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Fast jeder Artikel über die „Sicherheit im Weltraum“ beginnt mit der Erkenntnis, dass Satelliten und im Weltraum stationierte Dienste für moderne Gesellschaften von entscheidender Bedeutung sind. Und zwar aus gutem Grund: Weltraumtechnologien stellen Werkzeuge zur weltweiten Kommunikation, Fernaufklärung und globalen Navigation zur Verfügung. Sogar das Militär ist hochgradig abhängig von Satellitendaten, die Informationen liefern, Raketen steuern und Frühwarnsysteme ermöglichen. Ob die USA, Russland, China oder andere große Militärmächte: Sie alle nutzen in gewissem Umfang den Weltraum und seine Möglichkeiten.

Aufgrund dieser Abhängigkeit entwickeln einige Staaten Werkzeuge, um ihre Gegner an der Verwendung und Nutzung von Weltraumsystemen zu hindern. Diese Werkzeuge fallen unter mehrere unterschiedliche Kategorien, aber eins haben sie alle gemeinsam: Sie stellen Bedrohungen für die Weltraumsysteme dar. Dies ist nicht überraschend. Wie auch bei Flugzeugen und Flugabwehrsystemen war es nur eine Frage der Zeit, bis die Militärs Methoden entwickelten, um gegnerische Vorteile im Weltraum zu neutralisieren.

Bisher blieb diese Technologie auf wenige Akteure beschränkt, aber durch Innovationen bei der asymmetrischen Kriegsführung wird die Dynamik möglicher Konflikte im Weltraum rapide verändert. Darüber hinaus besteht eine – allerdings extrem geringe – Wahrscheinlichkeit, dass im Weltraum die Mittel dafür geschaffen werden, Objekte in der Atmosphäre oder auf der Erdoberfläche anzugreifen. Diese Waffen würden dann Bedrohungen durch Weltraumsysteme darstellen. So unwahrscheinlich diese Aussicht auch sein mag: Für einige Staaten, die solche Waffen als mögliche Versicherung gegen eine angestrebte „Dominanz“ im Weltraum betrachten, ist sie real genug.

Die Hauptakteure bei der Entwicklung von Abwehrmöglichkeiten im Weltraum sind die USA, Russland, China und Indien. Einige andere Länder wie Israel, Iran, Pakistan oder Nordkorea verfügen über Bausteine für die Verteidigung im Weltraum.

Die Secure World Foundation (SWF) – ein Thinktank aus Washington, DC – beschäftigt sich mit der weltweiten Einschätzung der Abwehrmöglichkeiten im Weltraum. In einem zugehörigen, quelloffenen Dokument werden allgemein verfügbare Informationen dazu veröffentlicht, welche Länder in diesem Bereich welche Fähigkeiten entwickeln. Die Hauptakteure in diesem Bereich sind die USA, Russland, China und Indien. Die SWF berücksichtigt auch einige andere Länder (wie Israel, Iran, Pakistan oder Nordkorea), die über Bausteine für die Verteidigung im Weltraum verfügen. Aktuelle Ereignisse zeigen, dass es noch mehr Staaten gibt, die momentan aktiv „Himmelswaffen“ anstreben, darunter auch Frankreich und Japan.

Es gibt vier Hauptkategorien der Fähigkeiten zur Weltraumabwehr: Die erste ist „kinetisch“. Dazu gehört hauptsächlich die Möglichkeit, durch physische Gewalt einen Satelliten zu beschädigen. Zu diesen Waffen gehören beispielsweise Satellitenabwehrraketen (wie jene, die kürzlich von Indien eingesetzt wurde) oder orbitale Drohnen. Diese Drohnen sind extrem manövrierfähige Flugobjekte, die Satelliten reparieren, auftanken oder gar aus der Umlaufbahn entfernen können. Solche Werkzeuge können beispielsweise eingesetzt werden, um Müll zu beseitigen, aber auch, um Satelliten anzugreifen.

Die zweite Art der Weltraumabwehrwaffen ist „nicht kinetisch“. Solche Systeme verwenden hoch konzentrierte Energie dazu, Satelliten zu stören oder zu beschädigen. Momentan entwickeln mehrere Staaten Laser, die so verwendet werden können, darunter die USA, Russland, China und Frankreich.

Das Hauptproblem bei den kinetischen und nicht kinetischen Waffen besteht darin, dass sie, wenn sie einen Satelliten beschädigen oder zerstören, auch Trümmer produzieren, die nicht unbedingt direkt auf die Erde fallen. Ein Experte erklärte mir, dies sei wie ein Krieg, in dem die Geschosse nie wieder aufhören zu fliegen.

Elektronische Abwehrsysteme zur Störung und Manipulation sind leicht verfügbar, auch für nichtstaatliche Akteure. Es gibt international keinen Konsens darüber, wann aus einer „Beeinflussung“ ein Angriff wird.

