Auch in Asien, auf seiner bisher längsten Auslandsreise, ist Trump weiter von der Untersuchung möglicher Verstrickungen seines Wahlkampf-Teams mit Russland verfolgt worden. Allerdings gelang ihm auch ein Ablenkungsmanöver: Das ständige „What aboutism“ von Trump, Fox und Freunden, also die Frage nach vermeintlichen Verfehlungen seiner politischen Gegner, führt nun vielleicht zu Untersuchungen der Clinton Foundation und eines Uran-Deals der Obama-Regierung mit Russland. Gleichzeitig sind Trumps Umfragewerte so mies wie nie und historisch schlecht für einen Präsidenten im ersten Jahr – deutlich unter 40 Prozent Zustimmung. Wie erklärt sich dies angesichts der guten Wirtschaftsdaten und einer Arbeitslosigkeit von nur vier Prozent? Gibt es angesichts der katastrophalen Außendarstellung der Regierung, der ständigen Provokationen des Präsidenten und seiner gefährlichen Unberechenbarkeit so etwas wie „buyer’s remorse“, also die Enttäuschung des Käufers angesichts eines fehlerhaften Produkts? Ein Blick in die Tweets von #Trumpregrets zeigt, wer sich warum von Trump abwendet und lässt darauf schließen, wer noch zu Trump hält.

Zum einen dürfen die schlechten Umfragewerte nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch etwa 80 Prozent der Republikaner mit Trump zufrieden sind, und das heißt doch wohl auch, dass Anhänger des Republikanischen Establishments und des Wirtschaftsflügels der Partei ihr Naserümpfen über den orangenen Elefanten im Porzellanladen bisher nicht in öffentliche Ablehnung übersetzen. Der Grund dafür ist vermutlich schlichter Opportunismus: Man darf nicht vergessen, dass Trump die „Grand Old Party“ eben nicht einfach gekapert hat. Er hat den Wahlkampf mit aggressiv auf die Spitze getriebenen traditionellen Republikanischen Wahlkampfstrategien (Nativismus, Islamophobie, Rassismus, Anti-Establishment) geführt und die Wahl wegen des Wahlsystems und der Unterstützung von Sanders-Protestwählern in den darbenden Industriestaaten des „Rustbelt“ gewonnen, aber ohne die Masse des GOP-Mainstreams und der Evangelikalen wäre es eben auch nicht gegangen.

Unter diesen Republikanischen Stammwählern waren die Anhänger von „Never-Trump“ nie mehr als eine Minderheit; ihre Stimmenthaltung oder Unterstützung der Libertären Partei wurde locker von den von Steve Bannon mobilisierten „White Supremacists“ ausgeglichen. Und diese Republikanischen Stammwähler werden sich weder von den Exposés Trump‘scher Skandale durch die Mainstream-Medien, der Häme der Late Night Comedians (deren plötzlicher Status als das gute Gewissen Amerikas die ganze Misere der tribalen politischen Kultur der USA auf den Punkt bringt), von noch so fundierten Analysen von Experten, oder vom Murren des GOP-Establishment rund um die Bush-Dynastie davon überzeugen lassen, von Trump abzurücken, solange dieser eben keine populistische, sondern klassische Republikanische Politik verfolgt: Deregulierung und Steuersenkungen für den wohlhabenden bis reichen Mainstream und für den Wirtschaftsflügel und das Versprechen eines abtreibungsfeindlichen Supreme Court für die Evangelikalen.

Es ist also überhaupt keine Überraschung, dass die Tweets von #TrumpRegrets und ähnliche Missfallensbekundungen nicht aus dieser Ecke kommen, sondern in erster Linie von Wählern, die mit ihrer Stimmabgabe für Trump die Revolte gegen jedwedes politische und wirtschaftliche Establishment proben wollten. Er geht ihnen entweder zu weit (die Mauer!), nicht weit genug (wann wird sie endlich gebaut?), oder in die falsche Richtung – Generäle und Wall Street-Vertreter in der Regierung, was soll das denn? Die Merkwürdigkeit, dass sie ihren Protest durch die Wahl eines selbst-erklärten Milliardärs und Medienstars voran treiben wollten, steht auf einem anderen Blatt, aber die Tweets dieser Protestwähler, ob von rechts oder von links (die vielen Unterstützer von Bernie Sanders, die sich nicht zu einer Stimmabgabe für Hillary durchringen konnten, verkörpert diese für sie doch die verhasste Elite wie keine zweite) kommen aus einer erwartbaren Enttäuschungsfalle: Man hätte es doch wirklich wissen können.

