Zwei Sorgen treiben mich um, als ich im Bus zur diesjährigen Conservative Political Action Conference, kurz CPAC, sitze: Zum einen hoffe ich inständig, dass keiner vom Personal, von den Polizisten und Sicherheitskräften denkt, dass ich „einer von denen“ bin, sprich: einer von den ultrakonservativen Republikanern und anderen Rechtsaußen, die sich alljährlich bei der zuletzt totgesagten großen Konferenz der American Conservative Union versammeln. Denn es werden eher diese Angestellten sein, fast ausschließlich Afro- und Latinoamerikaner, denen ich später im Bus zurück aus dem etwas abseits von Washington gelegenen National Harbor in Maryland begegnen werde – und nicht die überwiegend weißen Besucher aus der amerikanischen Mittelklasse, denen heftige Migranten- und Minderheitenfeindlichkeit nachgesagt wird.

Zum anderen hoffe ich fast noch mehr, dass Letztere nicht erkennen, dass ich eben nicht „einer von ihnen“ bin, obwohl ich wohlweislich nicht versucht habe, eine Presseakkreditierung zu bekommen, sondern ganz normal ein Ticket gekauft habe. Ich will mich ja unter die Menge mischen und hören, was so geredet wird. Wie aggressiv die Stimmung gegen Vertreterinnen und Vertreter der Presse ist, wird gleich am Anfang deutlich. Mitten im Gespräch mit einer Mitarbeiterin einer amerikanischen Watchdog-Organisation wird diese plötzlich von mehreren Männern recht aggressiv bedrängt und gefilmt: „Wie fühlt es sich an, immer diese Lügen über uns zu verbreiten?“ Viele der Rednerinnen und Redner auf dem Kongress werden die Presse verhöhnen, dankend aufgenommen vom Publikum. Zu diesem gehört auch der rechtsextreme Autor und Aktivist Jared Taylor, umringt von einer dezent schwarzgewandeten Neonazi-Entourage. Auf der Rednerliste steht er nicht, aber eine deutliche Abgrenzung nach ganz Rechtsaußen sieht anders aus.

Als Kontrast zu dieser Toleranz für virulenten Antisemitismus werden im Saal laufend Bekenntnisse zur Unterstützung Israels und zur „judeo-christlichen“ Kultur abgegeben. Und zwischen den Reden wird immer und immer wieder ein Video abgespielt, das – natürlich mit düsterster Musik unterlegt – die krassesten propalästinensischen Demonstrationen und Aussagen zeigt. Die republikanische Abgeordnete Elise Stefanik, die in einer Kongressanhörung die Präsidentinnen einiger Eliteuniversitäten mit Fragen zur ausgebliebenen Verurteilung des grassierenden Antisemitismus zur Verzweiflung und zu späteren Rücktritten trieb, hat dann auch einen bejubelten Auftritt.

Die CPAC ist ein Trump-Fest – die Besucher überbieten sich, was Trump-Insignien angeht.

Stefanik nutzt ihren Auftritt bei der CPAC, um als mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin Trumps schauzulaufen, wie auch die Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, die ehemalige demokratische Politikerin Tulsi Gabbard und der ehemalige Präsidentschaftskandidat Vivek Ramaswamy. Denn die CPAC ist ein Trump-Fest – die Besucher überbieten sich, was Trump-Insignien angeht. Doch wahrscheinlich tut sich Stefanik keinen Gefallen damit, zu erwähnen, dass das Video zur genannten Anhörung das „meistgeschaute“ auf YouTube sei. Trump will die von ihr bekundete absolute Loyalität bis hin zur Speichelleckerei, aber ganz sicher nicht, dass ihm jemand die Schau stiehlt – am liebsten sollen vormalige Gegner devot zu Kreuze kriechen.

In einer informellen Umfrage unter den Besucherinnen und Besuchern, wer als Trumps Vize antreten soll, liegen dann Noem und Ramaswamy mit je 15 Prozent vorn. Aber auch Ramaswamy ist wohl eine zu große „Rampensau“ für Trumps Geschmack: Von manchen schon „Mini-Trump“ genannt, redet er frei und flüssig von einem „Krieg zwischen denen, die Amerika lieben, und denen, die es hassen“. Er sagt aber auch, dass kein „Messias“ das Land retten wird. Das ist gegen die gefühlte Mehrheitsmeinung im Raum und das sieht auch Trump wahrscheinlich ganz anders. Dessen Auftritt am letzten Tag der CPAC strapaziert zunächst ordentlich die Geduld und wird dann eine ziemliche Nullnummer. Die Menge im bis auf den letzten Platz besetzten Saal tobt zur ohrenbetäubenden Musik – interessante Wahl: Metallica mit „Enter Sandman“, Textauszug: „Exit light, enter night“.

Doch dann: Nichts. Eine ganze weitere Stunde wird die Halle mit einem eklektischen Musikmix abgespeist, alle sitzen längst wieder, bevor es dann endlich mit einem Zusammenschnitt der Nationalhymne und Trumps Rezitation der Pledge of Allegiance losgeht. Der mutmaßliche republikanische Präsidentschaftskandidat, der am gleichen Abend noch überzeugend die Vorwahl in South Carolina gewinnt, dem Heimatstaat seiner verbliebenen Herausforderin Nikki Haley, beginnt ganz präsidentiell. Stocksteif steht er da, nachdem er die Flagge umarmt und geküsst hat, und lässt sich feiern. 

