pressure“, wie Robert O’Brien, letzter Nationaler Sicherheitsberater (2019–2021) der ersten Trump-Administration in einem viel-beachteten Foreign Affairs-Artikel ausführt: Maximaler Druck schrecke Kontrahenten ab, beende alte und verhindere neue Kriege, fordere ein stärkeres Engagement von US-Verbündeten ein, lasse diesen aber auch mehr Verantwortung zuteilwerden. Jason Greenblatt, ehemaliger Nahost-Gesandter unter Trump, illustriert die Umsetzung dieser Politik am Beispiel Irans: maximaler Druck über Sanktionen und Abschreckung gegenüber Iran einerseits, auch, um Teheran zu einem Umlenken seiner Politikentscheidungen sowie der seiner Proxies zu bewegen, und andererseits ein stärkeres Einfordern von mehr Engagement durch lokale US-Verbündete wie Saudi-Arabien.

Dass dieser Ansatz nicht nur die Sichtweise ehemaliger Trump-Regierungsmitglieder widerspiegelt, unterstreicht Brian Hook, der frühere Iran-Gesandte der ersten Trump-Administration und derzeit verantwortlich für den Transitionsprozess im US-Außenministerium. Auch er sieht Iran mit seinem Regime und seiner revolutionären Ideologie als die Hauptquelle für Instabilität nicht nur am Persischen Golf, sondern in der gesamten Region. Trump habe zwar kein Interesse an einem Regimewechsel, dies sei letztlich eine Entscheidung des iranischen Volkes. Jedoch werde die kommende Trump-Regierung Iran diplomatisch und wirtschaftlich isolieren, nicht zuletzt um ein Zeichen an andere Feinde Amerikas zu senden.

Anders als seine erste Administration stößt Trumps Iranpolitik nun jedoch auf eine veränderte regionale Gemengelage. Während es den regionalen US-Verbündeten, allen voran Riad und Abu Dhabi, damals noch darum ging, Iran maximal zu isolieren, ist seit einigen Jahren eine aktiv herbeigeführte Annäherung festzustellen. Insbesondere Saudi-Arabien könnte fürchten, dass eine zu antagonistische Iranpolitik die Kriegsgefahr auch am Golf erhöht – mit fatalen Auswirkungen auf die eigene Stabilität. Der künftige Einfluss der Golf-Araber ist eine der großen Unbekannten. Während die Saudis mit Biden fremdelten, gilt Trump als Partner, mit dem sich reden lässt.

In Washington zeichnet sich jedoch ein möglicher Konflikt der Einflussnahmen ab. Auf der einen Seite steht Israel, welches die Hardliner in der Trump-Administration unterstützt und eine maximal konfrontative Iranpolitik befürwortet. Auf der anderen Seite Saudi-Arabien, das ein Amerika bevorzugt, welches die Islamische „Schwester-Republik“ Iran durch pragmatisches, transaktionales Dealmaking einhegt, anstatt auf Eskalation zu setzen.

Ideologische Konsistenz dürfte in der zweiten Trump-Regierung kaum zu erwarten sein.

Das in dieser Logik eher der saudischen Sicht zuneigende isolationistische Lager, in erster Linie verkörpert durch den zukünftigen US-Vizepräsidenten  J.D. Vance, kann keineswegs als Iran-freundlich bezeichnet werden. Ausgehend von einer America First-Haltung lehnt es einen Krieg mit dem Mullah-Regime als einen weiteren forever war jedoch ab. Das amerikanische und das israelische Interesse stehen hier konträr zueinander. Vance argumentiert, dass US-Außenpolitik „smart“ sein müsse, indem sie nicht überall durch Truppenpräsenz agiere, sondern die Entwicklungen in der Region strategisch gestalte – etwa durch diplomatische Initiativen wie die Abraham Accords aus Trumps erster Amtszeit.

Damals schlossen vier arabische Länder Frieden mit Israel, was auch als erster Schritt hin zu einer Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien gesehen wurde – allerdings unter weitgehender Marginalisierung der Palästinenser. Das Feiern solcher Megadeals ist exemplarisch für die Trump’sche Herangehensweise. Auch mit dem Iran, den Trump nach eigener Aussage „sehr erfolgreich“ sehen möchte, könnte ein ähnlicher Deal angestrebt werden. Die mögliche Einbindung von Elon Musk in die zukünftige Iranpolitik deutet auf einen kreativen, möglicherweise unkonventionellen Ansatz hin. Die zentrale Frage bleibt jedoch, welche Substanz einen solchen Deal untermauern könnte.

