Eines der weltweit am stärksten vom Ausbruch der Corona-Pandemie betroffenen Länder ist der Iran. Viele der Ursachen sind hausgemacht; verschärft aber wird die Situation auch durch die Sanktionen der USA. Beistand erfährt das Land dagegen durch China. Damit dürfte der Einfluss der Volksrepublik auf den Iran auf lange Zeit gesichert werden.

Verursacht durch eine anfängliche Verharmlosung, ein zu spätes Eingreifen des Staates und einen zunehmend unter Druck stehenden Gesundheitssektor scheint die Regierung in Teheran kaum noch die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten zu können. Hinzu kommt eine Antihaltung in einigen ultrakonservativen Gruppierungen, die trotz Versammlungsverbot die Moschee massenhaft besuchen. Selbst als der Vize-Gesundheitsminister mit starkem Fieber vor laufenden Kameras seine Infizierung verkündete, schreckte das viele nicht ab, große Veranstaltungen wie Hochzeiten, Trauerfeiern oder Freitagsgebete zu besuchen.

Zwar genießt die medizinische Ausbildung des Iran einen guten Ruf, die technische Ausstattung kam jedoch bereits vor der Corona-Pandemie an ihre Grenzen, da technisches Equipment vor allem durch die US-Sanktionen kaum ins Land kommen kann. Die Volksrepublik steht nun dem Regime in Teheran als hilfreicher Partner zur Seite, der über 50 000 Testkits, 250 000 Atemmasken und weitere medizinische Ausrüstung in den Iran liefert. Der Iran wird auch in den kommenden Monaten mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen haben, zumal bisher die Bemühungen Chinas, einiger EU-Staaten und der UN zur Abmilderung der US-Sanktionen keinerlei Ergebnis brachten. Langfristig wird Chinas Einfluss und politisches Ansehen im Iran gestärkt. Der Einfluss Europas dagegen hat unter den jüngsten Entwicklungen gelitten.  

Deutschland, Frankreich und Großbritannien verloren an Ansehen und Einfluss sowohl in der iranischen Regierung als auch in der Bevölkerung. Profiteur dieser Entwicklung ist die Volksrepublik China.

Nachdem die US-Regierung unter US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 den „endgültigen“ Rückzug der USA aus dem Atomabkommen bekannt gab, brachen die ohnehin nur noch auf niedrigem Niveau existierenden Wirtschaftsbeziehungen Europas mit dem Iran weitgehend zusammen. Versuche der EU, den US-Sanktionen entgegenzutreten, blieben ohne nennenswerte Ergebnisse. Auch die extra für den Handel mit dem Iran ins Leben gerufene Zweckgesellschaft INSTEX (Instrument in Support of Trade Exchanges), erwies sich bislang als weitgehend wirkungslos.

Insbesondere die europäischen E3-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien verloren an Ansehen und Einfluss sowohl in der iranischen Regierung als auch in der Bevölkerung. Profiteur dieser Entwicklung ist die Volksrepublik China. Im Gegensatz zu westlichen Staaten blieb China dem Grundprinzip seiner Außenhandelspolitik treu, sich (sichtbar) weitgehend aus innenpolitischen Belangen der Partnerstaaten herauszuhalten, um ungestört Geschäfte zu machen. Die Abwesenheit einer gemeinsamen Ideologie bzw. eines Wertekanons war dabei keinesfalls hinderlich. Der Ruf Chinas ist seit dem Krieg gegen den Irak Saddam Husseins ab 1980 im Iran positiv stabil: China hatte sich im Gegensatz zu den westlichen Staaten und dem Ostblock nicht mit dem Irak solidarisiert.

Die Handelsbeziehungen zwischen Iran und China haben sich seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1967 deutlich positiv entwickelt. Da europäische Firmen bereits vor dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018 aufgrund fehlender Finanzierungen kaum noch Großprojekte realisierten (ursächlich war die Angst westlicher Banken, von der US-Regierung mit Sanktionen belegt zu werden), ergab sich ein weitgehend konkurrenzbefreiter Raum für chinesische Unternehmen. Deren große Vertreter im Bau-, Energie und Rohstoffbereich sind meist Staatskonzerne. 

In Chinas Belt and Road Initiative (BRI) spielt der Iran eine wichtige Rolle. Das bislang wichtigste asiatische Partnerland Chinas im Rahmen der BRI ist Pakistan, direkter Nachbar des Iran. Transportwege durch bzw. in beide Staaten garantieren China einen Zugang zum Indischen Ozean unter Umgehung der Straße von Malakka.

Inzwischen haben chinesische Firmen nahezu eine Monopolstellung in zahlreichen Segmenten der iranischen Wirtschaft inne.

