Medienberichten zufolge einigten sich Saudi-Arabien und Iran im Zuge der von China vermittelten Gespräche neben der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen auch darauf, sich um eine politische Lösung des seit 2014 hoch gewaltsam ausgetragenen Bürgerkriegs im Jemen zu bemühen. Mehr als 230 000 Menschen sind seit 2015 Angriffen oder den verheerenden Kriegsfolgen zum Opfer gefallen, über 25 der etwa 31 Millionen Jemenitinnen und Jemeniten sind von Hilfsleistungen abhängig, nicht nur die Wirtschaft, auch das Gesundheits- und Bildungswesen, soziale Sicherungssysteme und wichtige politische Institutionen liegen am Boden. Das Abkommen fügt sich ein in einen regionalen Trend der Stabilisierung autoritärer Herrschaft.

Die Kategorisierung als reiner Stellvertreterkrieg greift aufgrund der Tiefe und Komplexität der innerjemenitischen Konfliktlinien zu kurz, dennoch haben Riad und Teheran signifikant zur Eskalation und Internationalisierung des Krieges seit 2015 beigetragen. Iran gilt als wichtigster Partner der Huthi-Rebellen, die seit 2014 die Hauptstadt Sanaa und weite, bevölkerungsreiche Teile des Landes kontrollieren. Den Vereinten Nationen zufolge wurden in den letzten Jahren einige der Waffen, welche für die Huthis bestimmt waren, beispielsweise an der Grenze zum Oman konfisziert und sehr wahrscheinlich im Iran hergestellt oder gezielt weiterverbreitet. Über die Präsenz iranischer Militärberater im Land wird ebenfalls berichtet. Auch wenn beide eine militärische Zusammenarbeit bisher abstreiten, unterstützten und bestärkten hochrangige iranische Offizielle die Rebellen wiederholt öffentlich. Als Gegenleistung für die saudische Bereitschaft, Iran mit dem diplomatischen Coup vom 10. März aus der aktuell schwer isolierten Lage zu verhelfen, wäre es zu hoffen, dass Iran das Waffenembargo der UN anerkennt und zugleich die Rebellen zu mehr Konzessionen im innerjemenitischen Konflikt bewegt.   

Saudi-Arabien ist die Anführerin einer 2015 ins Leben gerufenen Militärallianz gegen die Entmachtung der international anerkannten Regierung, deren Luftschlägen allein nahezu 9 000 Zivilistinnen und Zivilisten zum Opfer fielen, und die überlebenswichtige wirtschaftliche oder gesundheitliche Infrastruktur schwer beschädigt oder gar vollständig zerstört haben. Nach acht weitestgehend erfolglosen Kriegsjahren bemüht sich Riad nun um einen gesichtswahrenden Rückzug, auch, weil die asymmetrische Kriegsführung der Huthi-Rebellen inklusive Drohnen- und Raketenangriffe auf saudische und emiratische Ziele den Preis der Intervention massiv in die Höhe treibt. Im vergangenen April stellte die saudisch-geführte Koalition die Luftschläge ein und lockerte auch die Blockade des Seehafens Hudeidah und des Flughafens von Sana’a. Im Herbst und Winter häuften sich bereits Berichte über direkte Gespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthis, die zumindest in einen kalten Frieden münden könnten.

Nach acht weitestgehend erfolglosen Kriegsjahren bemüht sich Riad nun um einen gesichtswahrenden Rückzug.

Ebenso wie viele westliche Industrienationen und die Anrainerstaaten des Roten Meeres hat auch China ein Interesse an einer weiteren Deeskalation des Konflikts. Millionen Barrel Rohöl werden täglich durch die Meerenge Bab al-Mandab zwischen Jemen und Dschibuti Richtung Asien verschifft, weshalb China ebenfalls von einigermaßen verlässlichen Sicherheitsgarantien der mächtigsten Konfliktparteien profitiert. Bereits heute zeichnet sich im Schatten des starken Engagements Chinas am Horn von Afrika, das eine Militärbasis in Dschibuti beinhaltet, auch im Golf von Aden eine verstärkte militärische maritime Rolle Chinas ab.