Während das neokonservative Lager der Falken an Einfluss eingebüßt hat, zeigt sich sein Fortbestehen dennoch in Gestalten wie Jared Kushner. Der frühere Berater und Schwiegersohn Trumps, einer der Architekten der Abraham Accords, zog sich zwar 2021 offiziell aus der Politik zurück und hat erklärt, kein Amt in der nächsten Regierung anzustreben. Dennoch könnte er als informeller Berater zurückkehren. Kushner steht sinnbildlich für jene Fraktion, die in klassisch neokonservativer Manier die Gelegenheit gekommen sieht, die Region im israelisch-amerikanischen Sinne radikal umzugestalten. Seine öffentlich geäußerten Vorstellungen für eine Nachkriegsordnung sind ebenso erschreckend wie ambitioniert: So schlug er vor, den Konflikt in Gaza durch die Vertreibung der Palästinenser nach Ägypten und eine Annexion der Westbank zu „lösen“. Zudem sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, das iranische Nuklearprogramm militärisch zu zerstören. Eine solche Strategie könnte jedoch genau das Gegenteil von End Forever Wars bewirken und die Region weiter destabilisieren.

Ideologische Konsistenz dürfte in der zweiten Trump-Regierung kaum zu erwarten sein. Israel gegen Saudi-Arabien, America First gegen Neokonservative – und dazwischen zahlreiche machtbewusste Akteure mit starken Egos. Über all dem steht ein als erratisch bekannter Präsident, der zwar als kriegsavers gilt, aber zugleich einen Hang zu transaktionalen Lösungen und großen Inszenierungen hat.

Der Personality-Faktor in der Politik kommt den Familienregimen im Nahen Osten durchaus entgegen, da er diese dort abholt, wo sie selbst stehen. Ein Beispiel dafür ist die Hoffnung im Libanon, dass die familiären Verbindungen von Trumps Tochter Tiffany über ihren Ehemann Michael Boulos, der libanesische Wurzeln hat, auch Donald Trump für die von Israel attackierte Zedernrepublik einnehmen könnten. Entsteht hier möglicherweise eine „Schlacht der Schwiegersöhne“ – Kushner gegen Boulos? Nahost-Politik als Familienaffäre.

Der Personality-Faktor in der Politik kommt den Familienregimen im Nahen Osten durchaus entgegen.

Die derzeitige Transitionsperiode scheint jedoch vor allem Israel zu begünstigen. Trump hatte einst Netanjahu zugerufen: „Finish the job!“ Dieser Satz scheint der nun per Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher durchaus als Gelegenheitsfenster wahrzunehmen, vollendete Tatsachen zu schaffen. In Nord-Gaza setzt die israelische Armee offen auf ethnische Säuberung, während im Libanon zunehmend eine Politik der verbrannten Erde verfolgt wird.

Ein mögliches Ziel dieser Eskalation könnte sein, Trump bei seiner Amtseinführung die Bühne zu bereiten, sich als Friedensbringer zu inszenieren – um so unter dem Deckmantel diplomatischer Lösungen israelische Interessen weiter mit US-Unterstützung abzusichern. Genauso könnte dem israelischen Premier jedoch daran gelegen sein, Trump entgegen dessen isolationistischer Tendenzen mit dem Fait accompli einer außer Kontrolle geratenen Eskalation mit Iran zu konfrontieren. Für einen umfassenden Krieg, der das iranische Nuklearprogramm entscheidend zurückwirft, wäre Israel auf die militärische Unterstützung der USA angewiesen.

Es sind diese Widersprüche, die die künftige Nahost-Politik Trumps so schwer vorhersagbar machen. Anders als in seiner ersten Amtszeit fehlen nun die sogenannten adults in the room, die damals die problematischsten Instinkte des Präsidenten in Bahnen lenkten, die den langfristigen Interessen der USA als Welthegemonialmacht entsprachen. Ein Stück weit kultiviert das Trump-Lager diese Unberechenbarkeit des neuen, alten US-Präsidenten sogar bewusst – als strategischen Trumpf gegenüber seinen Gegnern.

Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass auch die in der Eigenwahrnehmung wertebasierte und berechnende Nahost-Politik Joe Bidens weder die regionale Eskalation noch humanitäre Katastrophen verhindern konnte. Die nahezu totale ideologische Selbstaufgabe Amerikas zugunsten israelischer Interessen hat die Weltmacht auf internationaler Ebene isoliert.

Von Trump ist keine großsprecherische Beschwörung einer „regelbasierten Weltordnung“ zu erwarten – ein Konzept, das in der Region ohnehin als Heuchelei gebrandmarkt ist. Weniger Ideologie und mehr pragmatischer Transaktionalismus könnten in der Theorie eine tragfähige Alternative sein. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass dieser Transaktionalismus zu einer Politik mit viel Bling-Bling, aber wenig Substanz verkommt. Harte Interessenskonflikte in der Region lassen sich nicht einfach übertünchen.

Zudem bergen Trumps erratische Persönlichkeit, die absehbare Schlacht der Egos innerhalb seiner Regierung und seine Anfälligkeit für externe Einflussnahmen das Risiko, dass es an einer kohärenten Nahost-Strategie mangeln könnte. Für die Akteure der Region bleibt nur eines: Fest anschnallen, es wird holprig.