Bereits 2016 wurde während eines Besuchs von Chinas Staatschef Xi Jinping in Teheran vereinbart, bis 2026 ein bilaterales Handelsvolumen in Höhe von insgesamt 600 Milliarden US-Dollar anzustreben. China vermeidet im Allgemeinen den direkten harten Konflikt mit dem Westen und engagiert sich dort, wo dieser nicht hingeht. Die Volksrepublik übernimmt durch ihre projekterfahrenen Entwicklungsbanken Exim und China Development Bank sowie diverse halbstaatliche Geschäftsbanken höhere Risiken bei einzelnen Projekten und „tauscht“ Infrastrukturprojekte gegen Zugang zu Märkten und natürlichen Ressourcen. Die Volksrepublik ist dabei eher Projektpartner und -ausführer als Direktinvestor.

Im Rahmen mehrerer Abkommen sicherten sich chinesische Firmen zunehmend mehr Anteile auf dem iranischen Markt. Inzwischen haben sie nahezu eine Monopolstellung in zahlreichen Segmenten der iranischen Wirtschaft inne. Die China-Germany Co-Innovation Platform präsentiert eine anschauliche Liste von laufenden Projekten chinesischer Firmen im Iran. Dazu zählen diverse Eisenbahnlinien ebenso wie Großprojekte im Infrastrukturbereich, der Energiewirtschaft und im produzierenden Gewerbe. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass vielfach Russland einbezogen wird, indem für den bilateralen Handel sowohl auf den chinesischen Yuan als auch auf russischen Rubel zurückgegriffen wird. Hauptpartner auf iranischer Seite sind dabei vorranging die Revolutionsgarden und ihre großen halbstaatlichen Unternehmenskonglomerate (Bonyads).

Auch wenn aufgrund der US-Sanktionen und der derzeitigen Covid-19-Epidemie die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und China fast zum Erliegen gekommen sind, so wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit langfristig gesehen deutlich zunehmen. Dies gilt umso mehr, als die USA in näherer Zukunft weitgehend mit sich selbst beschäftigt sein dürften.

Es ist nicht nur im Interesse der Europäer, dem Iran annehmbare gesichtswahrende Auswege aufzuzeigen – auch die USA sollten kein Interesse an einem von Moskau und Peking abhängigen Iran haben.

Auch sicherheitspolitisch hat die Kooperation zwischen China und dem Iran – wiederum in Verbindung mit Russland – zuletzt stark zugenommen. So werden nicht mehr nur Überflugrechte für chinesische Militärmaschinen von Seiten Teherans zugesagt, es finden seit 2017 immer häufiger auch direkte Truppenübungen in Brennpunktgebieten des Mittleren und Nahen Ostens statt – zuletzt im Dezember 2019 im Golf von Oman. Teheran hofft dabei insbesondere, vom technologischen Transfer von Raketen- und Drohnentechnologie sowie beim Ausbau von Cyberkampfmitteln zu profitieren. Diese werden zunehmend von größerer Bedeutung sein. Zudem zählt China seit 2008 zu den größten Lieferanten von Rüstungsgütern in den Iran. Die Achse Moskau-Teheran-Peking dürfte einen immer größeren Einfluss in der Region Zentral- und Vorderasien spielen.

Eine Politik des maximalen Drucks gegenüber dem Iran treibt diesen immer weiter an die Seite Chinas. Es ist für Europa sicherheitspolitisch unabdingbar, dem Iran zeitnah (neue) Alternativen aufzuzeigen, will man wirklich zu einer Entspannung in der Region beitragen. Wenngleich es seit der einseitigen Aufkündigung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) durch die US-Administration für Deutschland bzw. Europa nicht einfacher geworden ist, Einfluss auf die Akteure im Mittleren und Nahen Osten zu nehmen, sollte weiterhin versucht werden, die US-Regierung von ihrer harten Strategie abzubringen. Es ist nicht nur im Interesse der Europäer, dem Iran annehmbare gesichtswahrende Auswege aufzuzeigen – auch die USA sollten kein Interesse an einem von Moskau und Peking abhängigen Iran haben.

Ein erster Ansatz wäre eine Wiederanknüpfung an das INSTEX-Programm der EU. Toleriert von Washington sollte man mit einer ernstgemeinten Neuauflage des Programms dem Iran zumindest wirtschaftlich wieder die Hand reichen. Der erst jüngst durchgeführte erste INSTEX-Handel zur Lieferung von medizinischem Material aus der EU in den Iran kann hier als erster Schritt angesehen werden. Mit dem Erstarken der radikaleren Kräfte im Iran bei den letzten Parlamentswahlen im Februar 2020 und einem höchstwahrscheinlich deutlich konservativeren iranischen Präsidenten nach den nächsten Wahlen im kommenden Jahr werden die Erfolgschancen für eine Annäherung an den Westen immer geringer. Gleichzeitig wächst mit dem Wiedererstarken der Hardliner der Einfluss Pekings und Moskaus im Iran. Vor diesem Hintergrund sollten von deutscher Seite die noch verbliebenen moderaten Kräfte im Iran durch die Aufrechterhaltung von bilateralen kulturellen und akademischen Programmen unterstützt und weiter ermutigt werden.