Die anderen beiden Möglichkeiten sind weniger zerstörerisch, aber viel weiter verbreitet. Elektronische Abwehrsysteme zur Störung und Manipulation sind leicht verfügbar, auch für nichtstaatliche Akteure. Dasselbe gilt für Cyber-Techniken, die zur Spionage und zur Überwachung oder gar Zerstörung von Weltraumsystemen verwendet werden können. Eine der größten Sorgen bei diesen beiden Kategorien besteht darin, dass es keinen Konsens darüber gibt, wann aus einer „Beeinflussung“ ein Angriff wird. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil die NATO gerade erst Pläne veröffentlicht hat, in denen es heißt, ein „Angriff“ auf einen Satelliten reiche bereits aus, um die kollektive Selbstverteidigung auszulösen. Es gibt unter den NATO-Mitgliedstaaten keinen Hinweis auf einen Konsens darüber, was als Angriff auf ein Weltraumobjekt betrachtet wird – und auch nicht darauf, ob diese Ansicht mit anderen Ländern geteilt wird.

Die bisher beschriebenen Abwehrmöglichkeiten stellen Bedrohungen „für“ Weltraumsysteme dar. Es gibt eine weitere Herausforderung, über die in Gesprächen über die Sicherheit im Weltraum oft diskutiert wird, nämlich Bedrohungen „durch“ Weltraumsysteme. Diese unterscheiden sich insofern, als sie keine anderen Weltraumobjekte gefährden, sondern in der Lage sind, Objekte in der Atmosphäre oder am Boden anzugreifen. Momentan gibt es keine Hinweise auf Länder, die solche Waffen entwickeln wollen – mit Ausnahme der USA.

In den 1980ern rief der damalige US-Präsident Ronald Reagan eine Initiative mit dem Namen „Star Wars“ ins Leben: Er wollte Satelliten mit Raketenabfangjägern installieren, um damit Interkontinentalraketen in ihrer Umlaufbahn zerstören zu können. Diese Idee wurde lange Zeit abgelehnt. Sie wurde technisch und wirtschaftlich als ähnlich sinnvoll betrachtet, wie im Weltraum „rosa Drachen“ aufzuhängen.

Trotzdem werden weltraumgestützte Abfangsysteme in den USA heute erneut diskutiert, wenn auch auf einem sehr oberflächlichen Niveau. Die Sorge ist hier, dass die Raketenabwehr aus dem Weltraum als Vorwand dafür dienen könnte, Raketen zu stationieren, die auch Ziele am Boden erreichen können. Und obwohl viele Experten der Ansicht sind, die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Waffensystem jemals entwickelt werde, sei extrem gering, sorgt bereits die Wahrnehmung einer solchen Bedrohung bei multilateralen Gesprächen für echte Probleme.

Bereits vor Jahrzehnten haben die UN-Mitgliedsländer die wachsende Bedrohung der Sicherheit im Weltraum erkannt. Trotzdem gibt es bei diesem Thema kaum Fortschritte.

Bereits vor Jahrzehnten haben die UN-Mitgliedsländer die wachsende Bedrohung der Sicherheit im Weltraum erkannt.  Trotzdem gibt es bei diesem Thema kaum Fortschritte. Allgemein betrachtet bilden die Staaten zwei Lager: Die einen (meist westliche Industrieländer) sorgen sich über Bedrohungen „für“ ihre Weltraumsysteme und streben freiwillige Maßnahmen an, um im Weltraum Transparenz herzustellen. Dazu gehören beispielsweise Startbenachrichtigungen, der Austausch orbitaler Daten und die Veröffentlichung staatlicher Maßnahmen im Weltraum.

Andere (in erster Linie Russland und China, aber auch der größte Teil der restlichen Welt) stellen sich freiwilligen Maßnahmen nicht entgegen, hätten aber lieber ein rechtlich bindendes Abkommen. Diese Länder sorgen sich auch über die (allerdings sehr unwahrscheinliche) Möglichkeit, dass jemand eines Tages Waffen im Weltraum stationieren könnte, die die Menschen auf der Erdoberfläche bedrohen. Diese Länder geben sich nur mit einem verbindlichen Vertrag zufrieden.

Im Moment scheint es in dieser Diskussion nicht viel Raum für Konsens zu geben. Bei den Gesprächen über die Sicherheit im Weltraum halten die zwei Lager starr an ihren Positionen fest. Eine Möglichkeit für Fortschritte könnte darin bestehen, sich auf bestimmte Themen zu konzentrieren, die alle betreffen – wie die Tests zerstörerischer Anti-Satelliten-Technologie, bei denen Weltraumschrott produziert wird. Ehrgeizigere Lösungen könnten allerdings weiterhin außer Reichweite liegen – insbesondere dann, wenn das Thema der weltraumgestützten Raketenabwehr bei multilateralen Diskussionen weiterhin im Hintergrund bleibt, ohne direkt angesprochen zu werden.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.