Die Räder der Justiz drehen sich unerbittlich gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Der Untersuchungsausschuss des Kongresses zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hat das Justizministerium aufgefordert, ihn wegen versuchten Staatsstreichs anzuklagen, den er mit geplant und angezettelt hat. Die vier Anklagen, die der Ausschuss vorschlägt, könnten zu einer Gesamtstrafe von bis zu 25 Jahren führen. Ein Sonderermittler prüft diese Angelegenheit zusätzlich zu den offensichtlichen Verstößen gegen die Gesetze zum Umgang mit sensiblen Regierungsdokumenten. (Bezüglich des letzten Punktes wird derzeit in einem anderen Fall ebenfalls gegen Präsident Joe Biden ermittelt).
Gut so. Zu lange hat sich Trump der juristischen Verantwortung für seine Verfehlungen im und außerhalb des Amtes entzogen. Seine Anhängerinnen und Anhänger glauben noch immer, dass sie nichts Falsches getan haben, etwa indem sie das Kapitol stürmten und versuchten, eine Wahl zu kippen. Das Land hat ein großes Interesse daran, diese verkehrte Sichtweise zu korrigieren und Trumps scheinbare Straffreiheit zu beenden. Wir können nicht zulassen, dass die Präsidentschaft, geschweige denn die Ex-Präsidentschaft, schamlose Verhaltensweisen schützt, die jeden normalen Amerikaner ins Gefängnis bringen würden.
Doch die Aussicht, Trump hinter Gitter zu bringen, lässt Millionen Amerikaner zusammenzucken – und das zu Recht. Das Spektakel, wenn ein ehemaliger Präsident ins Gefängnis kommen könnte, wäre ein gefährlicher Meilenstein, der in der amerikanischen Geschichte beispiellos ist. Es würde das Land in Aufruhr versetzen und bei den Republikanern einen Rachedurst wecken, der die amerikanische Politik für eine ganze Generation deformieren könnte. Die bloße Möglichkeit, einen Ex-Präsidenten strafrechtlich zu sanktionieren, lässt viele Anhänger der Rechtsstaatlichkeit seine Strafverfolgung mit großer Sorge betrachten – auch mich, wie ich gestehen muss.
Als dem ehemaligen Präsidenten Richard Nixon eine strafrechtliche Verfolgung drohte, begnadigte ihn Präsident Gerald Ford. Dies trug dazu bei, den, wie Ford es nannte, „nationalen Albtraum“ von Watergate zu beenden. Die Begnadigung Nixons war richtig, auch wenn sie Ford möglicherweise die Wahl von 1976 gekostet hat. Vor ein paar Jahren habe ich mich aus ähnlichen Gründen für eine Begnadigung von Trump ausgesprochen. Jetzt ist jedoch klar, dass seine Verfehlungen die von Nixon bei weitem übertreffen. Sie durchgehen zu lassen, hieße, sie abzusegnen, was ihn und andere zukünftig zu noch größeren Untaten verleiten dürfte. Trump hat die Demokratie über die tolerierbaren Grenzen hinaus geschädigt.
Trump wird nie ein normaler Angeklagter sein.
Stehen wir also vor der unausweichlichen Wahl zwischen Straffreiheit und Gefängnis für Trump? Nein, denn es gibt einen Mittelweg. Präsident Biden kann ankündigen, dass er seine Befugnis zur Strafumwandlung nutzen wird, um zu garantieren, dass Trump im Falle einer Verurteilung keinen einzigen Tag im Gefängnis verbringen wird. Der Präsident sollte diese Ankündigung bald machen, bevor die Anklagen erhoben werden und das Gerichtsverfahren beginnt. Er sollte im Einklang mit seinem früheren Versprechen betonen, dass er oder das Weiße Haus in keiner anderen Hinsicht als der Umwandlung einer Haftstrafe an Entscheidungen über Ermittlungen, Strafverfolgung oder Verurteilung von Trump oder über Trumps Wählbarkeit für die Wahl im Jahr 2024 beteiligt sein werden.
Meines Wissens hat sich noch kein Präsident im Voraus verpflichtet, eine Strafe umzuwandeln. Warum also sollte man für Trump eine Ausnahme machen?
