In gewisser Regelmäßigkeit sagen Politikexperten und -expertinnen voraus, Donald Trumps Anhängerschaft werde sich nun endlich von ihm abwenden und die Republikanische Partei könne wieder zu dem werden, was sie vor der Ära Trump war. Damit liegen sie jedoch falsch. Nichts konnte der Trump-Loyalität an der Basis bisher schaden: weder seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2020 noch seine Lügen über diese „gestohlene“ Wahl; und auch nicht einmal sein Aufstacheln zum Angriff auf das US-Capitol am 6. Januar 2021.
Trump ist nach wie vor der mit Abstand populärste Vertreter der Republikanischen Partei. Dank seiner Unterstützung verbesserte sich beispielsweise J. D. Vance in den Senatsvorwahlen (Primaries) der Republikaner in Ohio von einem vorausgesagten vierten Platz zum Sieger. Der Autor des viel gerühmten sozialkritischen Buches „Hillbilly-Elegie – Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise“, das den Niedergang der weißen Arbeiterschicht skizziert und das oft herangezogen wurde, um die Wahl Trumps zu erklären, war lange ein scharfer Kritiker des Ex-Präsidenten, unterstützt ihn nun aber – was ihm die Wahlempfehlung Trumps einbrachte. Wie es ein Wähler in Ohio gegenüber der Presse ausdrückte: „Wenn Trump Vance unterstützt, dann wissen wir, dass er gut sein muss.“
Trumps beispiellose Dominanz über die Partei hat dazu geführt, dass nur wenige Republikaner es wagen, sich ihm in irgendeiner Weise zu widersetzen.
Trumps beispiellose Dominanz über die Partei – auch nach der Niederlage in der Präsidentschaftswahl – hat dazu geführt, dass nur wenige Republikaner es wagen, sich ihm in irgendeiner Weise zu widersetzen. Weitere Vorwahlen der Partei in diesem Frühjahr werden seinen Status als „Königsmacher“ sicherlich bestätigen. Und mit dem wahrscheinlichen Sieg der Republikaner bei den Midterm-Wahlen im Herbst ist so gut wie vorprogrammiert, dass er 2024 erneut Präsidentschaftskandidat sein wird.
Die Midterms verlaufen in der Regel schlecht für die Partei des amtierenden Präsidenten. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Regierungspartei bei den Zwischenwahlen im Durchschnitt 26 Sitze im Repräsentantenhaus verloren. Dieses Jahr müssen die Republikaner ihrerseits lediglich fünf Sitze hinzugewinnen, um die Mehrheit in der Kammer mit ihren 435 Sitzen zu übernehmen.
Die große Mehrheit der Republikaner stimmt darüber hinaus Trumps haltlosen Behauptungen zu, die Präsidentschaftswahl 2020 sei manipuliert gewesen, und sieht die anstehenden Midterms als eine Gelegenheit zur Revanche.
Dieses Wissen sowie andere Faktoren, die diesen Wahlgang für die Demokraten zu einem schwierigen Unterfangen machen, sind Wasser auf die Mühlen der Republikaner. Zu diesen besagten Faktoren gehören die Inflation, die steigende Gewalt und Kriminalität, die chaotische Situation an der Südgrenze zu Mexiko sowie der Eindruck, dass progressive Politiker und Politikerinnen bei Themen wie Race und Sexualität „zu weit“ gehen. All diese Faktoren haben zusammengenommen dazu geführt, dass die Zustimmungswerte des amtierenden Präsidenten Joe Biden nahe einem historischen Rekordtief liegen. Die meisten Umfragen zeigen, dass Wählerinnen und Wähler der Republikaner motivierter und optimistischer auf die Midterms schauen, als die Demokraten. Die große Mehrheit der Republikaner stimmt darüber hinaus Trumps haltlosen Behauptungen zu, die Präsidentschaftswahl 2020 sei manipuliert gewesen, und sieht die anstehenden Midterms als eine Gelegenheit zur Revanche.
Im Rahmen all dieser Gegebenheiten bereitet sich Trump aktuell auf einen Besuch in Pennsylvania vor, um dort vor den republikanischen Primaries am 17. Mai eine seiner Kundgebungen abzuhalten. In diesem Wahlkampf, wie auch in vielen anderen im ganzen Land, lässt Trump die Spitzenkandidaten um seine Unterstützung buhlen. Die beiden Anwärter mit den besten Wahlaussichten, der TV-Arzt Mehmet Oz und der Hedgefonds-Manager David McCormick, besuchten Trump in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida und versicherten ihm ihre uneingeschränkte Loyalität. Wie der omnipotente Boss, den er in seiner Reality-TV-Show The Apprentice spielte, gab Trump schließlich Oz das grüne Licht. McCormick war so praktisch „gefeuert“.
Für Menschen, die mit den politischen Prozessen in den USA nicht vertraut sind, ist es möglicherweise schwer nachvollziehbar, wie Trump mit seiner Einmischung in die Wahlkämpfe im ganzen Land lange geltende Normen derart torpediert und zerstört hat. Nie zuvor hat ein abgewählter US-Präsident von Kandidatinnen und Kandidaten seiner Partei, die sich zu einer Wahl stellen, verlangt, dass sie ihm ihre Loyalität zusichern, oder ihnen in den Primaries sein persönliches „Gütesiegel“ ausgestellt.
