In diesen Tagen schaut die Weltöffentlichkeit gebannt nach Washington. Fünfzig Tage ist es her, seit die demokratische Mehrheitsführerin im US-Repräsentantenhaus Nancy Pelosi ankündigte, dass ihre Fraktion ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump anstreben werde. Die öffentlichen Anhörungen von hochrangingen Mitarbeitern des Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrates haben begonnen.
Anlass für die entsprechenden Ausschusssitzungen ist die Forderung des amerikanischen Präsidenten an die ukrainische Regierung, belastendendes Material gegen Joe Biden, den ehemaligen Vizepräsidenten und aktuellen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, sowie gegen seinen Sohn zu sammeln. Bidens Sohn Hunter saß bis April 2019 im Verwaltungsrat des ukrainischen Erdgasunternehmens Burisma. Die Freigabe von umfangreicher US-Militärhilfe an die Ukraine sei von Trump an diese Bitte gekoppelt worden, so lautet der Vorwurf.
Zahlreiche ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Regierung Trump werden in den kommenden Tagen und Wochen nach ihrer Sicht auf dieses angebliche „Quid pro quo“ befragt werden. Abschließend wird das Repräsentantenhaus zu bewerten haben, ob Präsident Trump sich mit seinem Handeln tatsächlich der „Hohen Verbrechen und Vergehen“ schuldig gemacht hat, die die amerikanische Verfassung zur Voraussetzung für die Amtsenthebung gemacht hat.
Die Demokraten hoffen, dass der Druck der Öffentlichkeit genügend Senatoren umstimmen wird. Für diese Annahme aber gibt es aus heutiger Sicht keinerlei Anzeichen.
Der Ausgang dieses Verfahren ist angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse bereits absehbar. Zwar werden die Demokraten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus das „Impeachment“ beschließen können. Im folgenden Verfahren im Senat müssten sie jedoch mindestens 20 republikanische Senatoren auf ihre Seite ziehen, um die 67 Stimmen zu erreichen, die für eine Amtsenthebung notwendig sind.
Zwar hoffen die Demokraten, mit den öffentlichen Anhörungen einen derart klaren Fall präsidialen Fehlverhaltens präsentieren zu können, dass der Druck der Öffentlichkeit genügend Senatoren umstimmen wird. Für diese Annahme aber gibt es aus heutiger Sicht keine Anzeichen: Zum einen lösen die Anhörungen bei vielen Amerikanern eher Achselzucken aus. Sie bestätigen eher ein bekanntes Image von Präsident Trump. Selbst vielen republikanischen Wählerinnen und Wählern gilt er schließlich als politisch wankelmütig und moralisch fragwürdig. Zum anderen wird sich die republikanische Partei im Wahljahr 2020 um den Präsidenten scharen (müssen), um ihre Position zu behaupten. Kaum ein Abgeordneter oder Senator wird seine Chancen auf die eigene Wiederwahl schmälern, indem er sich dem Präsidenten entgegenstellt. Dazu ist es Trump in den vergangenen Jahren zu gut gelungen, sich die Partei untertan zu machen.
Das sehen nicht wenige Vertreter der Demokraten ebenfalls sehr klar. Sie warnen vor den Gefahren, die das Impeachment birgt: Je erfolgreicher die republikanische Führung im Kongress damit sein wird, das Prozedere der Amtsenthebung mit allen Verfahrenstricks zu verschleppen und zum Bestandteil des Wahlkampfes 2020 zu machen, umso stärker wird Präsident Trump die Chance nutzen, sich als Opfer eines „Staatsstreichs“ der Demokraten zu präsentieren und damit seine Wählerbasis zu mobilisieren.
Jüngere Kräfte in der Demokratischen Partei setzen die Parteiführung seit Monaten unter Druck, nicht nur das Verfahren gegen Donald Trump einzuleiten, sondern die Partei programmatisch nach links zu rücken.
Warum hält die Demokratische Partei dennoch am Amtsenthebungsverfahren fest? Es ist sicherlich kein Zeichen strategischer Gewissheit. Vielmehr spiegelt diese Entscheidung die innere Zerrissenheit der Demokratischen Partei wider. Denn die Partei ist hinsichtlich ihrer Ziele längst nicht so einig, wie sie es sein müsste, um gegen die Republikaner zu bestehen. Jüngere Kräfte in der Demokratischen Partei setzen die Parteiführung bereits seit Monaten unter erheblichen Druck, nicht nur das Verfahren gegen Donald Trump einzuleiten, sondern die Partei in zentralen Fragen wie Gesundheitsversorgung, Einwanderung oder Umweltschutz programmatisch nach links zu rücken. Die beachtlichen Zustimmungswerte für Elisabeth Warren und Bernie Sanders bei den parteiinternen Vorwahlen sind Ausdruck dieser inhaltlichen Zerrissenheit zwischen Wählbarkeit für die moderate politische Mitte und programmatischem Neuanfang.
Zudem stehen die Demokraten seit einiger Zeit unter Druck, die Rolle des Kongresses bei der Kontrolle von Präsident Trump aggressiver wahrzunehmen als in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Zu häufig haben sie Kompromissen mit der Administration zugestimmt, die das programmatische Bild der Partei verwässert und für die sie letztlich keine substantiellen Gegenleistungen des Präsidenten erhalten haben. Selbst die Schließung der Bundesbehörden im Haushaltsstreit zwischen Republikanern und Demokraten für 35 Tage zum Jahresbeginn war nur ein kurzer Triumph der Legislative. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass die demokratische Fraktionsführung statt der politischen Dimension des Amtsenthebungsverfahrens vielmehr die verfassungsmäßige Rolle des Kongresses bei der Machtbegrenzung des Präsidenten betont.
Wie weit diese Strategie trägt, werden die nächsten Monate zeigen. Diese werden aber auch grundsätzlich über die Zukunft der Demokraten als politische Kraft entscheiden. Es wäre eine bittere Volte der Politik, wenn die Partei mit dem abzusehenden Scheitern des Amtsenthebungsverfahrens Donald Trumps Wählerbasis entscheidend mobilisieren und ihm eine zweite Amtszeit bescheren würde. Dass der Präsident sie mit seinem Verhalten in ein Dilemma ohne gute Handlungsoptionen gebracht hat, ist die eigentliche Tragik.