Die wichtigsten innerjemenitischen Konfliktparteien reagierten erwartungsgemäß unterschiedlich auf die Ankündigung. Die Huthis begrüßten den Vorstoß explizit als Sicherheitsgewinn für die Region und zeigten sich, bestärkt durch den Verlauf der eigenen bilateralen Verhandlungen mit Saudi-Arabien, wenig besorgt über eine zukünftig ausbleibende Unterstützung Irans. Im Lager der international anerkannten Regierung herrscht hingegen Skepsis, ohne die Unterstützung Saudi-Arabiens dringend benötigte Erfolge in den Verhandlungen zwischen den jemenitischen Gruppen erzielen zu können. Gleichzeitig wächst die Sorge, die Huthis könnten, bestärkt durch den Rückzug Saudi-Arabiens und ohne die Drohkulisse der saudischen Luftwaffe, wieder zu militärischer Offensive übergehen.

In der Tat hat der bisherige, auf die militärische Deeskalation fokussierte Verhandlungsansatz der UN, im letzten Jahr eine Dynamik entfaltet, von der vor allem die Rebellen profitierten und die sich zu Lasten einer nachhaltigen Friedenslösung auswirken kann. Der Waffenstillstand von April bis Oktober 2022 hat aufgrund weitreichender Konzessionen ihrer Gegner weiterhin andauernde Erleichterungen, vor allem für die Bevölkerung in den von Huthis kontrollierten Gebieten, gebracht. Eine Fortsetzung scheiterte letztlich an fehlenden Konzessionen der Huthis, die, statt ihre Blockade der Stadt Taizz wie vereinbart aufzuheben, Militärparaden mit neuen Raketen, Drohnen und Seeminen abhielten.

Seit 20 Jahren haben keine Parlamentswahlen mehr stattgefunden.

Die Verhandlungsstrategie der Huthis zielt seitdem darauf ab, den Preis für die Deeskalation immer weiter in die Höhe zu treiben. Sie verlangen mittlerweile nicht nur die Zahlung der Gehälter von Staatsbediensteten in Gebieten unter ihrer Kontrolle, sondern greifen gezielt kritische Infrastruktur der Ölförderung und des Exports in formal von der Regierung kontrollierten Landesteilen an, um diese zu schwächen. Gleichzeitig unterstreichen sie damit den eigenen Anspruch auf dort generierte Einnahmen. Die Huthis finanzieren sich nicht nur durch formale und illegale Steuern und Abgaben, sondern auch durch die Beschlagnahmung und Veräußerung von Immobilien oder Landbesitz. Allein die Einnahmen aus dem Hafen von Hudeidah zwischen April und November 2022 belaufen sich Expertinnen und Experten zufolge auf mehr als 270 000 Milliarden Jemenitische Rial (etwa eine halbe Milliarde Euro), die, trotz anderslautender Vereinbarung, nicht für die teils seit Jahren ausbleibenden Gehälter ausgegeben werden.

In den Gebieten unter ihrer Kontrolle haben die Huthis den Repressionsgrad ihrer Herrschaft, ohne signifikante Reaktionen der Weltöffentlichkeit, sogar noch weiter erhöht. Willkürliche Verhaftungen, Folter, dramatische Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen, die Indoktrinierung von Schulkindern und die Rekrutierung von Kindersoldaten sind nur einige der Praktiken, die einer friedlichen und nachhaltigen Entwicklung des Landes entgegenstehen.