Die Abwendung von Trump von Republikanischen Mainstream-Wählern, vom Wirtschaftsflügel und von den Evangelikalen kann indes noch kommen: Wenn er aus ihrer Sicht seine Schuldigkeit getan hat, kann man sich durchaus in den Kreis derer einreihen, die angesichts seiner tölpelhaften Kindersprache, seiner Rüpeleien und ständigen Provokationen empört jegliche Anmutung von präsidentiellem Verhalten vermissen. Und das dann auch in der Wahlkabine zeigen – jedenfalls bei den nächsten präsidentiellen Vorwahlen, falls Trump noch einmal antritt.

Die langfristig denkenden Strategen der Republikanischen Partei bevorzugen auch deshalb, bestimmte Versprechungen – wie insbesondere das eines Verbots der Abtreibung – nie zu verwirklichen. Würde doch dadurch ein lohnendes Mobilisierungsinstrument wegfallen und der Gegenseite automatisch eines zuwachsen. Was die Frauenfeindlichkeit Trumps unbegreiflicherweise nicht geschafft hat, nämlich die Mehrheit der weißen Frauen auf die Seite der Demokraten zu schlagen, ein völliges Abtreibungsverbot würde sicher dazu führen.

Das opportunistische Kalkül des Wirtschaftsflügels und der wohlhabenden Republikanischen Stammwähler zeigt übrigens auch, dass auf sie nicht zu zählen ist, wenn es um die Verteidigung demokratischer Institutionen und der liberalen Gesellschaft geht – Geld verdienen lässt sich schließlich in jedem Regime und solange man sich eine segregierte private Welt leisten kann, lässt es sich auch gut ausgeben, die reichen Eliten in aller Welt machen es doch vor. Insofern sind die Vorwürfe an die vielen Nichtwähler wohlfeil, sind doch deren Hindernisse ungleich größer – auch angesichts der expliziten Versuche Republikanischer Regierungen, die Wahlbeteiligung von Minderheiten und Jungen zu beschränken.

Und auch die Demokraten sollten sich mit Vorwürfen an die GOP-Stammwähler und den Wirtschaftsflügel zurückhalten, denn die Wohlhabenden unter ihnen haben die nichtwählenden Angehörigen der „Arbeiterklasse“ (Menschen ohne College-Abschluss) auch fast immer abgeschrieben und im Übrigen wenig mehr für die Mittelklasse in den Industriestaaten des Rustbelt getan, als ihnen bessere Bildung und Ausbildung ans Herz zu legen. Diese Herablassung wurde 2016 bestraft und auch wenn von Trump jenseits von öffentlichkeitswirksamen Einzelaktionen keine Besserung ihrer Situation zu erwarten ist, haben sie doch bisher wenig Grund, von den Demokraten deutlich Besseres zu erwarten. Daran ändern auch die jüngsten Demokratischen Wahlerfolge in New Jersey und Virginia nichts, wo „Trumpism without Trump“ nicht zum Erfolg führte – also die Trump‘sche aggressive Zuspitzung der traditionellen Republikanischen Wahlkampfstrategie, die potentielle Wählerkoalition des Gegners entlang von Ethnie, Religion und Werten zu spalten, bei gleichzeitiger Abgrenzung vom unbeliebten Trump. Das Wahljahr 2018 verspricht ein böses Erwachen, denn das derzeit vom Supreme Court diskutierte parteiische Gerrymandering (Zuschneiden von Wahlkreisen zugunsten der eigenen Kandidaten) und die Zusammensetzung des Drittels der Senatoren, die zur Wiederwahl stehen, macht es für die Demokraten so gut wie unmöglich, die Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses zu übernehmen.