Während Trumps erster Coup-Versuch im Januar 2021 gescheitert ist, ist es durchaus vorstellbar, dass er beim nächsten Mal erfolgreicher ist.
Normalerweise greift die Parteiführung bei solchen Wahlkämpfen kaum ein – aus Angst, interne Spaltungen zu schüren, die dann den Chancen der siegreichen Kandidatin bei der Hauptwahl schaden könnten. Trump hat hingegen die Gelegenheit der Primaries genutzt, um sich an denjenigen zu rächen, die sich seinen Bemühungen entgegengestellt haben, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen. Ebenso konnte er durch seine Einmischung in die Primaries die Loyalität der Partei zu seiner Person und seinen falschen Wahlbetrugsvorwürfen festigen. Und während sein erster Coup-Versuch im Januar 2021 gescheitert ist, ist es durchaus vorstellbar, dass er beim nächsten Mal erfolgreicher ist, wenn Republikaner, die an die „große Wahllüge“ glauben, den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2024 bestimmen können.
Unter politischen Beobachtern und Beobachterinnen wird viel darüber spekuliert, dass Trumps Dominanz in der Partei Schaden nehmen könnte, wenn die von ihm unterstützten Kandidaten ihre Primaries nicht gewinnen. Einige warnen sogar vor einem möglichen „Bürgerkrieg“ innerhalb der Republikanischen Partei. Das ist jedoch Nonsens, denn fast alle Kandidatinnen, die keine offizielle Trump-Unterstützung erhalten haben, präsentieren sich ebenfalls als Trump-Loyalisten. Es gibt keine nennenswerte Fraktion republikanischer Kandidaten oder Amtsinhaberinnen, die sich offen gegen die Person Trump oder seine Politik aussprechen – auch wenn einige hinter verschlossenen Türen ihre Abneigung zum Ausdruck bringen.
Beispiel Pennsylvania: Oz und McCormick präsentieren im Grunde dieselben populistischen Pro-Trump-Aussagen und Wahlversprechen. Beide sehen sich als Konservative mit dem Grundsatz „America First“. Beide machen faktenbefreite Aussagen über „Unregelmäßigkeiten bei der Wahl“. Beide befürworten den Weiterbau der Trump’schen Grenzmauer, um Migrantinnen und Migranten außer Landes zu halten. Beide versprechen wie Trump, „China die Stirn bieten“ zu wollen. Jeder der beiden zeigt sich als Kämpfer im Trump-Stil, als kompromissloser Kulturkrieger, der die woke Gegnerschaft besiegen wird. Wer auch immer die Primaries gewinnt (tatsächlich führt McCormick trotz fehlender Trump-Unterstützung aktuell knapp vor Oz): Der Wahlsieger wird eine konsequente Trump-Linie fahren.
Paradoxerweise könnte Trumps Dominanz nur dadurch gefährdet werden, dass die jeweiligen Kandidaten und Kandidatinnen im Kampf um seine Gunst zu weit gehen.
Paradoxerweise könnte Trumps Dominanz nur dadurch gefährdet werden, dass die jeweiligen Kandidaten und Kandidatinnen im Kampf um seine Gunst zu weit gehen. Schließlich ist es Teil der Trump’schen Gesinnung, gesellschaftliche Spaltung zu forcieren und US-amerikanische Institutionen zu schädigen. So hat der Kandidat Vance in Ohio beispielsweise dazu aufgerufen, alle Staatsbediensteten zu entlassen und „durch unsere Leute zu ersetzen“, falls Trump eine zweite Amtszeit gewinnt. Derartiger Radikalismus mag in den Primaries gut ankommen, könnte aber viele Wechselwähler, gerade in den Vorstädten, verschrecken und die Partei ihre angestrebte Mehrheit im Senat kosten.
Hinzu kommt: Obgleich Trump heute populärer ist als zu seiner Amtszeit, ist er insgesamt weiterhin unbeliebt. Einige Umfragen zeigen, dass Trump in einem hypothetischen Wahlkampf 2024 mit Biden gleichauf liegen würde, und selbst einige seiner Unterstützerinnen befürchten offenbar, er sei zu spaltend für die amerikanische Gesellschaft, um tatsächlich wiedergewählt zu werden. Die wahrscheinliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das in der Verfassung verankerte Recht auf Abtreibung zu kippen, könnte die Wahldynamik ebenfalls auf derzeit unvorhersehbare Weise beeinflussen und verändern.
Aktuell ist die Republikanische Partei aber die Donald-Trump-Partei. Ihr Erkennungszeichen ist nach wie vor sein Slogan „Make America Great Again“. Viele Republikaner zeigen sich immer stärker überzeugt, dass es auch in Zukunft „MAGA“ heißen wird – sei es 2022, 2024 oder darüber hinaus.
Aus dem Englischen von Ina Goertz