Seit 20 Jahren haben keine Parlamentswahlen mehr stattgefunden – dutzende Abgeordnete und Vertreter der politischen Parteien leben mittlerweile im ägyptischen, jordanischen, saudischen, türkischen oder gar malaysischen Exil. Innerhalb der bestehenden Anti-Huthi-Koalition, die vom ebenfalls nicht demokratisch gewählten Präsidenten Rashid Al-Alimi mit Müh und Not zusammengehalten wird, gehen die Visionen für einen zukünftigen jemenitischen Staat weit auseinander. Im Alimi unterstellten, achtköpfigen Präsidialen Führungsrat (PLC) sind neben wichtigen Stämmen, Parteien oder Milizen sowohl die Islah-Partei, die der Muslimbruderschaft nahesteht, als auch der Südübergangsrat vertreten, der von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird und die Unabhängigkeit des Südjemen in seinen Grenzen von vor 1990 anstrebt. Zwischen den letztgenannten kam es im vergangenen Jahr wiederholt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Rivalitäten über geostrategisch wichtige Seewege, Territorium und Ressourcen bestehen weiter.

Jahrelang ausbleibende Gehalts- und Pensionszahlungen haben den öffentlichen Sektor ausgehöhlt; statt wirtschaftlicher Erholung floriert die Kriegswirtschaft. Die Räume für die jemenitische Zivilgesellschaft sind begrenzt, davon sind auch Gewerkschaften und Medienschaffende nicht ausgenommen. Institutionen mit Versöhnungspotenzial wie das Schulwesen sehen sich einer immer stärkeren Politisierung und Fragmentierung gegenüber. Eine besonders schwere Last für den innerjemenitischen Frieden bleibt die soziale, wirtschaftliche und politische Marginalisierung von Frauen. Im Februar 2015 verstarb das letzte verbliebene weibliche Parlamentsmitglied Oras Sultan Naji und seit Dezember 2020 sind Frauen auch im Regierungskabinett nicht auf Ministerebene vertreten. In den informellen, in Kriegszeiten entstandenen Formaten der Politikgestaltung spielen Frauen nur eine marginale Rolle. Nicht nur die Führungsriege der Rebellen, auch der PLC besteht ausschließlich aus Männern, viele mit militärischem Hintergrund. Selbst in dessen nachgeordneten Beratungsgremium finden sich unter den über 50 Mitgliedern gerade einmal fünf Frauen. Selbst dort, wo sie es schaffen, in den Kreis der Entscheider aufgenommen zu werden, sind die wichtigen, informellen Verhandlungsrunden weiterhin exklusive Männersache.

Jüngste Fortschritte in den laufenden Verhandlungen, beispielsweise beim Austausch von Kriegsgefangenen, geben Grund zur Hoffnung, auch wenn aufgrund der aktuellen Stärke der Huthis Irans Willen oder Möglichkeiten, sie zu substanziellen Konzessionen zu zwingen, nicht überschätzt werden sollten. Es ist ebenfalls nicht anzunehmen, dass die Nachbarstaaten Jemens ihre durch den Krieg enorm gewachsenen Einflussmöglichkeiten nicht länger im eigenen Sinne nutzen werden. Rivalitäten über geostrategisch wichtige Seewege, Territorium und Ressourcen bestehen weiter. Die Entspannung auf regionaler Ebene kann jedoch neue Spielräume für Verhandlungen schaffen, die über die Aufteilung der Macht nach militärischer Stärke hinaus den Wiederaufbau politischer Institutionen in den Blick nehmen können, die wiederum auf nationaler Ebene den gewaltlosen Ausgleich der Interessen moderieren oder verfestigen können.

Eine reine Stabilisierung autoritärer, para-staatlicher Strukturen, mit der die Akteure des Abkommens vom 10. März mit Blick auf deren eigene innere Verfasstheit wohl gut leben könnten, ist nicht zielführend und birgt die konstante Gefahr einer erneuten Eskalation. Für die Realisierung eines nachhaltigen und dauerhaften Friedens sollten insbesondere europäische Nationen – die sich wie Deutschland seit vielen Jahren auch entwicklungspolitisch im Jemen engagieren – auf lokaler, nationaler Ebene, aber auch im Dialog mit den Nachbarstaaten ansetzen und einen langen Atem bewahren.