Auf die Rede, die auf dem Teleprompter auf ihn wartet, hat Trump keine Lust. Und so wird es ein mehr als einstündiger stream of consciousness – er gibt von sich, was ihm gerade einfällt: ein paar minderinteressante Geschichten, durchsetzt mit den üblichen Beschwerden und Anklagen, fast durchgängig im Plauderton vorgetragen, ohne jeden Schwung. Einschläfernd für Beobachter, doch das Trump-hörige Publikum lauert förmlich auf das red meat, die Schlagwörter, die in nahezu jeder Rede bei dieser Konferenz kommen und frenetisch bejubelt werden: Die „Kriegszone“ an der Südgrenze der USA; die „Invasoren“, die aus den Gefängnissen und Irrenhäusern der ganzen Welt unkontrolliert ins Land strömen; die „gestohlene Wahl“; die „Hexenjagd“ einer politisch motivierten Justiz. Die originelle Idee gegen die angebliche weaponization der Bundesregierung: die Beamten des deep state durch Trump-Loyalisten zu ersetzen und dann auf Rachefeldzug zu gehen. Begründung: „Sie haben angefangen.“ Überhaupt hat das Ganze oft eine Anmutung von verbalen Schulhofrangeleien.

Es ist zu jedem Zeitpunkt der CPAC klar erkennbar, wie weit nach rechts außen die Republikaner getrieben sind.

Es ist zu jedem Zeitpunkt der CPAC klar erkennbar, wie weit nach rechts außen die Republikaner getrieben sind. Jack Posobiec, als einer der Verbreiter der Pizzagate-Verschwörungserzählung von kinderbluttrinkenden Demokraten bekannt geworden, fordert unverhohlen das „Ende der Demokratie“. Was in den Mainstream-Medien für einige Empörung sorgt, wird hier frenetisch bejubelt (selbstverständlich soll es um eine „Erneuerung“ gehen, denn man überbietet sich ansonsten damit, die Ideale der Gründerväter zu beschwören).

Eine Maßnahme für die mögliche zweite Trump-Präsidentschaft scheint Konsens zu sein: Es bedarf der größten Deportationsmaßnahme, die das Land je gesehen hat. Die Redner übertreffen einander nur bei den Zahlen, von fünf bis 15 Millionen abzuschiebenden Menschen ist alles dabei. Und doch: So einfach darf man es sich nicht machen. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Umfrage, wer als Vize an der Seite des Ex-Präsidenten kandidieren soll, fordert der Trump-BeraterSteve Bannon die anwesenden Medienvertreter auf, angesichts der Frauen und Angehörigen von Minderheiten auf der Liste der möglichen Vizepräsidentschaftskandidaten zu erklären, wo denn hier der angebliche Rassismus sei, wo der angebliche Sexismus? Und tatsächlich: Zwar sind Frauen und Minderheiten im Publikum weniger präsent als auf der Liste, aber es gibt sie, und Bannon kann immer wieder in die Kerbe hauen, dass die MAGA-Bewegung aus working class-Amerikanern besteht.

Bannon, der bei der CPAC täglich auch Interviews führt, ist hier der heimliche Star. Er schafft es, die Menge immer wieder ordentlich hochzupeitschen. Und Bannon setzt sich von den ganzen aufgetakelten Stars und smooth operators mit perfekten Frisuren, Anzügen, Kleidern und Make-up ab und sieht mit seinem schmuddeligen Outfit eher so „normal“ aus wie das Gros der Besucher. Er will ja auch nicht Vizepräsident werden. Insbesondere die vielen linkisch auftretenden jungen Männer haben in Bannon einen Helden gefunden.

Bannons Arbeiterklassenrhetorik mag am Ende verlogen sein, denn republikanische Politik läuft immer auf die Bevorteilung der Reichen hinaus, auch unter Trump. Aber es gibt durchaus ein paar erkennbare Haltelinien gegen den völkischen Nationalismus und Rassismus, der sich bei der AfD durchzusetzen scheint: Die amerikanische Bevölkerung und auch die konservativen MAGA-Anhänger sind – trotz eines Übergewichts weißer Christen – zu divers, um mit diesem Kurs bei Wahlen erfolgreich zu sein. Legale Migration wird nicht abgelehnt. Aber eine italienisch-amerikanische Konservative berichtet mir in freundlichstem Ton von ihrer Enttäuschung über Melonis Politik: Sie hat die Boote nicht gestoppt.

Protest gibt es übrigens auch. Das republikanische Lincoln Project hat Trucks mit Anti-Trump-Videoleinwänden im Einsatz, die vor dem Convention Center kreisen. Und ein einzelner Mann im Büßergewand weist auf seinem Plakat darauf hin, dass es Blasphemie sei, Trump als „Retter“ anzubeten. Auch er steht draußen, und ich sehe ihn nur, weil ich an ihm vorbei zum Bus muss. Im Saal will man sein Recht auf freie Meinungsäußerung, das hier angeblich hochgehalten wird, lieber nicht testen.