Erstens würde die Beseitigung des Schattens der Inhaftierung den großen – vielleicht sogar überwältigenden – Druck verringern, den Trumps Anklage und Prozess auf das Rechtssystem ausüben würden. Die Prozessbeteiligten wissen, dass sie einen ehemaligen Präsidenten ins Gefängnis schicken könnten, und die Versuchung ist groß, Trump eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen – sei es, indem sie sich ihm gegenüber rachsüchtig verhalten oder, was wahrscheinlicher ist, indem sie ihm besondere Zugeständnisse machen. (Wir haben bereits erlebt, dass eine Bundesrichterin eine umstrittene Ausnahme für ihn gemacht hat.) Trump wird nie ein normaler Angeklagter sein, weil er ein Ex-Präsident ist und weil er Trump ist. Aber wenn strafrechtliche Sanktionen vom Tisch sind, würden sich Staatsanwälte, Richter und Geschworene frei fühlen, ihn zumindest etwas normaler zu behandeln.
Hinzu kommt die Tatsache, dass Trump erneut für das Präsidentenamt kandidiert (teilweise, so glauben viele, um seine Strafverfolgung zu erschweren). Er wird sich natürlich mit aller Macht gegen das Gerichtsverfahren wehren, sich als Märtyrer aufspielen und behaupten, dass Biden und die Demokraten versuchen, die Macht zu behalten, indem sie ihn ins Gefängnis werfen, anstatt die Wahl zu gewinnen. Er wird die Gerichte als Mitwisser des Komplotts hinstellen. Die Republikanische Partei wird seine Anschuldigungen stützen und Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner werden sie glauben. Der Gedanke an die Durchführung einer Präsidentschaftswahl unter diesen Bedingungen sollte jedem sauer aufstoßen.
Die Republikanische Partei wird Trumps Anschuldigungen stützen und Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner werden sie glauben.
Wie sich die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Trump auf den Wahlkampf im Jahr 2024 auswirken wird, kann nur vermutet werden. Es würde sicherlich stark polarisieren und wahrscheinlich andere Themen überlagern. Die politischen Verzweigungen sind nicht die Grundlage, auf der das Justizministerium oder die Gerichte entscheiden sollten, wie sie mit Trump umgehen. Aber das Gefühl, dass ein schreckliches Schwert über unserer Politik hängt, würde durch Bidens Versprechen, Trump vor dem Gefängnis zu bewahren, zumindest gemildert werden.
Und schließlich gehört das Schaffen von Präzedenzfällen zu den wichtigsten Dingen, die Präsidenten tun – und die strafrechtliche Verfolgung Trumps unter Ausschluss einer Gefängnisstrafe ist ein guter Präzedenzfall. Derzeit gibt es – abgesehen von der Begnadigung Nixons – keine Schablone für den Umgang mit einem ehemaligen Präsidenten, der ernsthafter Verbrechen beschuldigt wird. Einen ehemaligen Präsidenten ins Gefängnis zu stecken, schien eine zu extreme Maßnahme zu sein, um sie in Erwägung zu ziehen – eine Tatsache, auf die sich Trump verlassen hat, um sich vor der rechtlichen Verantwortung für seine Taten zu schützen. Mit dem Versprechen einer Umwandlung würde Biden die Norm bekräftigen, dass amerikanische Staatsoberhäupter ihre Vorgänger nicht inhaftieren, aber er würde auch deutlich machen, dass Präsidenten – einschließlich seiner selbst – nicht vor einer Anklage sicher sind, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten scheint dies ein gutes Gleichgewicht zu sein.
Eine vorzeitige Umwandlung wird eine bittere Pille für diejenigen sein, die glauben, dass niemand, auch nicht ein ehemaliger Präsident, über dem Gesetz steht. Eine Strafverfolgung ohne Gefängnis mag seltsam anmuten, und das ist sie in der Tat. In Trumps Fall stehen jedoch außerordentliche Risiken und Empfindlichkeiten auf dem Spiel und seine Inhaftierung würde keinen Zweck erfüllen. Sollte er eines Verbrechens für schuldig befunden werden, sollte die Rechenschaftspflicht in Form des Urteils gegen ihn bestätigt werden. Das ist angemessen und es ist ausreichend.
Dieser Artikel erschien zuerst im US-Onlinemagazin Persuasion.
Aus dem Englischen von Lucie Kretschmer